Arivo Berlin vermittelt Flüchtlinge in Handwerksberufe
Foto: Cornelius Wüllenkemper
So funktioniert das: Ein Ausbilder erkla?rt Flüchtlingen in der KFZ-Innung Berlin die Abgasmessung.
"Wir müssen uns auch um sie kümmern"
Berliner Initiative macht aus Flüchtlingen Fachkräfte
"Flüchtling ist kein Beruf", so lautet das Motto von "Arrivo Berlin". Das Projekt vermittelt dringend benötigte Fachkräfte in die klassischen Handwerksberufe und gibt damit zugleich Asylbewerbern in Deutschland eine berufliche und persönliche Perspektive. Oft mangelt es den Flüchtlingen vor allem an professioneller Hilfestellung, um einen Ausbildungsplatz zu finden.

"Die sind äußerst motiviert, stellen viel Fragen und nehmen die ganze Sache sehr ernst." Alexander Schaibakoff, technischer Ausbilder bei der KFZ-Innung Berlin, ist zufrieden. Seit zwei Wochen bringt er einer Gruppe von zehn Flüchtlingen in den Werkstätten der KFZ-Innung die theoretischen und praktischen Grundlagen seines Handwerks bei. Das Ziel: ein Praktikum in einem KFZ-Betrieb, das dann in einen regulären Ausbildungsvertrag mündet. "Die Werkstätten suchen händeringend Auszubildende, und die Flüchtlinge wollen Teil der Gesellschaft sein, die wollen arbeiten!" Die Teilnehmer von Schaibakoffs Workshop kommen aus Burkina-Faso, Äthiopien, Nigeria, Kamerun, Somalia, Kosovo und aus Syrien. Sie alle mussten aus ihrer Heimat fliehen, wegen politischer Verfolgung, Terror oder Bürgerkrieg.

Der 25-jährige Mohammed Alhawash aus Damaskus ist vor eineinhalb Jahren mit seiner Frau über den Libanon, Ägypten und Italien nach Berlin geflohen. "Die Überfahrt war schrecklich, wir waren mit 200 Leuten in einem 14 Meter langen Boot acht Tage lang auf See", sagt Mohammed. Man merkt ihm an, dass er sich bemüht, nüchtern und gefasst zu wirken. Gemeinsam mit seinen zwei Geschwistern hat er sich nach Berlin durchgeschlagen, seine schwangere Frau kam einige Wochen später nach. In zwei Monaten werden vielleicht auch seine Eltern nach Berlin kommen.

Mohammed Alhawash in der KFZ-Werkstatt der Berliner Innung.

Mittlerweile lebt Mohammed mit seiner Frau und seiner Tochter in einer Wohnung außerhalb des Berliner Stadtzentrums. "In Syrien war ich selbstständiger Holzhändler. Nach drei Monaten in Berlin habe ich versucht einen Aushilfsjob zu kriegen, in Bäckereien oder in KFZ-Betrieben. Aber ohne Ausbildung und richtig gute Sprachkenntnisse hatte ich keine Chance", erzählt er. Als Flüchtling mit Aufenthaltsgenehmigung, aber ohne Schulzeugnisse selbst einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu organisieren, ist kaum möglich, die bürokratischen Anforderungen sind zu hoch. Vor einem Monat hat Arrivo-Berlin Mohammed eine erste echte Perspektive eröffnet.

Das Hilfsprojekt von der Flüchtlingshilfe "Schlesische 27", der Handwerkskammer und des Senats vermittelt Asylbewerber in Ausbildungsplätze des Handwerks. In einem sechsmonatigen Parcours bekommt derzeit eine Gruppe von rund 15 Flüchtlingen Einblicke in verschiedene Ausbildungsberufe, vom Maler über Dachdecker bis zum KFZ-Mechaniker. Je vier Wochen durchlaufen die Teilnehmer praktischen und theoretischen Grundlagenunterricht, dann wird ein Betriebspraktikum vermittelt und später ein Ausbildungsvertrag angestrebt.

"Ich muss noch mehr lernen", sagt Mohammed

Emily Kuck, Sozialarbeiterin der "Schlesischen 27", ist optimistisch: "Bei mehr als der Hälfte der Teilnehmer sieht es so aus, als ob sie im September ihre Ausbildung anfangen können. Von den Praktikumsbetrieben bekommen wir ausschließlich sehr positive Rückmeldungen. Das einzige Problem ist, dass in manchen Fälle der Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge begrenzt oder ungeklärt ist." Sie hofft, dass ein Ausbildungsvertrag Klarheit schafft. Denn auch die Betriebe brauchen Planungssicherheit. Jenseits der Willkommenskultur lohne sich die Vermittlung der Flüchtlinge auch rein rechnerisch: Die Unterbringung der Flüchtlinge in Heimen ohne Ausbildung und Beschäftigung koste den deutschen Staat deutlich mehr als eine aktive Integrationspolitik und die Vermittlung in das Berufsleben.

Auch Alexander Schaibakoff von der KFZ-Innung ist vom Erfolg von Arrivo-Berlin überzeugt. "Eignungstests mit Menschen, die noch Deutschkurse belegen, sind wenig sinnvoll. Die Betriebspraktika bei Arrivo erlauben es sowohl den Flüchtlingen als auch dem Betrieb herauszufinden, ob man zueinander passt." Die politische Entscheidung, Flüchtlinge aus Krisenländern aufzunehmen, begrüßt Schaibakoff. "Aber wir müssen uns eben auch um sie kümmern, damit wir die Bildung von Parallelgesellschaften verhindern."

Mohammed aus Damaskus wird im April ein Praktikum in einem KFZ-Betrieb antreten und kann es kaum erwarten, im September eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker zu beginnen. Derzeit besucht er vier Mal pro Woche einen Deutschkurs in der Volkshochschule. "Ich muss noch mehr lernen", sagt er etwas verlegen. Dann sieht er sein Gegenüber eindringlich an und sagt: "Ich kann es schaffen."