Liebe Leserin, lieber Leser,
willkommen in der vierten Fastenwoche! Wir nähern uns der Halbzeit, und das bedeutet für unsere Übungen einen Perspektivwechsel. Bislang haben wir vor allem uns selbst angeschaut und versucht, das Schöne und Gute zu entdecken. Nun ist es an der Zeit, dass wir das auch bei anderen versuchen. Dafür steht uns wieder ein Paulustext zur Verfügung, diesmal aus dem Brief an die Epheser. Martin Luther hat in seiner Übersetzung mal wieder in die Vollen gegriffen: Den ersten Satz meint man förmlich riechen zu können. Andere Übersetzungen sind hier weniger drastisch: "Über eure Lippen komme kein böses Wort", schreibt beispielsweise die Einheitsübersetzung. Aber Luther lässt keinen Zweifel daran, was solche "bösen Worte" bewirken: Sie verpesten die Luft. Stattdessen sollen wir sagen, "was gut ist, was aufbaut und was notwendig ist". Und weiter geht es mit den Ermunterungen, die Paulus den Leuten in Ephesus schreibt. Weg mit "Bitterkeit, Grimm, Zorn, Geschrei, Lästerung und Bosheit"! Nun gut, versuchen wir es.
Erster Schritt: Die Abfuhr
Für diese Übung sollten Sie sicherstellen, dass Sie allein sind und Sie auch niemand hören kann, wenn Sie laut werden. Ich möchte Sie nämlich bitten, dass Sie sich zunächst solche Wörter hernehmen, die "faules Geschwätz" sind. Es geht darum, dass Sie einmal hören, was Sie vielleicht nur ganz hinten in Ihrem Kopf denken. Vielleicht denken Sie es auch nicht einmal, sondern fühlen nur das Faulen, das andere Menschen in Ihnen auslösen. Jetzt soll es auf die Zunge und über die Lippen kommen, damit Sie es loswerden.
Darum denken Sie bitte an solche Menschen, die Ihnen das Leben gerade unangenehm machen, solche Menschen, die Ihnen die Laune verderben können, den frischen Tag faul werden lassen können. Suchen Sie sich jemanden aus, der wirklich geeignet ist. Es kann jemand aus Ihrem Arbeitsumfeld sein, aus Ihrer Nachbarschaft oder auch aus Ihrer Familie oder Ihrem Freundeskreis. Wenn Sie nun Hemmungen haben, oder gar sagen "so etwas tu ich niemals", dann überspringen Sie diesen Schritt. Aber springen Sie nicht zu schnell, bleiben Sie ehrlich mit sich selbst. Es schaut ja niemand anderes zu. Nun suchen Sie die passendsten Beleidigungen für diese Person aus, die Ihnen einfallen. Üben Sie keine Selbstzensur! Anders als sonst bitte ich Sie nicht, diese Worte aufzuschreiben, denn sie sollen nur gesagt werden, nicht dokumentiert. Suchen Sie sich die drei "faulsten" Wörter aus, die Ihnen zu dieser Person einfallen. Wenn Sie sie gefunden haben, befeuchten Sie sich die Lippen, schlucken Sie einmal und dann sprechen Sie die drei Wörter hintereinander aus.
Wie laut haben Sie geredet? Wie haben Sie sich dabei gefühlt? War es unangenehm, dass Sie hören konnten, was Sie über diese Person denken? Oder war es eher gut, einmal zu sagen, was Sie schon lange denken? War es Ihnen eher peinlich? Oder haben Sie ein angenehmes Kribbeln verspürt, so als ob man etwas Verbotenes, aber Schönes tut? Sagen Sie die drei Worte noch einmal, und hören Sie sich dabei zu. Vielleicht versuchen Sie es einmal als ein Zischeln, oder Sie schreien die Worte. Probieren Sie einmal aus, was am besten zu diesen "faulen Worten" passt.
Nun ist es dringend an der Zeit, dass Sie Ihrem Mund etwas Gutes tun. Gönnen Sie sich ein Pfefferminzbonbon, oder putzen Sie sich die Zähne, oder tun Sie etwas anderes, was Ihren Mund wieder frisch macht, bevor Sie den nächsten Schritt tun.
Zweiter Schritt: Frische Worte
Nachdem Sie Ihre Gedanken in faulen Worten losgeworden sind und Ihren Mund wieder erfrischt haben, können Sie überlegen, was "aufbaut" und was "notwendig ist", wie Paulus schreibt. Auch wenn Sie die faulen Worte losgeworden sind, so bleibt die Tatsache doch bestehen, dass die Leute, an die Sie hier gedacht haben, Ihnen das Leben schwer machen. Was könnten Sie also tun, damit Sie mit diesen Menschen ins Reine kommen? Gibt es überhaupt einen Weg? Paulus schreibt, man solle freundlich sein, die Bitterkeit loswerden und dem anderen vergeben. Eben nicht lästern, nicht hinter dem Rücken anderer "faul reden", sondern reden, "was gut und notwendig ist". Es kommt also nicht zuletzt auf die Richtung an, in die wir reden. Nicht über jemanden, nicht hinter jemandes Rücken, sondern ihr oder ihm direkt sagen, was notwendig ist. Das kann man sich vornehmen.
Darum versuchen Sie bitte, sich noch einmal die Person vor Augen zu holen, an die Sie eben dachten. Und dann stellen Sie sich vor, dass sie Ihnen gegenübersitzt. Malen Sie sich eine möglichst entspannte Situation aus, in der Sie niemand stört, und in der Sie genügend Zeit und Ruhe haben, um miteinander zu reden. Holen Sie wieder tief Luft und atmen Sie ebenso tief wieder aus. Dann fragen Sie sich: Was ist notwendig, dass Sie es dieser Person direkt sagen? Was muss diese Person wissen? Was wollen Sie ihr gegenüber loswerden? Was soll sie verstehen?Wenn Sie das gefunden haben, kommt es darauf an, Worte zu finden, die Sie tatsächlich dieser Person gegenüber sagen könnten. Es geht um die richtige Formulierung. Wie können Sie das, was notwendig ist, so sagen, dass Ihr Gegenüber es auch hören und annehmen kann? Versuchen Sie mal ein paar Formulierungen. Hier kann es helfen, tatsächlich etwas zu notieren. Tun Sie das hier oder wo Sie Platz finden. Und schreiben Sie am Schluss die Formulierung auf, die Sie für die beste erachten.
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Dritter Schritt: Überprüfung und Chance
Wenn Sie wissen möchten, ob Sie einen guten Ton getroffen haben, dann lesen Sie sich Ihre Worte noch einmal durch und dann noch einmal den Text aus dem Epheserbrief. Meinen Sie, Paulus wäre einverstanden mit Ihrer Formulierung? Wenn ja, dann können Sie gleich auf eine Chance warten (oder gar eine solche herbeiführen), in der Sie mit der Person, mit der Sie über Kreuz liegen, reden können. Wenn Sie der Meinung sind, Paulus wäre nicht zufrieden, zwinkern Sie ihm in Gedanken zu und flüstern Sie ihm ins Ohr: "Sieben Wochen ohne Runtermachen, lieber Paulus!" oder was Ihnen sonst "Freundliches und Herzliches" einfällt. Und dann nutzen Sie trotzdem die nächste Chance zu sagen, was notwendig ist – auf eine Weise, die ankommt und "Segen bringt".
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche!
Ihr Frank Muchlinsky