Montagnards
Foto: Reuters/Adrees Latif
Montagnards fliehen aus Vietnam nach Kambodscha.
Verfolgt in Vietnam, ungewollt in Kambodscha
Eine große Zahl von Christen aus Vietnam ist in den vergangenen Monaten nach Kambodscha geflüchtet. Viele verstecken sich aus Angst vor den kambodschanischen Behörden in den Wäldern der Provinz Ratanakiri. Kambodscha hat keine klare Politik für den Umgang mit den Flüchtlingen aus Vietnam. Offenbar auf internationalen Druck werden einige wenige anerkannt. Die meisten aber schickt Kambodscha nach Vietnam zurück, wo sie dann noch mehr Schikanen durch die Polizei ausgesetzt sind.

"Die Polizisten haben sich betrunken. Dann weckten sie mich auf, verhörten und schlugen mich. Für die Verhöre legten sie mir Handschellen an. Die Handschellen waren eng wie Drähte. Sie versetzten meinen Knien Elektroschocks und sagten 'Du bist auf diesen Beinen zu Demonstrationen gegangen'." Diesen schockierenden Bericht eines zu fünf Jahre Haft verurteilten Christen über seine Misshandlung im Gefängnis T 20 in der Provinz Gia Lai veröffentlichte die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) als ein Beispiel für die Gewalt gegen die Montagnards.

Mit dem französischen Sammelbegriff Montagnards werden die überwiegend christlichen, mehrheitlich protestantischen Bergvölker im zentralen Hochland von Vietnam bezeichnet. Die Geschichte der Montagnards, oder Degar, wie sie sich selbst nennen, ist eine Geschichte der Unterdrückung und Verfolgung. Diese Völker sind von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes weitgehend abgeschnitten und leben in Armut. Kultur und Sprache der Minderheiten unterscheiden sich stark von jener der mehrheitlich buddhistischen Vietnamesen. Die Bergstämme wurden von den Vietnamesen, der französischen Kolonialmacht, während des Vietnamkriegs von den Nord- und Südvietnamesen und den Amerikanern wechselweise verfolgt oder als Verbündete rekrutiert. Immer versprachen die jeweiligen Machthaber den Montagnards mehr Rechte, Entwicklungshilfe, Autonomie, aber gehalten wurden die Versprechungen nie.

Der Protestantismus wächst schnell

Die ursprünglich animistischen Montagnards wurden unter dem Einfluss der Franzosen katholisch und später durch amerikanische Missionare protestantisch. Der Protestantismus ist im heutigen Vietnam die am schnellsten wachsende religiöse Minderheit. Zwei Drittel der Protestanten gehören zu den Bergvölkern wie den H'mong, Ede, Jarai und den Bahnar, die ihre Religion außerhalb der von dem kommunistischen Regime in Hanoi erlaubten und kontrollierten offiziellen Religionsgruppen ausüben.

Das und der historische Umstand, dass viele der Montagnards während des Vietnamkriegs auf der "falschen Seite" standen, also die USA und Südvietnam unterstützten, weckt das Misstrauen Hanois. "Die Behörden behaupten, dass einige Montagnards protestantische Organisationen gebildet haben, die sich für einen Separatismus ethnischer Minderheiten einsetzen", heißt es Report über Religionsfreiheit (2013) des US-Außenministeriums. Zudem würden die Montagnards verdächtigt, Kontakte zu "separatistischen Gruppen" im Ausland zu unterhalten.

Schikane und Flucht

Nach Informationen von Human Rights Watch verfolgen, schikanieren und verhaften Einheiten zum Schutz der "politischen Sicherheit" zusammen mit lokalen Polizeikräften die Montagnards. "Sie lösen Versammlungen in Hauskirchen auf, sperren die Grenze, um Montagnards an der Flucht nach Kambodscha zu hindern und zwingen Montagnards, sich von ihrem Glauben loszusagen", beschreibt Phil Robertson, HRW-Repräsentant in Bangkok, die Methoden der Verfolgung.

Der "Kampf zur Eliminierung des Dega-Protestantismus" ist ein Dauerthema der Zeitungen in der vietnamesischen Provinz Gia Lai. In den Artikeln werden Bürgermeister und Parteifunktionäre gepriesen, die "reaktionäre Banden" der Degar aufgespürt und bei öffentlichen Veranstaltungen zur Abkehr von ihrem Glauben gezwungen habe. HRW kritisiert diese erzwungene Abkehr vom Glauben mit deutlichen Worten: "Religionsfreiheit kann nicht nur Freiheit für staatlich sanktionierte Religionen bedeuten."

Keine Anerkennung als politische Flüchtlinge

Internationale Menschenrechts- und Hilfsorganisationen wie HRW sind für ihre Dokumentationen der Unterdrückung und Verfolgung der Degar auf vietnamesische Medien und Berichte von Flüchtlingen angewiesen. Partei und Sicherheitsorgane in Vietnam haben das zentrale Hochland zu einer Tabuzone für unabhängige internationale Menschenrechtsorganisationen erklärt.

In ihrer Verzweiflung fliehen immer wieder Montagnards über die Grenze nach Kambodscha, wohl wissend, dass auch das Nachbarland kein Hort des Respekts der Menschenrechte ist. Zudem ist das Königreich seit der Befreiung vom Joch der Roten Khmer durch Vietnam in einer gewissen Abhängigkeit vom kommunistischen Nachbarn. Antivietnamesische Töne werden nicht geduldet, Montagnardflüchtlinge nicht als politische Flüchtlinge anerkannt, Kontakte der Vereinten Nationen mit Montagnards werden in der Regel nicht zugelassen. "Mitte Februar wurde das OHCHR an einer Kontaktaufnahme mit Montagnards in Ratanakiri gehindert", sagt Wan-Hea Lee, Repräsentantin des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) in Phnom Penh, gegenüber evangelisch.de. "Die Situation hat sich seitdem nicht verändert."

Internationaler Druck macht sich bemerkbar

Auf internationalen Druck hatte Kambodscha im vergangenen Dezember 13 Montagnards aufgenommen und in dieser Woche als Flüchtlinge anerkannt. Lee sieht darin "ein willkommenes Signal der Regierung, letztendlich ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten". Mit der Internationale Organisation für Migration (IOM) hatte Kambodschas Regierung im Februar eine Vereinbarung zur Garantie der Rechte von Flüchtlingen getroffen. Konkret ging es um die geplante Umsiedlung von Bootsflüchtlingen aus Ländern wie dem Irak, Afghanistan oder Sri Lanka, die in Australien Asyl beantragt haben und bis zur Entscheidung in einem australischen Lager in dem Südseeinselstaat Nauru interniert waren. Es ist integraler Teil der harschen Asylpolitik Australiens, Bootsflüchtlinge auch nach einem positiven Bescheid des Asylantrags nicht in Australien aufzunehmen, sondern in Drittländer umzusiedeln.

Die IOM geht davon aus, dass ihr Abkommen mit Kambodscha und Australien nicht nur für die Asylbewerber auf Nauru, sondern für Flüchtlinge generell gilt. Ob jedoch Kambodscha diese Interpretation teilt, muss sich erst noch zeigen.

###mehr|terms|5777### Seit Herbst vergangenen Jahres hat die Zahl der Montagnards, die aus Vietnam fliehen, zugenommen. Über die Gründe gibt es unterschiedliche Auffassungen. Für Kambodschas Regierung fliehen die Montagnards nicht vor politisch-religiöser Verfolgung, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Lee hingegen weiß aus Gesprächen mit Montagnards in Phnom Penh, dass die religiöse Verfolgung in letzter Zeit verschärft wurde. "Genaueres können wir aus Gründen der Vertraulichkeit nicht veröffentlichen", betont die UN-Expertin.

In Phnom Penh wird spekuliert, das Abkommen zwischen IOM, Kambodscha und Australien könne weitere Montagnards zur Flucht nach Kambodscha motivieren. "Wir haben dafür keine Bestätigung", sagt Robertson. "Aber eine der unglaublich dümmsten Aussagen über Kambodscha war die von Australiens Minister für Einwanderung und Grenzschutz, Peter Dutton, der Kambodscha ein sehr 'vertrauenswürdiges' Land beim Schutz von Flüchtlingen genannt hat. Angesichts der Montagnards, die Kambodscha in ihr Elend zurückschickt, würde er diese Worte jetzt sicher gerne zurücknehmen."

Schlaglicht auf Kambodschas Flüchtlingspolitik

Der Fall des Kambodschaner Dy Heun wirft ein grelles Schlaglicht auf Kambodschas Flüchtlingspolitik. Dy Heun wollte in der vergangenen Woche 36 Montagnardflüchtlinge nach Phnom Penh bringen. Auf der Fahrt in die kambodschanische Hauptstadt wurde er von vietnamesischen und kambodschanischen Polizisten angehalten, verhaftet und zu einem fünftägigen Verhör nach Vietnam gebracht. Nach seiner Rückkehr nach Kambodscha am Dienstag dieser Woche sagte Heun gegenüber der Phnom Penh Post, er werde auch in Zukunft Montagnardflüchtlingen helfen: "Wenn sie in Vietnam keine Schwierigkeiten hätten, würden sie nicht nach Kambodscha fliehen."