Demenzkranke
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Viele Demenzkranke irren häufig orientierungslos umher. Per GPS-Ortung sollen sie künftig leichter wieder gefunden werden.
Umherirrende Demenzkranke leichter wiederfinden
Im schweizerischen St. Gallen stattet das Rote Kreuz Demenzkranke mit Spezial-Uhren aus. Hat sich ein Mensch verlaufen, können Angehörige ihn mit Hilfe der Geräte orten. Auch in Deutschland gibt es Interesse an Ortungssystemen.
23.02.2015
epd
Sebastian Stoll

###mehr-artikel###Fälle wie dieser ereignen sich fast täglich: Ein Mensch mit einer leichten Demenz bricht auf zu einem Spaziergang - und kommt nicht wieder. Die Angehörigen sind in Sorge, ob etwas passiert ist. Was sollen sie unternehmen? "Das Problem ist, dass man solchen Menschen kein Handy mitgeben kann, weil sie es oft wegwerfen", sagt Urs Gamper. Sein Plan: Wenn der verschwundene Mensch schon nicht erreichbar ist, dann muss man ihn orten können. Und dann erst entscheiden, ob Rettungskräfte gebraucht werden oder nur eine dicke Jacke, die man zum Park um die Ecke mitbringt.

Urs Gamper ist Geschäftsleiter beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) in St. Gallen. In der Stadt hat die Organisation Ende 2014 damit begonnen, spezielle Uhren an Demenzkranke und deren Angehörige auszugeben. Sie sind vollgestopft mit Technik, mit ihrer Hilfe will das SRK in Zukunft Menschen vor stunden- oder tagelangen Irrläufen bewahren. Entsprechende Geräte gibt es schon seit einigen Jahren, allerdings werden sie bislang nur von Einzelnen eingesetzt. Dass eine Institution wie das Rote Kreuz mit ihnen experimentiert, ist neu im deutschsprachigen Raum.

Roter Knopf an der Uhr alarmiert die Zentrale

Die Organisation kann dabei etwas bieten, das die Gerätehersteller in dieser Form niemals können - nämlich eine großflächig arbeitende Notrufzentrale. Stellt ein Mensch mit Demenz fest, dass er sich verlaufen hat, kann er über einen großen roten Knopf an der Uhr die Zentrale alarmieren. Umgekehrt kann die Uhr von dieser und den Angehörigen auch angerufen werden, ein Lautsprecher aktiviert sich dann von selbst. Nützt beides nichts, verfügt das Gerät auch über eine GPS-Ortung. "Wir konzentrieren uns auf Leute mit Demenz, die mit einem Partner noch zu Hause leben. Unser Ziel ist, dass sie länger in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können", sagt Gamper.

Noch sind es nur eine Handvoll Menschen in St. Gallen, die die Uhren nutzen - was auch an der für Schweizer Verhältnisse vergleichsweise hohen Miete von etwa 75 Franken im Monat liegt. In wenigen Wochen wird deshalb umgestellt auf ein anderes, wesentlich preiswerteres Modell. Auch bei diesem wäre es für das SRK rein technisch möglich, das komplette Bewegungsprofil eines Menschen zu erfassen. Damit das nicht geschieht, verpflichtet sich die Organisation vertraglich, den Standort eines Dementen nur im Falle eines Alarms zu überprüfen. "Die Entscheidung, einen Menschen damit auszustatten, muss von ihm selbst oder einem Angehörigen gefällt werden", sagt Gamper.

Wenig Erfahrung mit GPS-Ortungssystemen

Mit dem Projekt übernimmt das SRK eine Vorreiterrolle: "Es gibt viel Interesse an GPS-Ortungssystemen, doch wenig Erfahrungen damit", beschreibt Hans-Jürgen Freter von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft die Lage in Deutschland. Grundsätzlich stehe der Verband der Technik positiv gegenüber und fördere gegenwärtig auch ein Forschungsprojekt über deren Nutzen an der Berliner Charité. "Es ist aber immer eine ethische Frage, denn es handelt sich um einen Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen. Hier muss sorgfältig abgewogen werden", sagt Freter. Die Technik könne eine wertvolle Unterstützung sein, sie sollte jedoch nicht eingesetzt werden, um menschliche Zuwendung oder Personal zu sparen.

Derzeit ist der Einsatz der Demenz-Uhren auf die Stadt St. Gallen und den sie umgebenden gleichnamigen Kanton begrenzt. "Unsere Kollegen in den anderen Kantonen beobachten aber sehr genau, wie das Projekt bei uns läuft", sagt Urs Gamper vom SRK in St. Gallen. Sei die Arbeit mit den Uhren erfolgreich, dann sei eine Einführung in weiteren Regionen wahrscheinlich.