Foto: epd/ Hanno Gutmann
EKD-Botschafterin für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann.
Nach Rot zurück auf Los
Vor fünf Jahren legte Margot Käßmann ihr Amt als EKD-Ratspräsidentin nieder
Wer trotz offensichtlicher Verfehlungen an seinem Amt klebt, dem wird häufig die Gradlinigkeit Margot Käßmanns bei ihrem Rücktritt im Februar 2010 als Spiegel vorgehalten. Die Theologin ist weiter prominent und populär.
18.02.2015
epd
Karsten Frerichs

Am Ende ihrer nicht einmal vierminütigen Erklärung nickt Margot Käßmann energisch. Trotz müder Augen ist in ihrem Gesicht Erleichterung zu erkennen. Am 24. Februar 2010 scheint die Karriere der populären Theologin mit den kurzen schwarzen Haaren beendet. Im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sie soeben ihren Rücktritt als EKD-Ratsvorsitzende und hannoversche Landesbischöfin erklärt.

Vier Tage zuvor hatte sie unter Alkoholeinfluss am Steuer ihres Dienstwagens eine rote Ampel überfahren. Der Fall wurde öffentlich - und die Glaubwürdigkeit der obersten Repräsentantin der deutschen Protestanten stand infrage. "Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte", schlussfolgerte Käßmann.

Rat der EKD spricht sein Vertrauen aus

Mit dem Rückzug aus allen leitenden Ämtern habe sich Margot Käßmann "als politisches Genie erwiesen", sagt Kommunikationsberater Klaus Kocks. Und tatsächlich scheint die Beliebtheit der 56-Jährigen durch den Rücktritt noch gestiegen zu sein: Als Buchautorin und Kolumnistin ist sie ebenso erfolgreich wie von Fernsehsendern als Talkshow-Gast gefragt. Und nach Gastprofessuren in den USA sowie an der Ruhr-Universität Bochum kehrte sie vor drei Jahren in ein herausgehobenes, neu geschaffenes Amt in der evangelischen Kirche zurück: als Botschafterin des Rates wirbt sie international für das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017.

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Wenn Reue als wahrhaftig empfunden wird, seien Christenmenschen zur Vergebung bereit, erklärt sich Kommunikationsexperte Kocks den schnellen Wiederaufstieg Käßmanns. Und so wurde in der Folge der Rücktritt der Bischöfin vielfach als beispielgebend herausgestellt. Ob Christian Wulff oder Franz-Peter Tebartz van-Elst: wer lange an seinem Amt festhielt, dem wurde die Gradlinigkeit Käßmanns als Spiegel vorgehalten. Sie selbst will nicht mehr über die Vergangenheit sprechen. Es sei doch eine "ziemlich beschränkte Wahrnehmung", ihren Lebenslauf auf ihre 2006 diagnostizierte Brustkrebserkrankung, ihre Scheidung im Jahr 2007 und den Rücktritt 2010 zu reduzieren, sagte sie dem "Zeit"-Magazin.

Wie sehr die Mutter von vier Töchtern vor der Aufgabe der Ämter mit sich gerungen hat, verriet Käßmann, als sie knapp drei Monate später beim Ökumenischen Kirchentag in München erstmals wieder öffentlich auftrat. Sie habe sich an jenem "dramatischen Tag", dem 24. Februar 2010, zum ersten Mal in den zehn Jahren als Landesbischöfin in ihrer Kanzlei eingeschlossen, um für sich allein eine Entscheidung zu fällen und Worte zu finden. Tatsächlich gab es damals in ihrem Umfeld nicht wenige, die sie zum Verbleib im Amt bewegen wollten. Noch am Abend vor dem Rücktritt hatte ihr der Rat der EKD das Vertrauen ausgesprochen.

Käßmann als Bundespräsidentin?

Die 13 Ratsmitglieder mögen dabei auch im Sinn gehabt haben, welche öffentliche Wirkung sie der Vorsitzenden verdankten - der ersten Frau in diesem Amt. Vor allem Käßmanns beherztes Eintreten gegen eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik hatte in den vier Monaten an der EKD-Spitze für Schlagzeilen gesorgt. Nachdem sie in einer Neujahrspredigt in Dresden den Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" ausgesprochen hatte, setzte eine intensive Debatte über den Bundeswehreinsatz ein. Schließlich kam es zu einem Treffen Käßmanns mit Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) und einer Einladung des Verteidigungsministers, sich doch selbst in Afghanistan ein Bild zu machen. Zu der Reise kam es nicht mehr.

Den Vorwurf der Naivität lässt Käßmann bis heute nicht gelten, auch wenn sie manches Urteil verletzt habe. "Kirche muss politisch sein", ist ihre Überzeugung, und so provozieren einige ihrer Äußerungen weiter. "Ich fände es gut, wenn die Bundesrepublik auf eine Armee verzichten könnte wie etwa Costa Rica", sagt sie im September 2014 dem "Spiegel" - was wiederum heftige Reaktionen in der Politik hervorruft.

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Das alles bewahrt Käßmann, die inzwischen in Berlin und auf Usedom lebt, aber nicht davor, auch für politische Ämter ins Gespräch gebracht zu werden. Selbst als mögliche Bundespräsidentin wird sie immer mal wieder gehandelt. Kommunikationsberater Kocks ist skeptisch: zwar eigneten sich Menschen, die predigen können, sehr gut für das Präsidentenamt, sagt er mit Blick auf den Amtsinhaber Joachim Gauck. Doch an staatspolitischem Format fehle es Käßmann.

Diese ficht das wohl kaum an: sie schätze ihre Freiheit, sagte sie in einem Interview. Und als Bundespräsidentin müsse man ja noch mehr aufpassen, was man sage, als als Bischöfin. Und so reist Käßmann derzeit von politischen Zwängen unbelastet durch die USA, um Interesse am Reformationsjubiläum in zwei Jahren zu wecken.