Manche tun's öffentlich, heften unterschriebene Karten mit diesem Text an Pinnwände. Andere dieser Zeitgeist-Verweigerer haben nur einen Adressaten für ihre Aktion: sich selbst, sie stecken die Karte in die Schublade, vertrauen ihren Schwur höchstens dem Tagebuch an. Einige kirchliche Jugendorganisationen unterstützen die Kartenaktion.
Junge Liebe ohne Sex - warum? Die Jugendlichen verweisen auf die Bibel. Aber die gibt an Begründungen für strenge Enthaltsamkeit wenig her. Sex im heutigen Sinne war für die Altvorderen kein Thema. Der Kult um die lustvolle, selbstbestimmte körperliche Begegnung zweier erwachsener Menschen interessierte die biblischen Erzähler nur am Rande. Nämlich dann, wenn jemand aus Lust die für das Zusammenleben der Sippe wichtigen Regeln verletzte.
Entschädigung für eine entjungferte Braut
So heißt es im zweiten Buch Mose sinngemäß: Wenn jemand eine Jungfrau, die noch nicht verlobt ist, verführt und mit ihr Geschlechtsverkehr hat, so soll er den Brautpreis zahlen und sie heiraten. Falls der Vater der Frau ihn aber als Schwiegersohn ablehnt, hat er den Brautpreis abzuliefern und die Sache ist erledigt.
Es ging im alten Israel also nicht um Gefühle und Anstand und „Moral", sondern um eine wirtschaftliche Angelegenheit. Die entjungferte Braut hatte auf dem Heiratsmarkt keine Chancen mehr. Dafür musste die Familie finanziell entschädigt werden.
Unsere moderne Ehe kennt das Alte Testament nicht. Zwar heißt es im sechsten Gebot in der deutschen Übersetzung: „Du sollst nicht ehebrechen." Aber wo in der Bibel heute „Ehe" steht, geht es in der Sache vor allem um „Familie" oder „Haus". Und an der Spitze des Hauses stand der Mann. Töchter und Ehefrauen waren sein Eigentum. Als lebenslange, verlässliche Beziehung gewinnt die Ehe erst im Neuen Testament Gestalt. Am stärksten wirkt bis heute das im Matthäusevangelium überlieferte Wort Jesu gegen die Ehescheidung: „Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden" (19,6).
Für Luther ist die Ehe ein "weltlich Ding"
Der Apostel Paulus vergleicht die Ehe im Brief an die Epheser mit der Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde (5,32). Damit erhielt sie den hohen Stellenwert, der sie für die römisch-katholische Kirche zum Sakrament macht. Dem Reformator Martin Luther erschien die Ehe als „weltlich Ding". Zugleich bleibt sie auch für Protestanten klares Leitbild für partnerschaftliche Beziehungen.
Für das gängige Bild von sündigem Sex und Fleischeslust hat vor allem der antike Kirchenlehrer Augustin (354-430) gesorgt. Augustin meinte, dass die „Ursünde" von Adam und Eva durch den Geschlechtsakt von Generation auf Generation vererbt werde. Daraus entwickelte sich die Auffassung, dass körperliche Lust keinen Wert habe. Sie könne allenfalls in der Ehe als Mittel zum Zwecke der Fortpflanzung geduldet werden.
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Für die zentrale Veränderung im Umgang mit Sex sorgte die Pille in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In der damit einhergehenden „sexuellen Revolution" konnte sich die Lust zweier Menschen vom Gedanken der Fortpflanzung vollständig lösen. Dass sexuelle Freiheit nie risikolos ist, wurde der westlichen Welt unter dem Schock von Aids seit Mitte der 80er Jahre auf neue Weise bewusst.
Waren die Erfahrungen mit Aids zentraler Auslöser für die Kampagne „Wahre Liebe wartet"? Schon möglich. Die von jungen Gläubigen der konservativen Southern Baptist Church in den USA gegründete Bewegung versteht sich jedoch in erster Linie als Aktion der moralischen Erneuerung aus einem christlichen Impuls heraus.
Sexuelle Freiheit zwischen Lust und Last
Und auch wenn sich in der Bibel nur schwer Belege für ein striktes Nein zu vorehelichem Sex heute finden lassen, verdient die Aktion Respekt. Denn Jugendpsychiater haben festgestellt: Die in der Konsumgesellschaft propagierte grenzenlose sexuelle Freiheit ist für viele Jugendliche mehr Last als Lust und setzt sie unter großen Druck.
Christen bleiben gerade angesichts dieser Freiheit dem verantwortungsbewussten und aufrichtigen Umgang mit der Gottesgabe der Lust verpflichtet. Und vor allem gilt: Niemand darf andere zu Objekten seiner Triebe machen, darf sie ihrer Würde berauben, sie demütigen und zu sexuellen Handlungen zwingen oder sie körperlicher und psychischer Gefahr aussetzen.
Sex als freiwillige, respektvolle Begegnung zweier Menschen - das ist für Christinnen und Christen eine unaufgebbare Konsequenz der Vorstellung, dass wir Gottes Ebenbilder sind (1. Mose 1,27).