Das Taufwasser auf dem Kopf entlockt ihm ein paar Schreie, über ein Mikrophon hört die Kirchengemeinde alles mit. Paten und Eltern sind rasch zur Stelle, um dem Kleinen Haar und Stirn zu trocknen. Und vor allem werden sie gebraucht, um eine Frage wie diese zu beantworten: "Seid ihr bereit, dieses Kind zum Glauben an Jesus Christus zu führen und ihm zu helfen, dass es ein lebendiges Glied der Kirche bleibt, so antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe." Das Ja der Eltern und Paten hat Gewicht. Denn ab sofort gilt: Bis das Kind zu einem mündigen Gemeindemitglied herangewachsen sein wird und in der Konfirmation seine eigene Entscheidung für den Glauben und die Gemeinde deutlich macht, tragen sie den größten Teil der Verantwortung für die religiöse Entwicklung des Kindes.
Die Kindertaufe ist bis heute weitgehend Konsens und vorherrschende Praxis in den großen christlichen Kirchen. Zwar wächst die Zahl der jungen Menschen und Erwachsenen, die um Aufnahme in die Gemeinden bitten und dann getauft werden. So stieg seit Beginn der sechziger Jahre ihr Anteil an den evangelischen Taufen von einem auf acht Prozent. Doch grundsätzlich sprechen sich unter den Protestanten fast 80 Prozent für die Säuglings- oder Kleinkindertaufe aus. Knapp zwanzig Prozent der Evangelischen befürworten eine Taufe der Kinder erst in einem Alter, in dem sie selbst entscheiden können.
Kinder aus dem Einflussbereich des Bösen befreien
Das war nicht immer so. Bis ins fünfte Jahrhundert galt die Taufe vor allem als Angebot für Erwachsene. Je mehr sich aber das Christentum ausbreitete und schließlich zur gesellschaftlich bestimmenden Religion wurde und je mehr bereits getaufte Erwachsene ihrerseits Kinder bekamen, wuchs der Brauch, auch diese schon als Kinder zu taufen. Eine Rolle spielte dabei auch die populär werdende Erbsündenlehre, die es den Christen nahe legte, ihre Kinder möglichst frühzeitig aus dem Einflussbereich des Bösen zu befreien.
Als Anlass für ein Familien- und Gemeindefest, auch als Vergewisserung der Eltern, dass ihr Kind unter dem besonderen Schutz Gottes steht, ist die Kindertaufe heute beliebt. Eine Reihe evangelischer Gemeinschaften und Kirchen lehnen die Kindertaufe allerdings strikt ab. Dazu zählen die Pfingstkirchen (unter denen einige die Kindertaufe immerhin als gültig anerkennen). Ihnen fehlt darin jedoch eine nachvollziehbare Bekehrung des Taufwilligen und die Entwicklung eines persönlichen Glaubens. Nach Auffassung der Pfingstkirchen können sich nämlich nur Erwachsene ihres Glaubens bewusst sein. Auch die Baptisten taufen nur "mündige" Christen. Wer als Kind in einer anderen Kirche getauft wurde und sich erst später ihrer Gemeinschaft anschließt, wird noch einmal getauft.
Demografisch bedingt: Immer mehr Erwachsenentaufen
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Doch dass die Zahl der Erwachsenentaufen in Deutschland zunimmt, hat nicht - wie bei den Baptisten oder Pfingstlern - theologische, sondern zunächst demografische Gründe. Eine wachsende Zahl an Konfirmanden oder Teilnehmern am schulischen Religionsunterricht ist deshalb noch nicht getauft, weil in ihren Familien eine Kirchenmitgliedschaft unbekannt war.
Für die Kindertaufe spricht ein pädagogischer und ein theologischer Grund. Was Kinder nicht kennen lernen, werden sie nur schwerlich beurteilen können. Sicherlich werden sie die religiösen Einstellungen ihrer Eltern nicht unreflektiert übernehmen, sondern sich mit ihnen auseinander setzen und ihre persönliche Haltung dazu finden. Doch der Satz "Mein Kind soll später einmal selbst entscheiden" beruht auf einer Fiktion: dass es eine freie, durch die Eltern unbeeinflusste Entscheidung der Jugendlichen in dieser Frage geben könnte. Ob sie in einer religiösen Familie aufwachsen oder nicht - es wird sie von Anfang an prägen.
Gottes Liebe gilt vom Mutterschoß an
Für die Kindertaufe spricht auch ein theologischer Grund: In ihr wird deutlich, dass Gott die Menschen voraussetzungslos und bedingungslos annimmt. Ein Säugling könnte auch gar keine Glaubens„leistung" erbringen. Umgekehrt ist auch die alleinige Erwachsenentaufe theologisch problematisch, knüpft sie doch ihrerseits Bedingungen an die Gnade Gottes: bewusste Bekehrung und „mündigen" Glauben.
Doch auch wer sich Zeit nimmt mit seiner Taufe, den schreibt Gott deshalb nicht ab. Dass Gott die Menschen liebt, gilt nach Auskunft der Bibel "vom Mutterschoß an" (Jesaja, Kapitel 46). Und es gilt auch das Versprechen: "Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet." Da bleibt also noch etwas Zeit selbst für die, die sich erst als Erwachsene zum Christentum bekennen möchten.