Lichterkette vor der Frauenkirche
Foto: epd-bild/Matthias Schumann
Mit einer Lichterkette erklärten sich die Menschen in Dresden solidarisch mit allen Kriegsopfern.
Stilles Gedenken und lautes Erinnern
100 Schritte - mehr lagen am 70. Jahrestag der Zerstörung Dresdens nicht zwischen dem offiziellen Gedenken an die Opfer und dessen kritischer Begleitung.
13.02.2015
epd
Hendrik Lasch

In der wieder aufgebauten Frauenkirche sprach Joachim Gauck, der Bundespräsident. Er erinnerte an die alliierten Bombenangriffe, bei denen in der Nacht des 13. Februar 1945 und den beiden folgenden Tagen große Teile des Stadtzentrums zerstört wurden und 25.000 Menschen ums Leben kamen. Die Stadt, sagte Gauck, sei "Symbol für die Leiden der deutschen Zivilbevölkerung" im Zweiten Weltkrieg.

Am Rand des Neumarkts, in dessen Zentrum das vor zehn Jahren wieder eingeweihte Gotteshaus steht, erinnerten derweil die 2.000 Teilnehmer eines "Mahngangs Täterspuren" an die Vorgeschichte des Krieges, den das NS-Regime losbrach. "Selbst die Kirche", sagte der Dresdner Schauspieler Albrecht Goette, "ordnete sich harmonisch in den NS-Staat ein". Einige Teilnehmer mischten sich unter die Menge, die auf einer Großleinwand neben der Kirche die Rede des Bundespräsidenten verfolgte. Zum Ärger älterer Zuhörer skandierten sie eine provokante Parole: "Oma, Opa und fast jeder - keine Opfer, sondern Täter".

Lange sah sich die Stadt als unschuldiges Opfer

Tatsächlich war man sich an diesem 13. Februar in Dresden aber näher, als es der holzschnittartige Slogan vermuten lässt. "Wir wissen, wer den mörderischen Krieg begonnen hat", sagte Gauck vor 1.400 geladenen Gästen, unter denen neben Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (beide CDU) auch Gäste aus Großbritannien und den USA waren - aus den Ländern also, deren Bomber die Angriffe auf Dresden geflogen hatten. Gauck versicherte, man werde "niemals die Opfer der deutschen Kriegsführung vergessen, wenn wir hier und heute der deutschen Opfer gedenken".

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Zu Beginn der Feier hatte Sachsens Landesbischof Jochen Bohl auch daran erinnert, dass in der Frauenkirche vor 70 Jahren "hasserfüllt gepredigt" wurde. An ein frühes NS-Opfer wurde beim Festakt und beim "Mahngang" sogar fast zeitgleich erinnert: an Hugo Hahn, der bis 1937 Pfarrer in der Frauenkirche gewesen war, als Mitglied der Bekennenden Kirche aber des Landes verwiesen wurde und erst 1947 nach Sachsen zurückkehrte.

Eine solche Parallelität wäre vor wenigen Jahren noch schwer vorstellbar gewesen. Lange hatte in Dresden ein stilles Gedenken an die Toten vorgeherrscht; die Stadt hatte sich als unschuldiges Opfer gesehen. Diese Haltung hatte es Rechtsextremen leicht gemacht, das Gedenken zu vereinnahmen. Sie bezeichneten die Zerstörung als Kriegsverbrechen; kurz vor dem 60. Jahrestag hatte die NPD im Landtag sogar von einem "Bomben-Holocaust" gesprochen. Der "Trauermarsch" war zeitweilig die europaweit größte Veranstaltung der rechtsextremen Szene.

"Wer den Kontakt verliert, verabschiedet und radikalisiert sich"

An diesem 13. Februar war von Nazis wenig zu sehen. Nur am Mittag war ein Kleinflugzeug mit einem Banner aufgetaucht, auf dem der Satz "Wir gedenken!" und eine Internetadresse der Rechten standen. 2014 hatte es noch eine spontane Demonstration am Vorabend des Jahrestages mit 1.500 Teilnehmern gegeben. Schon da aber waren die Nazis auf dem Rückzug, entmutigt von Blockaden, die das Bündnis "Dresden nazifrei" organisiert hatte, und von Menschenketten, zu denen seit 2010 die Stadtverwaltung einlud.

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Eine Menschenkette mit rund 10.000 Teilnehmern formierte sich auch an diesem 13. Februar. Man gedenke damit "der Opfer des Angriffs, aber auch aller Opfer des Krieges und der NS-Terrorherrschaft", sagte Helma Orosz. Die Rathauschefin lenkte den Blick aber auch in die Gegenwart, in der Tausende "Pegida"-Anhänger in der Stadt demonstrieren und mit ausländerfeindlichen Ressentiments die Stadtgesellschaft spalten. Orosz mahnte daher, die Stadt müsse "solidarisch sein mit allen, die vor Krieg, Gewalt und Terror in der Welt fliehen". Zudem solle die Menschenkette die Bürger wieder in Kontakt bringen. "Wer den Kontakt verliert", sagte Orosz, "der verabschiedet und radikalisiert sich." Welche Folgen das haben kann - auch das zeigt die Vorgeschichte des 13. Februar 1945.