Sabine Kurth in ihrem schwarzen Talar macht nicht den Eindruck, dass sie sich so einfach die Butter vom Brot nehmen lässt. Vor knapp sieben Jahren ist ihr das als Pastorin aber passiert. Sie wurde gebeten, eine Trauerfeier in der Bremer St.-Martini-Kirche abzuhalten, als Gastpredigerin. So weit so gut. Dann untersagte ihr die konservative Kirchengemeinde allerdings, den Altar zu betreten und im Talar zu predigen - mit dem Hinweis auf den Apostel Paulus, der ja schließlich eindeutig gesagt habe, die Frau schweige in der Gemeinde. Sabine Kurth fügte sich. Sie predigte ohne Talar und nicht auf der Kanzel. Der Pastor in der St.-Martini-Gemeinde hieß: Olaf Latzel.
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Olaf Latzel sorgte jetzt am 18. Januar wieder für Furore. Seine Sonntagspredigt hatte er überschrieben: "An Gideon die Reinigung von den fremden Göttern lernen." Latzel zitierte das erste Gebot: "Die sollst keine anderen Götter haben neben mir." Wir Christen dürften nur an diesen einen Gott glauben, "und wehe - das sagt die Bibel - wenn neben diesem Einen andere Götter und Götzen gestellt werden." Andere Götzen und Götter, das sind für Olaf Latzel Amulette, "wo irgendwelche Heiligen drauf sind", das sind Voodoo-Schlüsselanhänger, das ist auch die Buddha-Statue, die so nett einen "dicken, fetten, alten Herrn" darstellt: "Das ist Götzendienst, das gehört nicht zum Christentum dazu. Das muss weg." Christen könnten auch keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben. Mit Muslimen gemeinsam zu beten: "Das ist Sünde, und das darf nicht sein." So geht es noch weiter, jeder bekommt sein Fett weg. Christian Wulff und Angela Merkel zum Beispiel, die behaupteten, der Islam gehöre zu Deutschland. Olaf Latzel ist sich sicher: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland."
"Mittelalterliche Meinungen"
Olaf Latzels Predigt wurde öffentlich und auch schnell der Protest dagegen. Am Mittwochmittag versammelten sich gut 60 Bremer Pastorinnen und Pastoren im Talar vor dem Dom. Sie wollten laut sagen, dass sie nicht so denken wie ihr Amtskollege Olaf Latzel. Auf einem Handzettel, der verteilt wurde, distanzieren sie sich von der Latzel-Predigt: "Es ist uns unerträglich, wenn wie zuletzt in der St.-Martini-Gemeinde Jahrtausende alte biblische Texte mutwillig aus ihrem historischen Zusammenhang herausgerissen werden. Wer Bibeltexte als Schlagwaffe missbraucht, sollte sich nicht bibeltreu nennen." Der Handzettel trägt die Überschrift "Bremen ist bunt! Wir leben Vielfalt!" Jeden Tag begegneten die Pastorinnen und Pastoren der Bremischen Kirche unterschiedlichen Menschen, sagen sie. Sie stünden ein "für eine demokratische und weltoffene Stadtgesellschaft sowie für einen friedvollen Dialog zwischen Menschen verschiedener Kulturen."
Pastor Bernd Klingbeil-Jahr aus der Friedensgemeinde hat die Aufgabe übernommen, Medienvertretern und Passanten Grundsätzliches mit auf den Weg zu geben. Beim Thema Islamismus würden ja viele darauf drängen, dass sich friedliche Muslime distanzierten, aber es sei offensichtlich so, dass es auch einzelne Christen gebe, die sich fundamentalistisch und abgrenzend äußerten. Die Bremische Kirche solle disziplinarisch gegen Olaf Latzel vorgehen. Unten auf dem Handzettel findet sich eine Liste mit 66 Namen. Sie alle haben bisher diese Erklärung unterschrieben. Insgesamt arbeiten gut 120 hauptamtliche Pastorinnen und Pastoren für die Bremische Evangelische Kirche.
Sabine Kurth hat die Erklärung unterzeichnet und reiht sich ein beim Protestanten-Protest vor dem Dom. Auf der einen Seite lobt sie die große Freiheit der Kirchengemeinden, die ihnen die Bremische Kirchenverfassung bietet. Aber wie die Kirche mit "diesen Auswüchsen", die es mit Olaf Latzel gebe, umgehen solle, darüber sei noch zu diskutieren. Sabine Kurth macht hin und wieder Dienst in der Austrittsstelle, die im bremischen Haus der Kirche untergebracht ist. Die Pastorin spricht mit vielen Menschen, die der Kirche den Rücken kehren möchten. Diese "mittelalterlichen Meinungen" aus der konservativen Kirchenecke, die ja auch Teil der Bremischen Kirche seien, könne sie den Austrittswilligen jedenfalls nicht vermitteln.
Die bremische Seemannspastorin Jutta Bartling ist ebenfalls unglücklich mit Olaf Latzels Predigt. Gerade die Seemannsmission sei bunt und weltoffen mit ihren Kontakten zu vielen Seeleuten aus allen Kontinenten. Zu Latzels Beschimpfungen der anderen Religionen findet sie deutliche Worte: "Das kann nicht angehen, dass Menschen in ihrer Würde, in ihrer Glaubensfreiheit, so heute noch behandelt werden."
Einsamer Gegendemonstrant
Es gibt aber auch viele Unterstützer für die Ansichten Latzels. Die eigene St.-Martini-Gemeinde steht hinter ihm, aber auch Christen aus anderen Gemeinden. Zum Beispiel Philipp Köper aus Bremen. Er hat sich mit einem Pappschild auf den Domvorplatz gestellt: "Jesus ist der Einzige". Der Bauingenieur gehört zur freien Christengemeinde, sie ist den Pfingstlern verbunden. Er gibt Olaf Latzel ausdrücklich recht: "Die Bibel spricht davon, dass in keinem anderen Namen Heil ist, dass Jesus der einzige Weg zu Gott ist, und ich glaube, dass Herr Latzel das in seiner Predigt gut ausgeführt hat".
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Warum meint er, sich an diesem sonnigen Tag ziemlich allein gelassen für Olaf Latzel aussprechen zu müssen? Er antwortet selbstbewusst: "Zum einen gefällt mir nicht, dass die öffentliche Meinung seitens der evangelischen Kirche die einzige christliche Stimme ist, die man hört. Zum anderen hat Christus mich aufgefordert, mich zu ihm zu bekennen, und das will ich gerne tun."
Zuspruch für Olaf Latzel kommt auch aus dem Internet. Anhänger solidarisieren sich unter dem Motto "Wir sind Olaf". Latzel werde von seiner feigen Kirche genauso verleugnet und verraten wie bekennende Amtsbrüder in der Nazizeit. Auf der Facebook-Seite "Solidarität mit Olaf Latzel" haben mehrere Tausend Latzel-Freunde "gefällt mir" angeklickt.