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TV-Tipp des Tages: "Das Haus aus Sand und Nebel" (Einsfestival)
TV-Tipp des Tages: "Das Haus aus Sand und Nebel", 2. Februar, 20.15 Uhr auf Einsfestival
Die Geschichte zweier Menschen, die einen Kleinkrieg um ein nicht mal sonderlich eindrucksvolles Haus am Pazifik führen. Das Beste dran ist der Blick über die San Francisco Bay. Beide fühlen sich im Recht: die junge Frau moralisch, der ältere Mann juristisch.

Im Alter von 14 Jahren verließ Vadim Perelman mit seiner Mutter die Sowjetunion. Drei Jahre warteten sie in Wien und Rom auf das Visum für Kanada. In dieser Zeit waren sie quasi unbehaust; der junge Vadim bestritt den Lebensunterhalt als Straßenjunge. Viel, viel später, als er längst ein gefragter Werbe-Regisseur war, kaufte sich Perelman am Flughafen ein Buch mit dem poetischen Titel "Das Haus aus Sand und Nebel". Es verkürzte ihm den Flug über den Atlantik: Dies würde sein Regiedebüt werden.

Pyrrhus-Sieg

Andre Dubus erzählt in seinem Roman (auf deutsch bei C.H. Beck und dtv) die Geschichte zweier Menschen, die einen Kleinkrieg um ein nicht mal sonderlich eindrucksvolles Haus am Pazifik führen. Das Beste dran ist der Blick über die San Francisco Bay. Beide fühlen sich im Recht: die junge Frau moralisch, der ältere Mann juristisch. Am tragischen Ende wird eine der beiden Personen den Krieg gewinnen, doch es ist ein Pyrrhus-Sieg; und alles nur wegen eines bürokratischen Irrtums.

Die Tragödie nimmt ihren Anfang, als eine junge Frau, Kathy (Jennifer Connelly), ihr Heim räumen muss: Sie hat diverse Mahnungen ignoriert, endlich ihre fällige Gewerbesteuer zu entrichten. Aus gutem Grund: Sie geht überhaupt keinem Gewerbe nach. Doch das Gesetz ist erbarmungslos: Das Haus, für das ihr Vater dreißig Jahre lang geschuftet hat, wird zu einem Spottpreis versteigert. Glücklicher neuer Eigentümer ist der Exil-Iraner Behrani (Ben Kingsley), der eine Weile lang mit seiner Familie darin leben und es dann für ein Vielfaches der Kaufsumme wieder verkaufen will.

Perelman, der Dubus’ Roman auch adaptiert hat, erzählt eine im Grunde genommen eher schlichte Geschichte, die auch durch die Liaison Kathys mit dem verheirateten Polizisten Lester (Ron Eldard) nicht viel komplexer wird. Mit jeder neuen Anstrengung der Frau wächst der Wille Behranis, das Haus nicht herzugeben. Als Lester seine Kompetenzen überschreitet und dem Iraner droht, wendet der sich an dessen Vorgesetzten; die Auseinandersetzung beginnt zu eskalieren. Schließlich versucht Kathy, sich das Leben zu nehmen: Lester ist allem Anschein nach zu seiner Familie zurückgekehrt, das Haus offenbar für immer verloren. Ausgerechnet Behrani rettet sie zwar, doch der besorgte Lester versteht die Situation völlig falsch; 24 Stunden später gibt es drei Tote.

Der Regisseur inszeniert den Film sehr sachlich, eher beobachtend als teilnehmend; und vor allem neutral. Man hat also die Wahl, sich für eine der beiden Seiten zu entscheiden. Für Kathy spricht selbstredend das Unrecht, das ihr widerfährt; ganz zu schweigen von Jennifer Connellys fragiler Schönheit. Gegen Behrani wiederum spricht seine Vergangenheit. Die Abgründigkeit, mit der Ben Kingsley den Iraner anlegt, erinnert nicht zufällig an seine Rolle in "Der Tod und das Mädchen": Diesem Mann, der einst dem Schah von Persien als Oberst gedient hat und nach dem Regime-Wechsel die Rache der Mullahs fürchten musste, würde man ohne weiteres zutrauen, dass er nicht bloß "Kampf-Jets gekauft" hat, wie er mal sagt. Als Scherge des Diktators ist er ohnehin kein Sympathieträger.

Andererseits: Kingsley hat zwar auch mal den einen oder anderen Schurken verkörpert, doch natürlich identifiziert man ihn vor allem mit Persönlichkeiten wie Ghandi oder Moses. Außerdem ist Behrani, der seine Familie in Amerika als Hilfsarbeiter über Wasser hält, zwar ein Patriarch, aber doch auch liebevoller Vater. Trotzdem hegt man im Buch, in dem er den Lauf der Dinge abwechselnd mit Kathy aus seiner Sicht schildert, deutlich stärkere Sympathien für den Exilanten.

Perelman verlässt sich voll und ganz auf seine beiden Hauptdarsteller. Zu Recht: Kingsley wurde für seine Rolle ebenso für einen "Oscar" nominiert wie James Horners leicht elegische Musik (CD bei Colosseum). Für einen Werbefilmer hält sich Perelman ohnehin erstaunlich zurück: Die Bildgestaltung ist völlig frei von allen stilistischen Modernismen. Und doch ist es Roger Deakins, der mehrfach mit einem "Oscar" ausgezeichnete Stamm-Kameramann der Coen-Brüder, dessen Arbeit noch mehr beeindruckt als die Darsteller: Seine Aufnahmen der "Bay Area", durch die der Nebel wallt, sind von fast schon schmerzlicher Schönheit.