Foto: ZDF/Bernhard Keller
Der Spielfilm "Nemez" wird Thema im ZDF-Fernsehgottesdienst sein: Dima (Mark Filatov) versucht mit seiner kriminellen Vergangenheit zu brechen und verliebt sich dabei in die Kunststudentin Nadja (Emilia Schüle).
ZDF-Fernsehgottesdienst macht großes Kino
Das ZDF überträgt diesen Sonntag (1. Februar) einen ganzen besonderen Gottesdienst aus der Kreuzkirche in Marl: einen Film-Gottesdienst mit dem Thema "Krumme Wege - aufrechter Gang". Aber was ist ein Film-Gottesdienst überhaupt?

In der Evangelischen Kirche wurden schon immer auch besondere Gottesdienste gefeiert: Jugend-Gottesdienste, Motorrad-Gottesdienste oder Freiluft-Gottesdienste. Seit einigen Jahren gibt es auch Film-Gottesdienste - mit langen und mit kurzen Filmen.

Beim Kurzfilm-Gottesdienst ersetzt der Film die Predigt, erläutert Thomas Damm, Pfarrer in Marl und Filmbeauftragter des Kulturrats der Westfälischen Landeskirche: "Statt einer Predigt, also einem Monolog, wird ein Kurzfilm gezeigt und danach kommt man miteinander ins Gespräch und kann zusammen ein großes Bild entstehen lassen."

Am Sonntag aber wird mit einem Langfilm gearbeitet und anders als beim Kurzfilm-Gottesdienst wird es auch eine Predigt geben. Dazu werden vier Ausschnitte aus dem Spielfilm "Nemez" von Stansilav Güntner gezeigt. Das stellt alle Mitwirkenden am Sonntag vor eine ganz besondere Herausforderung, "weil man tatsächlich sehr gut die Filmausschnitte auswählen muss", so Damm. Der Spannungsbogen der Geschichte müsse "gut rübergebracht werden, damit der Zusammenhang zwischen den Szenen klar wird und der Film darüber nicht verloren geht." Keine leichte Aufgabe, vor allen Dingen, weil der Spielfilm "Nemez" sich mit mehreren wichtigen Themen auseinandersetzt - der Suche nach Heimat, dem Mut zu Neuanfängen, der Liebe.

Die Hauptfigur im Film ist der junge Russlanddeutsche Dima. Aus dem Jugendknast entlassen, will Dima in Berlin ein neues Leben anfangen. Aber die Vergangenheit lässt ihn nicht los – der Kunstdieb Georgji will nicht auf seine Dienste verzichten und seine Eltern wollen in die russische Heimat zurück. Als Dima sich in die Kunststudentin Nadja verliebt, muss er lernen, seinen eigenen Weg zu gehen.

Aus dieser komplexen Geschichte hat das Team, das den Gottesdienst vorbereitet hat, letztendlich das Thema "Versuchung" gewählt. "Anderes haben wir dafür ausgelassen", erzählt Damm. "Durch diese Auswahl verändert man natürlich auch ein bisschen die Geschichte."

"Es gibt Irrwege, die vom Zuhause wegführen"

Für Regisseur Stanislav Güntner, der am Sonntag den Gottesdienst mitfeiern wird, ist das in Ordnung. Er hatte sofort zugesagt, als er gefragt wurde, ob "Nemez" in dem Fernsehgottesdienst gezeigt werden darf. "Das Hauptthema meines Films ist das Zuhause. Wo ist man Zuhause? Wo fühlt sich insbesondere ein Mensch zu Hause, der in einer fremden Gesellschaft aufwächst?" so Güntner, der 1989 selbst von Russland mit seiner Familie nach Dresden übersiedelte. "Dazu gehören als Nebenthema auch die Irrwege, die vom Zuhause wegführen. Einer dieser Irrwege ist die Versuchung, gegen die man Kraft aufwenden muss, um zu widerstehen."

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Vier aussagekräftige Szenen werden zeigen, wie Dima in Versuchung geführt wird und wie er damit umgeht; wie er versucht sein altes Leben abzuschütteln und neue Wege zu gehen. Das Team, zu dem neben Thomas Damm auch Superintendentin Katrin Göckenjan, die Sendebeauftragte des ZDF-Gottesdienstes Pfarrerin Elke Rudloff und Ehrenamtliche gehören, war die Auswahl der Szenen harte Arbeit, "weil der rote Faden deutlich werden muss", berichtet Damm. "Wir wollen einen Weg gehen im Gottesdienst. Wir wollen den Leuten etwas mitgeben und sie zum Denken anregen, Vorschläge machen, wie man mit Versuchung umgehen kann." Für Güntner ist das in seinem Film die Liebe: "Dima verliebt sich und möchte in Nadjas Augen nicht versagen. Sie ist es, die ihm die Kraft gibt, mit dem Bösen zu brechen."

Bleibt die Frage, warum man in einer Kirche Filme zeigen sollte. Thomas Damm dazu: "In einer Kirche einen Film zu schauen, geht immer über das reine Unterhaltungskino hinaus. Man bringt die Inhalte und Erzählweise des Films in einen Dialog mit der Bibel, mit christlich-geistlichen Inhalt. Und das ist unheimlich fruchtbar."

Beide Orte - Kirche und Kino - haben etwas Religiöses

Für Güntner hat der Kinosaal sogar etwas Sakrales, wo ein Gemeinschaftserlebnis stattfindet, auch wenn der Anlass in einer Kirche zu gehen oder sich einen Film anzuschauen, ein anderer sein mag: "Beide Orte - Kirche und Kino - haben etwas Religiöses in dem Sinne, dass man Kontakt aufnimmt mit etwas, das nicht direkt greifbar ist. Man reflektiert über Gefühle, über falsch und richtig", so der Regisseur. "In der Kirche findet man Gleichnisse in den biblischen Figuren. Im Kino sind es die Figuren auf der Leinwand. Der Prozess des Denkens und des Fühlens, der ist sehr ähnlich."

Auch Thomas Damm sieht Parallelen: "Filme bringen fast immer Lebensthemen auf die Leinwand, die uns als Menschen interessieren. Deswegen gehen wir ins Kino. Selbst in einer Liebeskomödie geht es um das Gelingen der Liebe, um die Gefahr des Scheiterns. Das sind alles wichtige Themen und das sind auch Themen aus der Bibel, die uns alle angehen."

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Nicht zuletzt durch das Reformationsdekaden-Thema "Bild und Bibel" ist der Film als Kunstform auch in den Blick der Kirche gerückt. Das war etlichen Jahren noch anders, erzählt Damm: "Vor zehn bis fünfzehn Jahren gab es den Dialog um Kirche und Kultur. Das war nicht einfach, denn die EKD und Landeskirchen haben zu Anfang Verlautbarungen veröffentlicht, in denen der Film sogar fehlte." Damm und andere Filmbegeisterte in der Kirche haben daraufhin Überzeugungsarbeit geleistet. Jetzt werden zunehmend Film-Gottesdienste gefeiert und es gibt Reihen wie Kirchen und Kino. Warum das Thema Film wichtig für die Kirche sein kann, erklärt Damm so: "Wir haben einen wahnsinnigen Fundus, einen unheimlichen Reichtum an Filmen und damit an Möglichkeiten, wichtige Themen und Kunst in die Kirche zu bringen beziehungsweise in einen Dialog mit der Kirche zu bringen."

Es wird spannend sein, wie das am Sonntag, 1. Februar, gelingt. Denn auch wenn es Filmgottesdienste jetzt schon ein paar Jahre gibt, eine Fernsehübertragung gab es bisher noch nie. Im Fernsehen einen Gottesdienst zu zeigen, in dem ein Film gezeigt wird, ist eine visuelle Herausforderung. Zuschauer, die am Sonntag einschalten wollen, sollten sich davon nicht irritieren lassen. Sie können sich einfach darauf einlassen - auch wenn nicht der ganze Gottesdienst aus den gewohnten Bildern besteht.