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Franziska Fink: "Ein ordentliches Wumms und viel Kajal"
Auch als Liebhaberin von eher kleinen, schrägen Filmen weiß ich ein Kino-Spektakel mit ordentlichem Wumms durchaus zu schätzen. Nichts anderes habe ich von Ridley Scotts "Exodus" erwartet. Das alte Ägypten ist genau so, wie man es sich im Film vorstellt: Tigerfelle, Pyramiden, ganz viel Kajal und mittendrin Mose, der sich unentwegt den Schweiß von der Stirn wischt. Gott verlangt ihm schließlich einiges ab.
Regisseur Scott plündert sich routiniert durch die Filmgeschichte: ein bisschen "Robin Hood" (das unterdrückte Volk macht sich kampfbereit), ein bisschen "Weißer Hai" (die blutige Sauerei im Nil) und dann greift er auch noch in die Trickkiste seines früheren Films "Gladiator" (Streitwagen und Rüstungen). Dabei arbeitet "Exodus" viele Schlüsselelemente der biblischen Geschichte pflichtbewusst ab: Moses Herkunft, der brennende Dornbusch, die Plagen.
An anderen Stellen nimmt sich der Film künstlerischen Freiraum: Wir wissen jetzt, Moses Gotteserscheinung ist ein kleiner Junge, der Tee kocht. Am Ende sitzt ein alter Mose in einem Karren auf dem Weg durch die Wüste und hat Tränen in den Augen. Vielleicht vor Erschöpfung. Oder Erleichterung: Weil es Scott und seinen Drehbuchautoren noch kurz vor knapp geschafft haben, die zehn Gebote und das goldene Kalb in den Film zu quetschen. Puh, gerade noch mal gut gegangen. Fazit: Man muss diesen Film nicht sehen. Wenn doch: Popcorn nicht vergessen.
Bester Auftritt: Das geteilte Meer. Wild, brausend, gewaltig. Im Gegensatz zu manch anderen Darstellern.
Erkenntnis: Es gibt mehr Menschen mit blauen Augen im alten Ägypten als man vermutet hätte.
Lieblingszitat: Die Hebräer stehen ratlos vor dem Meer und fragen Mose, ob er überhaupt wisse, wo sie seien. Mose (verzweifelt): "Ja, natürlich, wir sind an einem Ort, wo vor uns das Meer und hinter uns die Streitmacht ist."
Frank Muchlinsky: "Ein Gott für Atheisten"
Ich wüsste gern, wer dieser Gott ist, den Ridley Scott in "Exodus" auftreten lässt. Ist es der gerechte, eingreifende Gott, den sich so viele Menschen wünschen? Der Gott aus "Exodus" eignet sich gut für solch einen Gott, der selbst Atheisten überzeugen könnte. Er sieht, dass da ein Volk 400 Jahre lang unterdrückt wird, und er greift ein. Mit allem, was die Leinwand hergibt. So einen Gott kann man sich nur wünschen, wenn man keinen Glauben hat.
Andererseits ist dieser Gott seltsam unparteiisch, und es ergibt Sinn, dass er von einem Kind gespielt wird, das auf die Frage nach den harschen Mitteln nur trotzig wiederholt "400 Jahre!" Dieser Gott hat das Volk der Hebräer nicht erwählt. Er stellt sich ihnen nicht vor, er schließt keinen Bund mit ihnen. Sie beten ihn nicht an, noch wollen sie seinen Namen wissen.
Der Gott aus "Exodus" muss sich nicht mit anderen Göttern abgeben, weil die ägyptischen Götter nicht existieren. Ihre einzige Hohepriesterin macht Hokuspokus, und die Statuen sind lediglich dekorativ. Der Gott des Mose scheint aus dem 21. Jahrhundert nach Christus in die Geschichte gefallen zu sein. Er ist bereits monotheistisch und der Glaube an ihn ist im Grunde Privatsache. Mose hat einen Gott, mit dem er seine Begegnungen hat, die er an keiner Stelle mit dem Volk teilt. Selbst als er die zehn Gebote anscheinend diktiert bekommt, sitzt er anschließend wie Indiana Jones auf der Bundeslade, in der die Tafeln vor sich hin klappern. Wäre es ein zu großes politisches Wagnis gewesen, das Volk Israel zu dem zu machen, was im Exodus der Bibel erzählt wird – zu Gottes Volk?
Bester Auftritt: Sigourney Weaver als böse Stiefmutter, auch wenn ich hoffte, dass sie ein Alien mitbringt.
Erkenntnis: Man hat es schon bei den Midianitern wichtig gefunden, dass "Kinder sich einmal selbst entscheiden", welchen Glauben sie annehmen wollen.
Lieblingszitat: "Mose, I’m your father!"
Hanno Terbuyken: "Moses, der selig lächelnde Volksführer"
Wer sich "Exodus: Gods and Kings" anschauen möchte, sollte die biblische Geschichte von Moses und dem Auszug der Hebräer aus Ägypten nochmal nachlesen, am besten vorher. Denn das göttliche Handeln kommt in Ridley Scotts Sandalenepos reichlich zu kurz.
Der Glaube (und Zweifel) des Volkes Israel kommt gar nicht vor, gebetet wird nicht, Gott angerufen erst recht nicht. Für die unterdrückten Hebräer im Film ist Moses der Bezugspunkt, nicht Gott. Moses selbst könnte auch ein Magier sein, der seine Macht nicht genau kennt und nur schwer kontrollieren kann, und sich in Selbstgesprächen mit einem imaginären buddhistischen Nachwuchsmönch rechtfertigt.
Zu kryptisch? Ja, das ist es im Film auch. Zwar brennt auch mal ein Dornbusch, aber vor allem tritt Gott als kahlgeschorener Junge auf, der Moses Tee serviert und dafür sorgt, dass Moses vom rationalen, gar nicht gläubigen Pharaonenfeldherrn zum vollbärtigen, Gebote meißelnden, selig lächelnden Volksführer wird. Zwischendurch fahren noch ein paar Streitwagen durchs Bild. Ein Film, den man nicht gesehen haben muss.
Bester Auftritt: Joel Edgerton verkörpert Ramses II. mit genau der richtigen selbstverständlichen Arroganz, die einem Pharaonensohn zusteht.
Erkenntnis: Schon damals bei den Midianitern wurden Kinder erst mit 14 Jahren religionsmündig und durften sich für oder gegen den Glauben entscheiden - zumindest, wenn es sich um Moses' Sohn handelt. Nun ja.
Lieblingszitat: "Ich lebe hier wie ein Beduine!" Ramses II. über seinen alten (ziemlich großen) Palast, als er erfährt, dass der neue nicht fertig wird.
Claudius Grigat: "Großartige Effekte und ein wandernder Catweazle"
Wem die großartigen digitalen Landschaften, die ausholende Fantasie-Architektur und vor allem die effektvollen Massen-Schlachten in Filmepen wie "Herr der Ringe" gefallen haben, der wird in den ersten Minuten des Films voll auf seine Kosten kommen. Auch als Ägypten später von den Plagen heimgesucht wird und als schließlich das Volk Israel kurz vor der großen Flutwelle durch das Rote Meer zieht, ist das ein Augenschmaus für Fans moderner Bildtechnik.
Allerdings ist dazwischen doch arg viel Story in diesem fast dreistündigem Machwerk – und zwar Story, die schwach erzählt ist (ganz anders als zum Beispiel wiederum bei "Herr der Ringe") und die viele lose Enden hat. Und das liegt nicht an der Vorlage! Offensichtlich trauen Ridley Scott und seine Autoren dem Stoff (und übrigens auch ihren Schauspielstars) zu wenig zu und machen sich ihren eigenen Reim auf die Geschehnisse.
Das wäre nicht weiter schlimm, wenn das konsequent, mit einem klaren Fokus geschehen würde. Das einzige Interpretationsmuster allerdings, das fatalerweise durchgängig angeboten wird, ist eine ziemlich zynische Lesart: Am Anfang steht der vernünftige, gebildete Stratege Mose, der permanent für Selbstbestimmung und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten eintritt. Dann bekommt er bei einem Unwetter am Berg einen ziemlich mächtigen Stein gegen den Kopf. Und fortan halluziniert er einen kleinen Jungen, der ihm als Gott gegenüber tritt und dem er bedingungslos (wenn auch nicht ohne Widerspruch) folgt. Und so wandelt er sich zum scheinbar verwirrten und verunsicherten Wanderführer, der nicht selten wie Catweazle durch die wildromantische Filmkulisse Andalusiens irrt. Ist das Glaube?
Bester Auftritt: John Turturro. Er gibt dem alten Pharao Seti genau die richtige Mischung von Hybris, Weisheit und Mutterwitz.
Erkenntnis: Schafe fängt man nicht ein, indem man ihnen bergauf hinterher läuft.
Lieblingszitat: Josua lächelt, als er von einem ägyptischen Aufseher ausgepeitscht wird - angeblich, weil er keinen Schmerz spürt. Darauf Moses zu dem Aufseher: "Dann kannst du auch mit den Schlägen aufhören."