Foto: dpa/Paul Zinken
Kathrin Oertel, Mitglied im Organisationsteam von "Pegida"
Rat an "Pegida": sonntags in die Kirche gehen
Bislang haben die Gründer der Initiative das Gespräch mit einem Großteil der Medien abgelehnt. So galt es als Coup der Redaktion von Günther Jauch, Kathrin Oertel, die Frontfrau von "Pegida", für eine Diskussion zu gewinnen.

Der Zeitpunkt könnte kaum brisanter sein. Am Dienstagmorgen (13. Januar) wurde die Leiche von Khaled B., einem 20-jährigen Flüchtling aus Eritrea, in Dresden entdeckt. Er wurde erstochen. Viele Menschen fürchten ein rechtsradikales Motiv. Kurz vor Silvester sollen Hakenkreuze an die Tür seiner Wohngemeinschaft geschmiert worden sein. Gleichzeitig haben die Organisatoren der "Pegida"-Märsche erstmals seit ihrem Beginn im Oktober 2014 den Montagsspaziergang in Dresden abgesagt, weil Terrordrohungen gegen den Mitgründer Lutz Bachmann vorliegen.

Es sei schwer gewesen, CDU- und SPD-Politiker für die Diskussion zu gewinnen, verrät Jauch. Doch Jens Spahn (CDU), Wolfgang Thierse (SPD) und Alexander Gauland (AfD) hätten gleich zugesagt. Mit ihnen diskutiert Frank Richter, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung.

"Ich bin eine ganz normale Frau aus dem Volk"

Bevor es jedoch richtig losgeht, gibt Jauch "Pegida"-Initiatorin Kathrin Oertel im Einzelgespräch die Gelegenheit, sich vorzustellen. "Ich bin eine ganz normale Frau aus dem Volk", erklärt diese. Sie sei Freiberuflerin und habe drei Kinder. Für Politik habe sie sich schon immer interessiert, allerdings habe keine Partei sie überzeugen können. Gegen Ende der Sendung entlockt Jauch ihr, dass sie lange FDP-Wählerin war, zuletzt aber ihr Kreuz bei der AfD gesetzt hat.

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Als es Anfang Oktober zu Straßenschlachten zwischen Kurden und islamistischen Muslimen in Hamburg und Celle gab, sei der Entschluss gefallen, "Pegida" zu gründen – die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", erzählt Oertel. "Pegida will wachrütteln", versucht sie die Motivation zu erklären. Und sie bläst ins sarrazinische Horn, dass in Deutschland bestimmte Themen tabuisiert würden: "Man kann weder das Wort Asyl in den Mund nehmen, noch über Migranten sprechen oder über eine Einschränkung der Einwanderung", kritisiert sie. Auf Spahns Hinweis, dass Thilo Sarrazin mit genau diesen Themen sehr erfolgreich ein Buch verkauft hat, weiß sie nichts zu erwidern.

Das scheint die Runde dem Neuling im Polit-Talk zu verzeihen. Als Oertel mit ausländerfeindlichen Äußerungen der Demonstranten konfrontiert wird, distanziert sie sich nur halbherzig: Es gebe Leute auf den Demos, die nicht verträten, was "Pegida" im Sinn habe. "Wir sind keine ausländerfeindliche Organisation", ergänzt sie. Dann klagt sie an, dass immer nur von Holigans und Rechtsextremen bei "Pegida" die Rede sei, nie jedoch von den Gutmenschen und Linksextremen auf der Gegenseite, "die uns das Leben in Dresden schwer machen". Einzig Wolfgang Thierse ermahnt an dieser Stelle, dass "sich nicht rausreden kann, wer an der Spitze einer Bewegung steht".

"Der Tod Jesu am Kreuz ist nichts Deutsches"

In dieser Diskussionsrunde gelingt Oertel das Rausreden die meiste Zeit vortrefflich. Als Jauch sie fragt, warum sie in Dresden – wo nur 0,4 Prozent der Bevölkerung Muslime seien – gegen die Islamisierung demonstriere, antwortet sie: "Es wird bei uns auch gegen die Abholzung des Regenwaldes demonstriert, obwohl es bei uns gar keinen Regenwald gibt." Damit sorgt sie in der Sendung nur für eine kurze Irritation, in sozialen Medien wie Twitter erntet sie Häme. Da Oertel kaum herausgefordert wird, ist es spannender zu beobachten, wie die anderen Gäste sich im Gespräch zeigen.

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Gauland setzt auf recht plumpe Weise den Flirt der AfD mit "Pegida" fort. Während Oertel sich bemüht, jeglichen Verdacht der Ausländerfeindlichkeit von sich zu weisen, poltert der AfD-Mann los: "Es ist der Beginn der Islamisierung, wenn wir ein Grundrecht nicht ausüben dürfen", sagt er mit Blick auf den abgesagten Montagsspaziergang. Sofort erntete er Kritik von Spahn: "Ich habe erwartet, dass sie es nicht so billig machen." Die Bedrohung entstehe durch islamistischen Terror, nicht jedoch durch eine Islamisierung.

Spahn zeigt sich gewillt, mit Oertel die 19 "Pegida"-Forderungen zu diskutieren. Immerhin gelingt es ihm, dass Oertel einen der 19 Punkte relativiert. Als diese den vorbestraften Lutz Bachmann verteidigt ("Jeder macht mal Fehler"), entlockt Spahn ihr, dass man auch straffälligen Asylbewerbern eine zweite Chance geben müsse, statt die von "Pegida" geforderten Null-Toleranz-Politik durchzusetzen. Für die Demonstranten hatte er dann noch einen Tipp: "Ich sehe auf den Demonstrationen immer ein schwarz-rot-goldenes Kreuz. Als Christ verstehe ich das Symbol nicht – der Tod Jesu am Kreuz ist nichts Deutsches. Wenn Sie was fürs christliche Abendland tun wollen, gehen Sie sonntags in die Kirche."

"Demokratie verlangt Geduld"

Frank Richter setzt noch stärker auf den Dialog. Er finde zwar einiges an "Pegida" kritikwürdig, etwa den dumpfen Ausländerhass und hetzerische Reden, erlebe aber bei den Demonstranten zu 90 Prozent besorgte Bürger. Mit denen wolle er ins Gespräch kommen. Um ihr Image zu verbessern, empfiehlt er der Bewegung gleich zweimal, sich vom Namen "Pegida" zu verabschieden. Dann kritisiert er die Medien dafür, die syrische Familie als typische Flüchtlinge darzustellen: "In Wirklichkeit kommen alleinreisende junge Männer…" – "…vornehmlich aus Tunesien, wohin wir in den Urlaub fahren", ergänzt Oertel.

Wolfgang Thierse hat für Oertel und ihre Anhänger eine Demokratienachhilfestunde vorbereitet. "Demokratie verlangt Geduld, weil sie der inneren Natur nach langsam ist. Wunder sind nicht zu erwarten", sagt er. Aufgabe der Politiker und Medien sei es, Entscheidungsprozesse transparenter zu machen. "Ich glaube, dass es Kommunikationsprobleme gibt." Derzeit seien über 50 Millionen Menschen auf der Flucht. 200.000 davon kämen in Deutschland an, ein Drittel der Anträge werde positiv beschieden. "Für ein großes, reiches Land ist das nicht sehr viel." Derlei Fakten kamen in dieser Sendung jedoch viel zu kurz.

Wer ein positives Fazit ziehen will, kann die Gesprächsbereitschaft und den weitestgehend ruhigen Diskussionston hervorheben. Doch wenn der Mord an einem Flüchtling in Deutschland auf der Facebookseite von "Pegida" mit Kommentaren wie "Einer weniger" verhöhnt wird, erwartet man klarere Gegenworte der Organisatoren. Menschenrechte verlangen nach einem eindeutigen Bekenntnis.