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TV-Tipp des Tages: "Der Fall Bruckner" (Einsfestival)
TV-Tipp des Tages: "Der Fall Bruckner", 20. Januar, 18.30 Uhr auf Einsfestival
Hat der siebenjährige Joe nur ADHS, oder wird er von seiner Mutter misshandelt? Corinna Harfouch will es in "Der Fall Bruckner" herausfinden.

Der nüchterne und sachliche Titel dieses Dramas hat seine Berechtigung, und das in zweierlei Hinsicht: Ganz gleich, aus welchem Grund man ein Amt aufsucht, in der Regel ist man ein Fall. Natürlich verbergen sich hinter allen Fällen Schicksale, doch die Haltung der Beamten bleibt meist distanziert; und sei es bloß zum eigenen Schutz. Das Drehbuch von Hans-Ulrich Krause und Cooky Ziesche erzählt von solch einem Fall, aber auch von der Hingabe einer Mitarbeiterin des Jugendamts, die sich stärker engagiert, als ihr gut tut; und als sie sollte. Bei der Titelfigur dieses von Urs Egger und seinem Kameramann Jakub Bejnarowicz in kühlem Blaugrau inszenierten Dramas, Katharina Bruckner, handelt es sich jedoch keineswegs um die Frau, deren kleiner Sohn sich so auffällig benimmt, dass das Jugendamt eingeschaltet wird, sondern um die Beamtin selbst; schon der Titel ist also ein Hinweis darauf, dass dieser Film einen etwas anderen Ansatz wählt.

Nicht die übliche Klientel

Die Wahl der Hauptfigur ist ohnehin eher ungewöhnlich; wenn überhaupt, dann taugen die Damen und Herren vom Jugendamt meist nur als Gegenspieler, weil sie, wie es Bruckners Chef formuliert, der landläufigen Meinung zufolge entweder zu früh oder zu spät kommen. Dank der sorgfältigen und zur Identifikation einladenden Verkörperung durch Corinna Harfouch ist Katharina Bruckner jedoch eine Frau, mit der man umgehend sympathisiert, erst recht, als sich alles und alle gegen sie zu verschwören scheint, nachdem ihr Kollege Schubert (Maximilian von Pufendorf) vom schulpsychologischen Dienst sie um Hilfe gebeten hat: Die Mutter des auffällig gewordenen kleinen Joe ist Architektin, sie gehört also nicht zur ihrer üblichen Klientel; schon die Besetzung dieser Rolle mit der filigranen Christiane Paul signalisiert, dass Jaqueline Bremer keinen sozialen Brennpunkt repräsentiert. Prompt hat sie ihren Anwalt im Schlepptau, der der Jugendbeamtin mit juristischen Konsequenzen droht, doch Katharina Bruckner, die vor vielen Jahren einen Sohn verloren hat, lässt nicht locker, obwohl ihr der Chef (Ronald Kukulies) eine Standpauke hält und den Fall einer völlig unerfahrenen jungen Kollegin (Meike Droste) überträgt; und schließlich fällt ihr auch noch Schubert in den Rücken. Zu allem Überfluss findet sie auch noch raus, dass ihr Mann (Bernhard Schütz) ein Verhältnis hat. Aber gerade weil sie nichts mehr zu verlieren hat, setzt sie nun alles auf eine Karte.

Die Häufung von Schicksalsschlägen mag etwas zugespitzt klingen, doch dank Eggers Umsetzung und Corinna Harfouchs sparsamem Spiel wirkt die Handlung nie übertrieben. Abgesehen davon ist das traurige Los des kleinen Joe nur eine von vielen Geschichten, die der Film erzählt; Autor Hans-Ullrich Krause ist Leiter eines Kinderhauses in Berlin, er hat viele Erlebnisse aus seinem Alltag ins Drehbuch einfließen lassen.

Der erfahrene und vielfach ausgezeichnete Schweizer Regisseur Egger, der zuletzt die herausragenden ZDF-Krimis "München Mord: Wir sind die Neuen" und "Der letzte Kronzeuge - Flucht in die Alpen" gedreht hat, inszeniert die Darsteller ausnahmslos bemerkenswert gut; gerade Harfouch und Paul sind gute Gegenspielerinnen. Richtig klasse aber ist der kleine Elon Baer, der eine ungemein schwierige Rolle hat, weil sich Joe quasi auf Knopfdruck von einem sanftmütigen Jungen in einen um sich schlagenden und tretenden Wüterich verwandelt.