iStockphoto
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier", 18. Januar, 20.15 Uhr im Ersten
Ein so genannter Tier-Ripper vergeht sich auf denkbar grausame Weise an Pferden und anderen Vierbeinern. Als in derselben Nacht auf einem Gutshof ein Pferd schwer verletzt und ein Pferdepfleger erstochen werden, liegt es quasi auf der Hand, dass der "Ripper" bei seiner Untat erwischt worden ist.

Es war zwar keine Neuerfindung, aber immerhin doch ein neuer Tonfall: Ausgerechnet zum 25jährigen Dienstjubiläum hat der SWR Lena Odenthal im Herbst in eine veritable Identitäts- und Schaffenskrise gestürzt. Prompt war "Blackout" einer der besten "Tatort"-Beiträge aus Ludwigshafen seit langem. Schon allein der Titel des neuen Films, "Die Sonne stirbt wie ein Tier", macht deutlich, dass auch dieser Film kein kurzweiliger Zeitvertreib ist. Tatsächlich wird der obligate Mordfall angesichts der weiteren Gräueltaten fast schon nebensächlich: Ein so genannter Tier-Ripper vergeht sich auf denkbar grausame Weise an Pferden und anderen Vierbeinern. Als in derselben Nacht auf einem Gutshof ein Pferd schwer verletzt und ein Pferdepfleger erstochen werden, liegt es quasi auf der Hand, dass der "Ripper" bei seiner Untat erwischt worden ist.

Psychogramm eines jungen Mannes

Natürlich wäre diese nahe liegende Lösung viel zu einfach, aber das Drehbuch von Grimme-Preisträger Harald Göckeritz ("Grüße aus Kaschmir") hat weitaus mehr zu bieten als bloß die üblichen Ablenkungsmanöver. Seine Geschichte ist das Psychogramm eines jungen Mannes, der im Grunde bloß geliebt werden will; und für Ben Münchow könnte diese erste Hauptrolle der Beginn einer Karriere werden. Die Figuren von Göckeritz, der auch das Drehbuch zum Udo-Jürgens-Film "Der Mann mit dem Fagott" geschrieben hat, zeichnen sich stets durch eine besondere Komplexität und Vielschichtigkeit aus. Für einen Schauspieler ist ein derartiger Facettenreichtum gleichzeitig Herausforderung wie auch Belohnung; und Münchow holt sehr glaubwürdig alles aus der Rolle raus, was in ihr steckt. Über weite Strecken schaut der Film dem leicht stotternden und etwas verstörten, aber keineswegs unsympathischen Fernmeldetechniker Gerd Holler bloß beim Leben zu. Eine junge Verkäuferin ist das Objekt seiner heimlichen Zuneigung. Als er sich endlich traut, sie anzusprechen, und sie sich tatsächlich mit ihm treffen will, ist sein Glück vollkommen; aber leider, man ahnt es, auch nur von kurzer Dauer.

Den eigentlichen Fall verliert der Film dabei nie aus dem Auge: Holler ist an einem der "Tier-Ripper"-Tatorte gesehen worden und entsprechend verdächtig, auch den Pfleger erstochen zu haben. Aber die Geschichte hat ja noch ein zweites Psychogramm zu bieten. Das Drehbuch knüpft direkt an "Blackout" an: Die psychisch erschöpfte Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) erholt sich auf dem Land, und weil sich rumgesprochen hat, dass eine Kriminalkommissarin in der Nähe weilt, wird sie zum Gutshof gerufen, wo sie als erste Amtshandlung das grausam misshandelte Tier von seinen Qualen erlöst; eine Szene, die ganz schön an die Nieren geht, was wiederum beweist, dass Patrick Winczewski sein Handwerk versteht. Der Regisseur hat auch diverse "Tatort"-Krimis aus Konstanz gedreht, aber offenbar musste er dabei immer mit angezogener Handbremse inszenieren; Spannung scheint für den Sender bei den Bodenseekrimis erst an zweiter Stelle zu stehen. "Die Sonne stirbt wie ein Tier" hat nicht ganz die Dichte von "Blackout", ist aber ähnlich intensiv und dank der Bildgestaltung von Andreas Schäfauer buchstäblich sehenswert.

Gerade die Nachtaufnahmen sind ungemein reizvoll.  Eine Hetzjagd, als eine Bürgerwehr den Tierquäler lynchen will, ist nicht nur ausgesprochen spannend, sondern auch optisch anspruchsvoll umgesetzt; "wehe, wenn sie losgelassen", kommentiert der coole Kopper (Andreas Hoppe) die erschreckende Szenerie. Während seine Videoplaudereien mit einer neuen Liebe etwas nerven, verspricht ein anderes Handlungsdetail Veränderung: Lena Odenthal kündigt dem Kollegen, den sie womöglich erstmals in ihren beinahe zwanzig gemeinsame Dienstjahren konsequent beim Vornamen nennt, ihren Auszug aus der gemeinsamen Wohnung an.