Für die Flüchtlinge ist der 38-jährige Marokkaner oft der erste Ansprechpartner, wenn sie in einem Übergangswohnheim in Wuppertal, Bochum oder Dortmund ankommen. Er hilft ihnen, den Asylantrag zu stellen, sich um Kranken- und Rentenversicherung, ein Konto und eine Wohnung zu kümmern. Und er vermittelt, wenn es im Flüchtlingsheim Konflikte gibt. Etwa, weil ein sauberer Platz zum Beten fehlt oder in den Schlafräumen nicht auf eine strikte Trennung von Frauen und Männern geachtet wird.
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"Die Menschen sind glücklich, in Deutschland zu sein, aber auch erschöpft und gereizt", beobachtet Hicham Yessef. "Deshalb ist es so wichtig, dass direkt jemand da ist, der ihre Sprache, Kultur und Religion kennt." Seit 2010 arbeitet der Marokkaner als Sprach- und Integrationsmittler bei der "SprInt-Vermittlungsstelle" in der Wuppertaler Diakonie. Weitere Dolmetscherpools gibt es in Aachen, Dortmund und Essen.
Insgesamt werden dort rund 80 Sprach- und Integrationsmittler beschäftigt, die fast 60 verschiedene Sprachen und Dialekte sprechen. Doch auch in anderen deutschen Städten, etwa in Berlin, Leipzig, Mainz und Augsburg, haben Wohlfahrtsverbände, Bildungswerke oder Kommunen inzwischen SprInt-Vermittlungsstellen eingerichtet. Sie organisieren den Einsatz der Dolmetscher in Behörden, Kliniken und Schulen.
"Der Bedarf an Sprach- und Integrationsmittlern ist riesig", beobachtet Heike Timmen, die den Vermittlungsservice in Wuppertal leitet. Hatten ihre Dolmetscher im Oktober 2011 gerade einmal 55 Einsätze, so waren es im Oktober 2014 bereits 550. Viele Behörden wollen auf die SprInt-Fachleute nicht mehr verzichten. Aber obwohl es die Ausbildung bereits seit 2002 in Deutschland gibt, ist der Beruf des Sprach- und Integrationsmittlers noch immer nicht staatlich anerkannt - im Gegensatz zu anderen EU-Ländern, in denen ihr Einsatz sogar staatlich gefördert wird.
"Integration kann gelingen"
Dabei profitieren nicht nur die Behörden von den Sprach- und Integrationsmittlern. Viele sind selbst als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, arbeiten heute sozialversicherungspflichtig bei den Vermittlungsstellen und haben inzwischen einen deutschen Pass. "An mir sehen die syrischen Flüchtlinge, dass Integration gelingen kann", betont Dolmetscherin Mida Ahmet.
Die 29-jährige Sprach- und Integrationsmittlerin floh vor elf Jahren mit ihrer kurdischen Familie aus Syrien. Der Vater war politisch verfolgt worden. "Wenn die syrischen Flüchtlinge hören, dass ich erst mit 18 Jahren die deutsche Sprache gelernt habe, macht ihnen das Mut." Hicham Yessef kam sogar erst mit 27 Jahren nach Deutschland. In seiner Heimat hatte er als Arabischlehrer gearbeitet. "Die deutsche Sprache ist schwer zu lernen", sagt er. "Oft habe ich damals vor Wut über meine Hilflosigkeit geweint."
Überall: Formulare ausfüllen
Beide kennen die typischen Schwierigkeiten, mit denen die Flüchtlinge in Deutschland konfrontiert sind, aus eigener Erfahrung. "Viele sind erst mal überfordert damit, dass sie in Deutschland für jeden Behördengang oder Besuch beim Arzt einen Termin brauchen und überall Formulare ausfüllen müssen", sagt Mida Ahmet.
Dass sie einmal wegen ihrer arabischen Sprachkenntnisse und ihres Migrationshintergrunds eine gefragte Dolmetscherin sein würde, hätte die Syrerin nie gedacht. "Mit diesem Job bin ich am richtigen Platz", sagt sie. Es macht ihr Spaß, für Sozialbehörden, Kliniken und Schulen zu übersetzen. Auch wenn ihr Arbeitstag oft mehr als acht Stunden hat - und manchmal überraschend anders endet als gewohnt.
"Als ich eine syrische Familie zu einer Behörde begleitet habe, ist der hochschwangeren Mutter plötzlich mitten auf der Straße die Fruchtblase geplatzt", erzählt sie. Mida Ahmets Einsatz endete im Kreißsaal: "Es war alles sehr aufregend, aber auch schön, dass ich sogar bei einer Geburt als Dolmetscherin helfen konnte."