Kind schreibt und malt einen Wunschzettel
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Teure Wünsche können Eltern in Verlegenheit bringen
Wunschlos glücklich?
Warum das Christkind manchmal Wünsche unerfüllt lassen sollte
Der Konflikt ist vorprogrammiert. Kinder wünschen sich Smartphones, Spielkonsolen und Plastikspielzeug. Eltern dagegen verschenken häufig Bücher und Pullover. Heißt das Frust unterm Weihnachtsbaum? Dürfen Eltern "nein" zu Kinderwünschen sagen? Und wenn ja: Wie kann Weihnachten trotzdem ein schönes und ruhiges Fest werden? Welchen Sinn es hat, mit unerfüllten Wünschen zu leben.

Piratenschiff, Puppenhaus oder sogar ein eigenes Pferd – Kinder hatten schon immer große Wünsche. Dass nun auch Computerspiele und Handys auf den Wunschzetteln landen, sollte nicht überraschen. Natürlich spielt es dabei eine Rolle, dass "bei den Kindern durch Werbung Wünsche geweckt werden", gibt die Werbepsychologin Michaela Wänke zu bedenken.

Doch es wäre viel zu einfach, mit ausgestrecktem Finger von sich weg und auf die ach so böse Werbewirtschaft zu zeigen. Die Sache ist komplizierter. Es sind auch die Erwachsenen, die die eigenen Wünsche auf ihre Kinder projizieren. Das zeigt sich etwa, wenn ein Papa seinem einjährigen Sohn die Carrera-Bahn kauft, die er selbst immer haben wollte – und sich dann wundert, dass sie so schnell kaputt geht.

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Auch der soziale Druck ist nicht zu unterschätzen. "Es wird permanent verglichen", weiß die Sozialpädagogin Alexandra Schreiner-Hirsch. "Eigentlich geht das schon im Babyalter los. Eltern überprüfen: Wächst mein Kind so wie die anderen? Und bald fragen sie auch: Was besitzt mein Kind und was die anderen?" Derselbe Mechanismus wirkt unter gleichaltrigen Kindern – "Peergroup-Druck" sagen die Fachleute dazu. Kinder wollen mitreden können, dabei sein.

Wer die Wunschzettel der letzten Jahrzehnte nebeneinanderlegt, der wird entdecken: Manche Wünsche verschwinden, andere kommen dazu. Einfacher ist es für die Eltern nicht geworden. Die meisten Eltern kommen nicht umhin, zu dem ein oder anderen nein zu sagen – aus finanziellen Gründen. Oder, weil sie andere Geschenke sinnvoller finden.

Warum ein kleines "Nein" ein großer Schritt sein kann

Ein "Nein" ist nicht weiter schlimm, meint Schreiner-Hirsch. Im Gegenteil: "Wir wissen, dass es zu einem gelingenden Leben dazugehört, eine Resilienz zu entwickeln, eine Widerstandsfähigkeit. Ich muss Mangel und Enttäuschungen erlebt haben, um in Zukunft damit fertig zu werden. Damit kann man im Kleinen anfangen." Weihnachten könnte ein erster Schritt sein. Immerhin ist es, von seinem biblischen Ursprung her, das Ereignis der unerfüllten Wünsche – alles kam anders, als erwartet.

Johannes hatte ein Problem. Er erwartete eine Feuertaufe, der Messias würde das Gericht bringen, einen Tag der Vergeltung. Hatten das nicht die Propheten vorhergesagt? "Die Axt ist schon den Bäumen an die Wurzel gelegt", rief Johannes und hoffte, der Messias würde jetzt auch kräftig zuschlagen. Doch Jesus war anders. Darauf angesprochen, zitierte er die Prophezeiungen, die so wichtig für Johannes waren. Mit einem Unterschied: Jesus ließ einen kleinen Satz weg – die Gerichtsankündigung. Er sprach allein vom Heil – "Blinde sehen, Lahme gehen …". Keine Spur von Gottes Rache. Damit machte Jesus deutlich: Er ist ein Heiland, einer der zurechtbringt, nicht ein Richter. Johannes' Wunsch blieb unerfüllt.

"Gott lässt sich nicht domestizieren", sagt der evangelische Theologe Peter Zimmerling. Doch in vielen Familien ist es das Christkind, das die Geschenke bringt. Dabei wird vergessen, dass das Baby in der Krippe – Jesus von Nazareth – die menschlichen Wünsche und Vorstellungen durcheinander wirbelte, statt sie zu erfüllen. Wünsche können unerfüllt bleiben – das ist nicht nur entwicklungspsychologisch relevant, es ist auch eine wichtige theologische Erkenntnis.

Das alles zu wissen, löst die Spannung allerdings noch nicht. Manche Eltern denken: Mein Kind soll es besser haben… Irgendwie verständlich. Und dennoch setzt Pädagogin Schreiner-Hirsch hier große Fragezeichen: "Wo soll das hingehen? Wie viel besser kann es Kindern noch gehen, wenn es uns eigentlich schon sehr gut geht?"

Was es bedeutet, zu verzichten

Verzicht ist ein unpopuläres Wort. Und dennoch erscheint es hier am rechten Platz. Im Christentum hat es lange Tradition. Dietrich Bonhoeffer zum Beispiel hat sich intensiv damit beschäftigt. Für ihn ist Verzichten ein Akt der Freiheit, nicht der Selbstkasteiung. Es geht darum, loszulassen, um neu zu empfangen. Oder wie es Johannes vom Kreuz sagt: "Verzichte auf deine Wünsche, und du wirst erlangen, was dein Herz begehrt."

Einen Herzenswunsch von einem banalen Wunsch zu unterscheiden – darum geht es, das ist die Aufgabe der Eltern in der Vorweihnachtszeit, so Erziehungs-Expertin Schreiner-Hirsch. "Die Eltern bereiten den Weg, indem sie ihr Kind begleiten und zeigen, was im Leben zählt, was wirklich realistisch ist, was das Kind braucht und was nicht."

Wie man Neinsagen und trotzdem Weihnachten feiern kann

Dass dabei der Ärger hochkochen kann, ist ganz normal. "Es braucht feinfühlige Erwachsene, die den Kindern helfen, ihre unangenehmen Gefühle zunächst einmal wahrzunehmen und zu respektieren. Enttäuschung und Frust gehören zum Leben. Die Frage ist: Wie gehe ich damit um?" Emotionscoaching nennt das Schreiner-Hirsch.

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Die Pädagogin rät deshalb, rechtzeitig den Wunschzettel zusammen mit dem Kind zu besprechen. Wenn man Heiligabend trotz eines Neins fröhlich feiern will, sollte man damit nicht bis zur Bescherung warten. Schließlich ist es aber auch entscheidend, wie man das Weihnachtsfest gestaltet: Konzentriert sich alles auf die Bescherung? Oder ist Heiligabend auch eine Zeit zum Essen, Spielen und Singen – zur Pflege der familiären Rituale? "Das hat wieder etwas mit Wertevermittlung zu tun: Was zählt im Leben wirklich? Die Geschenke oder die Familienzeit?"

Wenn dieses Weihnachten schon wieder keine Spielkonsole unterm Weihnachtsbaum liegen wird – glücklich können Kinder werden, selbst wenn sie nicht ohne offene Wünsche sind.