Demonstration gegen Salafisten und Islamisierung
Foto: dpa/Arno Burgi
"Für eine weltoffene Gesellschaft" steht auf einem Banner an der Semperoper in Dresden.
"Pegida" missbraucht Geschichte der friedlichen Revolution
In Dresden gehen seit Wochen Menschen für ein schärferes Asylrecht und gegen die vermeintliche "Islamisierung des Abendlandes" auf die Straße. Immer Montags. Zuletzt vereinte das rechtspopulistische Bündnis "Pegida" 10.000 Menschen. Es regt sich Widerstand. Doch auch in anderen Städten ist "Pegida" erfolgreich.
15.12.2014
Katharina Rögner

Sie benutzen den Slogan von 1989 "Wir sind das Volk". Seit Wochen mobilisiert die asyl- und islamkritische "Pegida" Menschen für Demonstrationen. An bisher acht Montagen in Folge. Das schmerzt vor allem bei denen, die vor 25 Jahren für Demokratie und Meinungsfreiheit auf die Straße gingen. Und es macht wütend. "Das ist einfach unerträglich", bringt es der Dresdner Superintendent Christian Behr auf den Punkt.

Er ist einer der Mitorganisatoren des Protests gegen "Pegida" am vergangenen Montag in der Elbestadt. Erstmals hatte dazu ein breites Bündnis aus Kirchen, Parteien und Initiativen sowie die Jüdische Gemeinde und das Islamische Zentrum Dresden aufgerufen. Mehr als 9.000 Gegenprotestanten kamen. Für diesen Montag ist eine Gegen-Kundgebung auf dem Theaterplatz geplant. 

Diffuse Ängste

Quer durch die Bevölkerung geht die Teilnahme an den Montagsdemos der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Neben Hooligans und Rechtsextremisten marschiert der brave Bürger. Es ist wohl der Unzufriedene, der Enttäuschte. Es sind aber auch etwa Unternehmer, die ihren Unmut über Asylbewerber äußern. Selbst eine demokratisch gewählte Partei wie die AfD folgt zum Teil dem umstrittenen "Pegida"-Bündnis.

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Für den Ausländerbeauftragten der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Albrecht Engelmann, sind das die rassistischen Einstellungen – mehrfach in Studien nachgewiesen - die jetzt auf die Straße getragen werden. Das Potenzial einer Ausländerfeindlichkeit sei da, sagt Engelmann. Zudem gebe es viele Unsicherheiten bis hin zu diffusen Ängsten.

Und auch der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, weiß um Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Islamfeindlichkeit sei heute salonfähig geworden, sagt er. Aber, so betont er: "Rassismus ist keine Meinung." Daher müsse "ein Ruck durch die Gesellschaft gehen".

"Pegidas" 19-Punkte-Positionspapier

Frank Richter, Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen, rät dringend, mit "Pegida"-Demonstranten das Gespräch aufzunehmen. Damit steht er nicht allein. Vergangene Woche haben gleich mehrere Politiker zum Dialog aufgerufen, allen voran Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Doch Einladungen zu Gesprächrunden in Dresden wurden von der "Pegida" bisher abgelehnt, Interviews nur spärlich gegeben.  

Protest am Montag – das war auch vor 25 Jahren so. Doch damals galt es, "sich von einem Unrechtsstaat zu befreien", sagt Sachsens evangelischer Landesbischof Jochen Bohl. "Heute nehmen Bürgerinnen und Bürger ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahr und wenden sich an Politiker, die vom Volk demokratisch gewählt wurden", so der Bischof. Der Gebrauch des Slogans "Wir sind das Volk" sei "eine Reminiszenz an die Ereignisse vor 25 Jahren, aber eine verfehlte".

Denn die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" geben sich betont bürgerlich. In einem Positionspapier mit 19 Punkten wurden sie nun erstmals konkret. Demnach wird die Aufnahme von verfolgten Flüchtlingen als Menschenpflicht angesehen. Zugleich fordert die Bewegung eine bessere Betreuung von Flüchtlingen, aber auch eine konsequentere Asylpolitik, vor allem gegen Wirtschaftsflüchtlinge. Genannt werden zudem das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und das Verbot von Waffenlieferungen.

Aktueller Diskurs der Rechtsextremisten

Unterdessen wurde bekannt, dass Hunderte Anhänger der "Pegida" zu zwei Hooligangruppen gehören, die Behörden als rechtsextrem einstufen. Zudem wird "Spiegel online" zufolge neben dem Versammlungsleiter Lutz Bachmann ein weiteres Mitglied der Führungsriege unter dem Stichwort "allgemeine Kriminalität (auch Gewaltdelikte)" in einer Polizeidatei geführt. Ein dritter Mitorganisator sei als Betrüger auffällig geworden, hieß es. Damit sind Initiatoren und ein Teil der Teilnehmer der Dresdner "Pegida"-Märsche offenbar gewaltbereiter als bislang bekannt.

Wissenschaftler warnen ohnehin vor dem rechtsextremistischen Hintergrund der "Pegida"-Bewegung. Sie richte sich auch gegen die, die als friedliebende Muslime in Deutschland leben, sagt der Berliner Rechtsextremismusforscher Hajo Funke. Es sei immer das Gleiche: Zunächst würden Ängste aufgenommen und verrührt. Dann werde propagiert, dass diese zu lösen seien. Aber das sei falsch, denn es werde vielmehr mit dem Finger auf die Feinde gezeigt, die selbst ausgekürt wurden - etwa die Muslime und Asylbewerber in Deutschland. Das sei "rechtspopulistische aggressive Masche".

Für den Düsseldorfer Forscher Virchow stammen Begriffe der "Pegida"-Demonstrationen wie "Überfremdung" aus dem aktuellen Diskurs der Rechtsextremisten und extremen Rechten. Auch die Parole "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" zähle dazu.

18 "Pegida"-Standorte

Neben Wissenschaftlern und Politikern warnen auch Theologen. Die Leipziger Thomaskirchenpfarrerin Britta Taddiken appelliert: "Wir sollten genau hingucken auf das, was im Moment in Dresden seit Ende Oktober ausgerechnet montags passiert." Das "Pegida"-Bündnis bediene sich "in menschenverachtender Weise gezielt diffuser Ängste". Wenn es dabei "eine einfache Wahrheit gibt, dann die: Von genau deren Geist ist endgültig einiges in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen." Selbst der Ruf "Wir sind das Volk", der einst Mauern eingerissen habe, diene jetzt dazu, "Mauern gegen Menschen zu errichten, gegen Menschlichkeit und Errungenschaften, auf die man in einer Demokratie stolz und dankbar blicken sollte".

Doch die Montage haben es in sich. Inzwischen müssen auch andere Städte mit regelmäßigen Demonstrationen rechnen, etwa Düsseldorf, Kassel oder Bonn - Leipzig, München, Rostock oder Magdeburg sollen folgen. Via Facebook berichten die Organisatoren vorn insgesamt 18 "Pegida"-Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.