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TV-Tipp des Tages: "Merry Christmas" (Servus TV)
TV-Tipp des Tages: "Merry Christmas", 16. Dezember, 20.15 Uhr auf Servus TV
Heiligabend, 1914: An der Kriegsfront beginnen deutsche, schottische und französische Truppen mit den Feierlichkeiten in den Schützengräben. Als ihnen bewusst wird, dass auch ihre Feinde das Fest begehen, beschließen sie nach den monatelangen Grabenkämpfen eine dreitägige Waffenruhe und feiern gemeinsam Weihnachten.

Dieses Ereignis war so wundersam, so unerhört, dass der Film eigentlich immer wieder innehalten müsste: um daran zu erinnern, dass sich all dies genau so zugetragen hat. Es begab sich am Weihnachtsabend 1914. In den Schützengräben irgendwo im Norden Frankreichs belauerten sich Soldaten aus Deutschland, Schottland und Frankreich. Kurz zuvor noch hatte erbarmungsloses deutsches MG-Feuer Dutzende feindlicher Soldaten durchsiebt. Wer auch nur kurz den Kopf rausstreckte, wurde unweigerlich Opfer eines Scharfschützen. Und dann geschah das Wunder: Die Waffen schwiegen, nicht nur am Heiligen Abend, sondern auch am folgenden Tag.

Aus dieser Begebenheit hat Christian Carion ("Eine Schwalbe macht den Sommer") eine Geschichte gemacht, die auf Rührseligkeiten und Kitsch weitgehend verzichtet; und die einem trotzdem nahe geht. Im Mittelpunkt stehen die drei befehlshabenden Offiziere (Daniel Brühl, Guillaume Canet, Alex Ferns) sowie ein Paar, das so gar nicht in die Kriegshandlungen zu passen scheint: der deutsche Tenor Nikolaus Sprink (Benno Fürmann) und die dänische Sopranistin Anna Sörensen (Diane Krüger). Im Gegensatz zu Sprink ist die Sängerin zwar nicht verbürgt, doch in Carions Version verleiht sie dem Weihnachtswunder erst seinen Glanz: Sie überredet den deutschen Kronprinzen (Thomas Schmauser), in der Nähe der Front einen Liederabend zu veranstalten, um auf diese Weise an Weihnachten ihrem Geliebten nahe zu sein. Sprink nimmt sie mit an die Front, weil er lieber für seine Kameraden singen will.

Gelebter Waffenstillstand

Und so beginnt ein Weihnachtsabend, wie er in der Historie dieses Festes der Liebe einzigartig sein dürfte: Erst spielen die Schotten auf ihren Dudelsäcken ein trauriges Heimatlied, dann erhebt Sprink seine Stimme und singt "Stille Nacht, heilige Nacht". Schon dieser Moment ist enorm bewegend, erst recht, als die Schotten zunächst ergriffen lauschen und dann mit dem Dudelsack einstimmen. Und während die Franzosen immer noch an ein Ablenkungsmanöver glauben, weil die Deutschen die Erdwälle mit Wehnachtsbäumen verziert haben, steigen die ersten applaudierend aus ihren Schützengräben.

Die Befehlshaber beschließen kurz drauf einen Waffenstillstand, den die Soldaten ohnehin längst leben: Man trifft sich im Niemandsland, erst schüchtern noch, dann immer leutseliger, tauscht Whisky, Bier und Wein, zeigt Fotos von Frauen und Freundinnen. Nur einer lässt sich von den Verbrüderungsgefühlen nicht überwältigen: ein junger Schotte, der gleich am ersten Tag seinen älteren Bruder verloren hat. Er wird am Ende für eine Pointe sorgen, die derart grimmig ist, dass die Bezeichnung "Ironie des Schicksals" eine höhnische Untertreibung wäre. Der Abend findet seinen Höhepunkt in einem überirdisch schön vorgetragenen "Ave Maria" durch die Sopranistin (Natalie Dessay leiht Diane Krüger ihre Stimme für die Gesangseinlagen, Rolando Villazón singt für Benno Fürmann). Tags drauf beschließt man den Waffenstillstand fortzusetzen, um die Toten begraben zu können; dann trifft man sich zum internationalen Fußballspiel und gewährt Asyl im Unterstand, als die eigene Artillerie die feindlichen Schützengräben unter Feuer nimmt.

Natürlich kann der Krieg für diese Männer nicht mehr weitergehen; jedenfalls nicht gegen diese Gegner. In den Augen der Generalitäten ist der eigenmächtige Waffenstillstand ohnehin Hochverrat; der deutsche Oberstleutnant und seine Männer werden an die Ostfront versetzt. Klugerweise hat sich Sprink zuvor mit Anna Sörensen in französische Kriegsgefangenschaft begeben.
Um die ganze Dimension dieses Zwischenfalls zu verdeutlichen, greift Carion zu einem drastischen Mittel: Sein Film beginnt mit einem Gemetzel, das an Realismus jener quälend langen Einführungsszene aus Steven Spielbergs Film "Der Soldat James Ryan" kaum nachsteht. Die Bilder unmittelbar vor der Verbrüderung sind nicht minder einprägsam: Wie Zombies aus ihren Gräbern klettern die Soldaten aus den Gruben, um dann erst mal schweigend und unsicher zu verharren, als warteten sie auf einen Befehl, der ihren Impuls sanktioniert.

Mit Hilfe vieler kleiner Momenten macht Carion aus den Befehlsempfängern Menschen; erst der Geschützdonner holt sie wieder in die Realität zurück. Sie konnten den Krieg für kurze Zeit verdrängen, doch der Krieg hat sie nicht vergessen. Eine Fußnote der Geschichte, zu schön, um wahr zu sein; und doch, versichert Carion, sei die Wahrheit zum Teil sogar noch unglaublicher gewesen.