Irakische Christen in Jordanien
Foto: Juliane Ziegler
Ramy und Bahee sind aus dem Irak nach Jordanien geflohen und leben heute in der Khalda-Kirche in Amman.
Irakische Christen: Honeymoon im Kirchenasyl
Seit der "Islamische Staat" im Juni Mossul erobert hat, sind tausende irakische Christen auf der Flucht. Auch Ramy und Bahee. Das Paar hat es bis nach Jordanien geschafft, wo es in einer Kirchengemeinde untergekommen ist.

Die Khalda-Kirche ist aus hellem Stein gebaut, wie alle Gebäude hier in der Hauptstadt Jordaniens. Sie liegt auf einem kleinen Hügel, eine wohlhabende Gegend, mit Aussicht auf das Häusermeer Ammans. Unter dem Kirchengebäude liegt ein Gemeinderaum. Drinnen: kaltes Neon-Licht, Heizstrahler lehnen in den Ecken, zwei Billardtische stehen an der Fensterfront, die Luft ist stickig. Zehn Familien schlafen hier, Frauen, Männer, Kinder, Alte - vertriebene Christen aus dem Irak.Insgesamt 60 Menschen haben im Gemeindesaal eine notdürftige Unterkunft gefunden.

Gemeinschaftsraum in der Khalda-Kirche.
Wenige Quadratmeter für jeden, Stellwände trennen kleine Nischen voneinander ab. Eine Küche und zwei Toiletten für alle.

Juni 2014: Kämpfer des "Islamischen Staates" nehmen Mossul ein und markieren die Häuser, in denen Christen wohnen, mit einem "N" - für "Nazariyya", die aus Nazareth. Tausende Familien fliehen. Auch Ramy und Bahee verlassen ihre Heimat aus Angst vor den radikalen Terroristen. Das junge Paar stammt aus dem nordirakischen Karakosh, 43.000 Einwohner hatte die Stadt, alle Christen. Die Terror-Miliz zwang die Bewohner, zum Islam zu konvertieren, Schutzgeld zu zahlen oder drohte mit Hinrichtungen. "Karakosh ist ausgestorben, da sind alle, die konnten weggegangen. Eine komplette Gegend wurde ausgelöscht", sagt Ramy. Er ist 26 Jahre alt, Bahee 18, einen dauerhaft friedlichen Irak haben die beiden nie erlebt.

Caritas und LWB unterstützen die Iraker gemeinsam

Ramy und Bahee tragen Jogginganzüge, sie einen pinkfarbenen, er einen grau verwaschenen, an Bahees Flipflops funkeln Glitzersteine. Kaum mehr als die Kleidung, die sie trugen, konnten sie mitnehmen. Sie schafften es bis nach Amman, durch Ramys Cousin wussten sie von der Möglichkeit, hier in einer Kirchengemeinde unterzukommen. Seit Ende Oktober wohnen sie nun hier. Schätzungen zufolge sind seit August 2014 etwa 7000 Christen aus dem Irak nach Amman gekommen, im ganzen Land werden sie auf Gemeinden verteilt. Laut UNO-Flüchtlingshilfe waren zuletzt die Iraker die größte Gruppe der Neuankömmlinge in Jordanien - einem Land, das weltweit mit am meisten Flüchtlinge aufnimmt.

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Der Lutherische Weltbund (LWB) ist seit 2012 mit seinem Nothilfeprogramm in Jordanien aktiv. Zunächst konzentrierte er sich in seiner Arbeit auf die Unterstützung syrischer Flüchtlinge in den Camps. Doch inzwischen setzt sich der LWB ebenso für Flüchtlinge außerhalb der Lager ein. Josef Pfattner leitet die Arbeit des LWB in Jordanien: "Wo leben die Flüchtlinge, welche Hilfe benötigen sie? Das ist häufig sehr schwierig herauszufinden. Deshalb arbeiten wir mit den lokalen NGOs und Gemeinden eng zusammen." Oder mit der Caritas, die sich auf die Unterstützung von Flüchtlingen außerhalb der Camps konzentriert. Sie hat den Kontakt zum LWB gesucht, der sich nun in drei katholischen Kirchen in Amman für Christen aus dem Irak einsetzt und die Arbeit der Caritas ergänzt: So hat der Weltbund beispielsweise die Trennwände aufgebaut und repariert Sanitär- sowie Elektroanlagen.

"Wohin soll das führen? Es ist ein Provisorium!"

Khaled Nabeel Moukhtar hat den Irak schon 2003 verlassen und arbeitet als Arzt in Jordanien. Er unterstützt die Caritas und den LWB in ihrem Einsatz für seine Landsleute. "Viele von denen, die ich treffe, sind in einer schlimmen psychischen Verfassung, wurden geschlagen, haben Tote zu beklagen, mussten um ihr eigenes Leben fürchten", erzählt er. Khaled Nabeel Moukhtar hofft, dass die westlichen Staaten mehr Flüchtlinge aufnehmen. "Wohin soll das denn noch führen? So, wie die Iraker jetzt hier leben, funktioniert das höchstens noch sechs Monate, es ist ein Provisorium."

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Ramy sagt: "Uns geht es gut hier, ja. Besser als in einem Zelt ist es auf jeden Fall und die Stimmung ist okay. Aber es ist natürlich keine dauerhafte Lösung und uns fehlt eine Beschäftigung." Was er und die anderen Flüchtlinge den ganzen Tag machen? Fernsehen, Karten spielen, essen, schlafen, warten. Darauf, dass sie ein Visum bekommen und das Land verlassen können.

Nach Schweden, Australien, Deutschland, in die USA wollen sie. Hauptsache weit weg von dieser Region, in der sie wegen ihrer Konfession in Gefahr sind. Fast jeder hat Kontakte und hofft auf Asyl in einem sicheren Land. Auch Ramy kramt einen Zettel mit dem Namen und der Handynummer eines Verwandten hervor, der es bis nach Köln geschafft hat. Wie gerne würde er ihm bald seine Frau vorstellen - Ramy und Bahee sind erst seit kurzem verheiratet, immer wieder werfen sie sich verliebte Blicke zu. "Wir sind quasi noch in den Flitterwochen", sagt Ramy. Honeymoon im Kirchenasyl.