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TV-Tipp des Tages: "Hannah Arendt" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Hannah Arendt", 7. Dezember, 21.45 Uhr im Ersten
Die jüdische Philosophin Hannah Arendt verfolgt 1961 den Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem. Im Gerichtssaal trifft sie auf einen unscheinbaren Mann, der, wie er nicht müde wird zu betonen, "nur" Befehle ausführte. In einer Artikelserie charakterisiert sie ihn, einen der Hauptverantwortlichen für die Shoa in Europa, als mediokren Schreibtischtäter und löst damit ungeahnte Proteststürme aus.

Filme über Figuren der Vergangenheit sind nur dann wirklich von Belang, wenn diese Persönlichkeiten einen Bezug zur Gegenwart haben. Hannah Arendt war eine der größten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts, und Margarethe von Trottas filmisches Denkmal ist von bemerkenswerter handwerklicher Qualität; aber das war nicht anders zu erwarten. Herausragend wird die Hommage an die Philosophin jedoch, weil Arendts Haltung noch heute so vorbildlich und aktuell ist wie vor fünfzig Jahren, zu jener Zeit also, die der Film behandelt. Das Licht, das sie durch ihre Werke in die Welt gebracht hat, strahlt nach Ansicht der Regisseurin immer noch: "Zu einer Zeit, wo viele andere sich noch einer Ideologie verpflichtet fühlten, hielt sie sich nur an ihre eigene Anschauung und Erkenntnis." Zunächst aber geht einem Hannah Arendt mit ihrer bedingungslosen Kompromisslosigkeit ziemlich auf die Nerven, und das war womöglich die brillanteste von vielen guten Ideen, die Trotta und Pamela Katz beim Verfassen des gemeinsamen Drehbuchs hatten: Wenn die Publizistin schließlich zwischen die Fronten gerät, ist man nicht deshalb auf ihrer Seite, weil man sie sympathisch findet, sondern weil sie Recht hat. Die Öffentlichkeit aber war damals geschlossen gegen sie.

Personifiziertes Mittelmaß

Das Porträt konzentriert sich auf die erste Hälfte der Sechzigerjahre. Die Handlung beginnt mit der Entführung Adolf Eichmanns durch israelische Agenten. Arendt, als Jüdin rechtzeitig vor den Nationalsozialisten nach New York geflohen, bietet sich dem renommierten Magazin The New Yorker als Berichterstatterin des Prozesses an. Das erste Drittel des Films besteht zu großen Teilen aus schwarzweißen Originalaufnahmen. Im Grunde ist der erste Akt ein langer Prolog für die anschließende Hexenjagd: Hannah Arendt überrascht die Öffentlichkeit mit einer Artikelserie, die Eichmann nicht etwa als Monster beschreibt, sondern anhand seiner Person die seither vielzitierte "Banalität des Bösen" analysiert. Selbst beste Freunde wenden sich von der Autorin ab. Sie sind entsetzt darüber, dass Arendt offenbar Eichmanns Verteidigungsstrategie aufgesessen ist. Deshalb hat Trotta dem Prozess so viel Platz eingeräumt: Das vermeintliche Ungeheuer, das die Mitverantwortung für die Ermordung von sechs Millionen Menschen trägt, entlarvt sich selbst als personifiziertes Mittelmaß, als uninspirierter Bürokrat, der nach eigener Ansicht bloß seine Pflicht getan hat. Gemessen an der intellektuellen Auseinandersetzung mit diesem Handlanger des Bösen wirkt die in Rückblenden nachgereichte Liaison zwischen Arendt und ihrem Mentor Martin Heidegger doch recht trivial.

Das Sujet bringt es mit sich, dass in diesem Film sehr, sehr viel geredet wird. Katz und Trotta, die auch schon "Rosenstraße" und "Eine andere Frau" gemeinsam geschrieben haben, versehen die Dispute mit viel Esprit und haben sich für Arendts Freundin Mary McCarty (Janet McTeer) einige wunderbar boshafte Dialoge ausgedacht. Dafür muss Barbara Sukowa ihre englischen Dialoge mit einem grauenhaften deutschen Akzent versehen, übrigens als einzige; ihre Filmpartner Axel Milberg (als Arendts liebevoller Gatte Heinrich Blücher), Ulrich Noethen (als Hans Jonas, langjähriger Freund aus gemeinsamen Studienzeiten) und Julia Jentsch (als Assistentin Lotte) dürfen ein makelloses Englisch sprechen. Der fast schon karikierend wirkende Akzent erinnert allerdings stets daran, dass die Immigrantin, obschon längst amerikanische Staatsbürgerin, eine Fremde bleibt.

Margarethe von Trotta ist bekannt für die ausgezeichnete Führung ihrer Darsteller, und mit Barbara Sukowa versteht sie sich vermutlich längst ohne Worte; "Hannah Arendt" ist bereits ihr sechster gemeinsamer Film. Für "Die bleierne Zeit", "Rosa Luxemburg" und "Hildegard von Bingen" sind beide vielfach geehrt worden, und doch ist es ihnen gelungen, die Intensität nochmals zu steigern: Sukowa, so scheint es, verkörpert die Philosophin nicht, sie ist Hannah Arendt. Besser lässt sich eine schauspielerische Leistung kaum würdigen.