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Die Kerze symbolisiert Christus als kommenden Retter.
Im Stress die Stille des Advents erleben
Luft holen, innehalten, sich auf den Advent besinnen. Der Theologe Daniel Sikinger gibt praktische Tipps, wie das im hektischen Alltag leicht zu schaffen ist: angefangen vom Warten in der Kaufhausschlange, eine Kerze anzünden bis zum Schippen des Schnees.

Warten in der Kassenschlange

Schlange stehen. Beine in den Bauch. Warten vorprogrammiert in der Adventszeit. Im Supermarkt, am Glühweinstand, im Buchladen, an jeder Kasse. Nervös fummelt die Hand das Mobiltelefon hervor, die Gedanken schweifen ins weltweite Netz. Ablenken von Stress und Ungeduld.


Genauso gut kann die Kassenschlange aber eine willkommene Gelegenheit sein, sich an das Wesentliche des Advents zu erinnern. Denn: Advent heißt Ankunft, und auf die wartet man gewöhnlich. Adventlich Warten ist wie Schlange stehen an der Kasse: Wurst, Käse und Zahnpasta haben Sie aufs Band gelegt, den Geldbeutel gezückt, in den Startlöchern, bereit, endlich an die Reihe zu kommen. Nicht im Sessel zurück gelehnt, die Arme verschränkt. Dieses adventliche Warten, von dem auch die Bibel spricht (z.B. in Matthäus 25) , ist vielmehr aktiv. Antizipierend - erwartend.

Den Moment in der Kassenschlange können Sie nutzen. Warten Sie bewusst. Nehmen Sie wahr, wenn Ungeduld in Ihnen aufsteigt. Fragen Sie sich: Bin ich wirklich bereit? Erwarte ich noch Neues oder habe ich mich eingerichtet in meinem Leben? Advent beginnt mit Achtsamkeit.

Barbarazweige schneiden

Es ist ein alter Brauch, Landeier kennen ihn vielleicht noch – am 04. Dezember werden "Barbarazweige" geschnitten. Das sind Obstzweige, die im Advent künstlich zum Blühen gebracht werden. Sie sprossen und blühen, Frühling in der Wohnung, mitten im Winter. Die heilige Barbara soll den Zweigen ihren Namen geliehen haben, vor 1700 Jahren, lange her.

Barbarazweige erinnern daran, worum es beim Advent eigentlich geht. Ohne Klimbim, in ihrer schlichten Schönheit, symbolisieren sie: Neues wird aufbrechen, auch wenn es kaum jemand ahnt. Es gibt Hoffnung! Am besten nehmen Sie Kirschbaumzweige. Am Ende einritzen, ins Wasser stellen und für ein paar Tage in ein kühles Zimmer. Erst dann kommen sie in die Wärme. Jetzt heißt es: warten, hoffnungsvoll beobachten, dem ersten Lebenszeichen entgegensehen. Ein schönes Adventsritual ist es, die Zweige täglich zu besprühen.

Wenn Sie Glück haben, öffnen sich die Kirschblüten zu Weihnachten. Mit neuen Augen werden Sie dann diese alten Zeilen lesen: "Es ist ein Ros‘ entsprungen, aus einer Wurzel zart, … mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht."

Beim Schneeschippen

Es hat geschneit über Nacht. Nur ein, zwei Zentimeter zwar, doch die Straßen haben sich zu gefährlichen Rutschbahnen verwandelt. Manche stehen früh morgens auf und beginnen die Gehwege und Treppen von Schnee und Eis zu befreien. Bürgerpflicht. Für viele allzu lästig. Könnte aber auch eine Zeit sein, um nachzudenken.

Denn Schneeschippen und Advent haben viel miteinander gemeinsam. Advent ruft uns auf: "Bereitet dem Herrn den Weg," so es wie schon Johannes der Täufer gerufen hat (Matthäus 3,3) . Macht Bahn! Räumt aus, was dem Kommenden im Weg steht! Wenn Sie mit Besen und Streugut bewaffnet in der Kälte stehen, fragen Sie sich: Was muss weggefegt werden, damit Christus in meinem Leben neu Raum gewinnen kann? Was ist kalt und eisig geworden? Und wie kann ich einen Weg bereiten, dass Gottes Liebe und Friede einziehen kann?

Mit einer Gebetsgeste

Zu Weihnachten erinnern sich Christen daran, dass Gott in Jesus Mensch wurde, Haut und Knochen, wie Sie und ich. Dieses Geheimnis ist Gottes großes Ja zu unserem leiblichen Dasein. Warum also nicht gerade unseren Körper nutzen, um sich auf den Advent einzustimmen? Zum Beispiel mit einem kurzen Körpergebet.

Zwei Minuten genügen. Auf der Firmentoilette in der Mittagspause oder abends am Kinderbett. Setzen Sie sich aufrecht hin. Lassen Sie Ihre Hände im Schoß ruhen. Nehmen Sie wahr, wie ihr Atem durch die Nase, den Rachen hinunter und in die Lungen strömt. Ihr Bauch hebt und senkt sich gleichmäßig.

Nach einigen Momenten der Ruhe können Sie nun die Hände falten und einmal fest zudrücken. Denken Sie dabei daran, was Sie gerade festhalten, vielleicht krampfhaft festklammern. Dann lassen Sie wieder locker und formen die Hände zu einer Schale. Überlegen Sie, in welchen Lebensbereichen Sie sich neu für Gott öffnen wollen.

Eine Kerze anzünden

Sie sind allgegenwärtig, ob mit bläulichem LED-Licht oder in der wächsernen Variante - Kerzen gehören zum Advent, wie der Baum zum Fest. Der Grund dafür ist allerdings in Vergessenheit geraten. Geht es um das heimelige Gefühl? Oder um die Gemütlichkeit? Tatsächlich ist das flackernde Schummerlicht ein symbolisches Schwergewicht. Nicht nur bei Christen, schon bei den Germanen oder im jüdischen Sabbatritus. Immer ist dabei an beides gedacht: An das Licht, das die Dunkelheit durchbricht, aber auch an die Dunkelheit, die erst im Licht als dunkel erkannt wird.

Bestimmt haben Sie eine Kerze im Haus. Wenn Sie am Abend, einen Moment lang, im dunklen Zimmer sitzen, wird dies Ihnen helfen, darüber nachzudenken, was in Ihrem Leben zu Ende geht, was dunkel ist. Dann zünden Sie die Kerze an, die im Christentum für Christus als kommenden Retter steht. "Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern", dichtete Jochen Klepper. Und: "Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein."

Dieser Text wurde erstmals am 5. Dezember 2014 auf evangelisch.de veröffentlicht.