Foto: Warner/Jack English
Filmkritik: "Magic in the Moonlight"
Trickkünstler trifft Wahrsagerin: In seinem neuen Film "Magic in the Moonlight" lässt Woody Allen einen Magier, dem alles Übernatürliche zuwider ist, an seinen Überzeugungen zweifeln. Grund hierfür: eine betörende Wahrsagerin, die geheime Details seiner Biografie zu kennen scheint.
03.12.2014
epd
Martin Schwickert

Magie spielte in den Filmen von Woody Allen stets eine große Rolle. Mühelos stieg Jeff Daniels in "The Purple Rose of Cairo" aus der Leinwand zu Mia Farrow hinab in den Kinosaal. Als menschliches Chamäleon lugte Allen in "Zelig" auf der Führertribüne des Reichsparteitages hinter Adolf Hitler hervor. In einem alten Peugeot wurde Owen Wilson in "Midnight in Paris" aus der schnöden Gegenwart direkt ins Herz der Pariser Bohème der 20er Jahre verfrachtet. Wenn also Colin Firth zu Beginn von "Magic in the Moonlight" als fernöstlicher Zauberer einen Elefanten auf der Bühne verschwinden lässt, kann das innerhalb des Allen-Universums nicht wirklich für Erstaunen sorgen.

Ungewöhnlicher ist da schon, dass Allen in seinem 45. Film die Magie selbst zum Thema macht. Denn in der Garderobe verwandelt sich Firths chinesischer Hexenmeister Wei Ling Soo in den missgelaunten Engländer Stanley, der jede Vorstellung vom Übernatürlichen weit von sich weist und im Nebenberuf spirituelle Scharlatane auffliegen lässt. Von seinem alten Freund Howard (Simon McBurney) wird er an die Côte d’Azur eingeladen, um ein weiteres Medium, die junge Wahrsagerin Sophie (Emma Stone), zu enttarnen. Als die dann aber im Praxistest ein geheimes Detail nach dem anderen aus Howards Biografie hervorbefördert, beginnt auch der bekennende Skeptiker zu zweifeln. Ganz zu schweigen von der femininen Aura, deren Anziehungskräfte ihn auf so angenehme Weise irritieren.

"Magic in the Moonlight" gehört definitiv nicht zu Allens Meisterwerken, sondern eher in die Kategorie "Woodys Wohlfühlfilme". Unübersehbar versucht er hier, an seinen größten kommerziellen Erfolg "Midnight in Paris" anzuknüpfen. In der geschmackvollen Retro-Melange darf die Filmgeschichte kräftig mitatmen. Wie einst Cary Grant und Grace Kelly in "Über den Dächern von Nizza" braust das Paar im roten Cabrio über die pittoresken Küstenstraßen der französischen Riviera. In schicker Badetrikotage räkelt sich Emma Stone vor dem azurblauen Wasser à la Jean Seberg in „Bonjour Tristesse“. Sogar vor dem Selbstzitat schreckt Allen nicht zurück, wenn er die beiden vor dem Regen in einem Observatorium Schutz suchen lässt, so wie sich die Liebenden in "Manhattan" seinerzeit ins Planetarium flüchteten.

Ein sich widerwillig Verliebender

Das alles ist ungeheuer nett anzusehen, auch dank der nostalgischen Kameraarbeit von Darius Khondji, der hier auf 35-mm-Material und mit alten Cinemascope-Objektiven gedreht hat. Die Story allerdings plätschert etwas zu selbstgenügsam vor sich hin. Zum Thema Magie und Realismus hätte man sich von Allen ein etwas höheres Reflexionsniveau versprochen. Ähnliches gilt für das Spiel von Colin Firth, der hier als sich widerwillig Verliebender etwas uninspiriert an seine Paraderolle als Darcy in "Stolz und Vorurteil" anknüpft.

Emma Stone hingegen, bei der naive Kindfrau und Femme fatale nur einen Lidschlag voneinander entfernt sind, stellt eine echte Bereicherung für den Allen-Club dar. Sie wurde vom Meister auch gleich (zusammen mit Joaquin Phoenix) fürs nächste Allen-Projekt unter Vertrag genommen.

USA 2014. Regie und Buch: Woody Allen. Mit: Colin Firth, Emma Stone, Simon McBurney, Catherine McCormack. Länge: 97 Minuten. FSK: ohne Altersbeschränkung.