Foto: WDR/Oliver Ziebe
Frank Plasberg fragte seine Gäste in der Sendung Hart aber fair, wie Deutschland und der Islam zusammenpassen.
Islam in Deutschland: "Mit Hirn statt mit Hass vorgehen"
Der Islam ist die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland – nach den Christen. Trotzdem gibt es viele Vorbehalte, die bis in die Mitte der Gesellschaft reichen, ein offener Dialog erscheint wichtiger denn je. Dass Talkshows dazu nicht unbedingt geeignet sind, zeigte sich einmal mehr bei Frank Plasbergs "hart aber fair" am Montagabend.

"Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland." Mit diesen Worten sorgte der damalige Bundespräsident Christian Wulff am Tag der Deutschen Einheit vor knapp vier Jahren für Furore. Deutschland war gespalten: Für die einen war es eine längst überfällige Aussage. Für die anderen eine Geste falsch verstandener Toleranz.

Heute würde die Kritik an Wulff wohl noch massiver ausfallen. Denn inzwischen prägen Berichte über den sogenannten Islamischen Staat, "Scharia-Polizei" und die Demonstrationen von "Hooligans gegen Salafisten" das Bild, das viele Menschen im Land vom Islam haben.

"Ich habe Angst, dass die Entfremdung zwischen den Religionen zunimmt"

42 Prozent der Deutschen sorgen sich, dass sich der Islam weiter in der Gesellschaft ausbreitet – diese Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap präsentiert Frank Plasberg in seiner Talkshow "hart aber fair" am Montagabend. "Deutschland und der Islam – wie passt das zusammen?" war die Sendung überschrieben. "Die rechten Hooligans haben das Feindbild des Islam ausgenutzt. Ich habe Angst, dass die Entfremdung der Religionsgruppen in unserem Land weiter zunimmt", sagte Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland.

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"Meine Hoffnung ist, dass wir an diesem Tisch zusammensitzen und gemeinsam nach Lösungen suchen", versuchte der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber eine besonnene Debatte anzustoßen. "Ich bin diese Talkshows leid, in denen die eine Seite von Verharmlosung spricht und die andere zitiert, was im Koran steht", ergänzte Özlem Nas, Vorstandsmitglied im Rat der Islamischen Gemeinschaften Hamburg. Kaum hatte sie ihren Wunsch geäußert, wurde er zunichte gemacht: "Im Koran ist schon verankert, dass man keine Freundschaft mit Andersgläubigen schließen soll", zitierte die Kabarettistin Lisa Fitz - und erntete von Nas und Mazyek ein müdes Augenrollen.

"Es gibt 6.000 Verse im Koran. Und in solchen Diskussionen fallen immer nur drei bis vier", bemängelte Mazyek. Diese würden dann auch noch falsch ausgelegt: "Wir sollten nicht auf der Bananenschale der Fundamentalisten ausrutschen. Diese Lesart ist nichts anderes als Fanatismus", erklärte er. Dass mit Fitz nicht gerade eine versierte Kennerin und Kritikerin der Religionen gekommen war, gab sie offen zu: "Ich habe bis drei Uhr im Koran gelesen, weil ich zu wenig wusste."

Antiislamische Hetze von Zuschauern

Und genau darin lag eines das Probleme der Sendung: Die Gästeliste zeigte, dass die Redaktion keine ehrliche Debatte im Sinn hatte. Neben Huber, Mazyek, Fitz und Nas diskutierte auch Birgit Kelle mit. Die Publizistin hat sich vor allem als Kritikerin des geplanten Lehrplans für sexuelle Vielfalt in Baden-Württemberg einen Namen gemacht. Als profunde Islam-Kennerin hat sich die gläubige Katholikin bisher nicht hervorgetan. Wie aber soll über eine Religion diskutiert werden, mit der sich manche Gäste kaum beschäftigt haben?

Der Tiefpunkt der Sendung folgte, als "die Zuschaueranwältin" Brigitte Büscher minutenlang Gästebuch- und Facebookeinträge der Zuschauer vorlas. Büscher sagte selbst, dass "die Grenze zwischen Polemik und Hetze" fließend sei und ihr bei einigen Beiträgen der Atem gestockt habe. Völlig unklar blieb, warum in einer Talkshow reihenweise antiislamische Äußerungen aus dem Internet vortragen werden müssen.

Angesichts der derzeitigen Stimmung – Deutsche fürchten den Einfluss des Islam, Muslime in Deutschland erleben zahlreiche Ressentiments – muss eine öffentlich-rechtliche Debatte mehr Inhalte liefern und die 75 Minuten Sendezeit nutzen, um Brücken zu bauen, anstatt Gräben zu schaffen. Denn die Bereitschaft zum Dialog war vorhanden - und die Einsicht, dass etwas passieren muss: "Ich frage mich, wie ich Menschen zurückgewinne, die auf der Kippe stehen. Wie ich Jugendarbeit intelligent gestalten kann, dass Leute nicht abdriften", sagte Mazyek. Und Nas ergänzte: "Wir sollten alle an einem friedlichen Miteinander auf Augenhöhe arbeiten, selbstkritisch sein und mit Hirn, statt mit Hass vorgehen." Doch für derlei Ansätze blieb keine Zeit. Denn die war mit der üblichen Polemik vergeudet worden.