Feierliche Orgelmusik, ein Aufgebot und am Ende ein Segen von der Pfarrerin vor dem Altar: Homosexuelle Paare können jetzt in der westfälischen Kirche ihre Verbindung in einem öffentlichen Gottesdienst segnen lassen. Möglich wird das durch einen Beschluss, den das Kirchenparlament am Donnerstag in Bielefeld fasste. Nach jahrelanger Debatte sei das jetzt "ein folgerichtiger Schritt", erklärte Präses Annette Kurschus. Vorher konnten sich homosexuelle Paare lediglich in einer nicht-öffentlichen Andacht segnen lassen.
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"Wir können als Kirche nicht Menschen eine Segnung verweigern, die in Liebe und Treue eine verlässliche Beziehung leben und dafür um den Segen Gottes bitten", ist Kurschus überzeugt. Das sei mittlerweile auch in Westfalen Konsens. Voraussetzung für die Segnung ist eine eingetragene Partnerschaft, mindestens ein Partner muss Mitglied der evangelischen Kirche sein. Die Segnung soll in einem eigenen kirchlichen Verzeichnis dokumentiert werden. Der Gottesdienst soll typische Elemente einer Trauung enthalten, ohne jedoch identisch mit einer Eheschließungsfeier zu sein.
Die Segnung im Gottesdienst sei ein längst überfälliger Schritt, urteilt der westfälische Pfarrer Thorsten Maruschke von "Homosexuelle und Kirche" (HuK). Allerdings passe sich die Kirche damit rechtlich lediglich dem an, was längst Praxis sei, sagt der Geistliche der Gemeinde Herzebrock-Clarholz bei Gütersloh. Wenn Paare zu Kollegen kämen und um eine Segnung bäten, gebe es in der Regel Gottesdienste, die sich stark an die Liturgie einer Trauung anlehnten.
Der HuK geht der Schritt der westfälischen Kirche deshalb nicht weit genug. Maruschke wirbt dafür, die gottesdienstliche Segnung mit einer Trauung gleichzustellen. Homosexuelle Segnungen in einem eigenen Register zu vermerken und nicht wie heterosexuelle Eheschließungen ins Kirchenbuch einzutragen, kritisiert er als "halbgar". Das Ziel sei ja gewesen, Diskriminierung abzubauen. "Dann wird aber doch ein Unterschied gemacht, und es bleibt ein Rest Diskriminierung", sagte der Theologe.
Auch der Bielefelder Pfarrer Alfred Menzel sieht Unterschiede zur Trauung "weder als theologisch noch zivilrechtlich begründet". Er sei aber froh, dass die Andacht für Lebenspartnerschaften vom Tisch sei. Diese Ungleichbehandlung sei ein Ärgernis gewesen. Wenn die Kirche homosexuellen Paaren eine Trauung gewähre, werde keine Ehe benachteiligt, sagt Menzel, der ebenfalls bei der HuK engagiert ist und nach eigenen Worten der erste westfälische Pfarrer war, der offiziell mit seinem Partner im Pfarrhaus lebt.
"Langer Weg nötig, um Menschen mitzunehmen"
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In den 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland sind die Regelungen zur Segnung homosexueller Partnerschaften unterschiedlich. Während es in einigen Landeskirchen eigene Gottesdienste gibt, ist andernorts nur eine seelsorgerliche Begleitung des Paares vorgesehen. Die bisher liberalste Regelung hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau - dort ist die Segnung einer eingetragenen Partnerschaft seit dem vergangenen Jahr der Trauung weitgehend gleichgestellt und wird als Amtshandlung kirchlich beurkundet.
Zumindest in Nordrhein-Westfalen hat die westfälische Kirche mit ihrem Synodenbeschluss nun die weitestgehenden Regelungen. In der benachbarten rheinischen Landeskirche ist seit dem Jahr 2000 eine "gottesdienstliche Begleitung" gleichgeschlechtlicher Paare möglich. Das kann in Hausandachten, Andachten, Gemeindekreisen oder im regulären Sonntagsgottesdienst geschehen, wie Kirchensprecher Jens-Peter Iven erklärt. Sie gilt aber nicht als Amtshandlung und wird daher auch nicht dokumentiert.
In der Lippischen Landeskirche soll auf der Synode im nächsten Jahr über eine gottesdienstliche Segnung für die reformierten Gemeinden beraten werden. Einige Gemeinden ermöglichten jedoch bereits in eigener Verantwortung ihres Kirchenvorstands die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in Gottesdiensten, erklärt die Sprecherin der Landeskirche, Birgit Brokmeier. In den lutherischen Gemeinden der viertkleinsten Landeskirche ist seit diesem Jahr die Segnung in öffentlichen Gottesdiensten bereits möglich.
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Die Kritik, dass die westfälische Kirche erst spät auf die gesellschaftliche Wirklichkeit reagiere, will Präses Annette Kurschus nicht gelten lassen. Dass dieser Schritt innerhalb der Kirche auf eine breite Akzeptanz stoße, liege an der gründlichen Beschäftigung mit dem Thema. Der lange Weg sei nötig gewesen, um die Menschen mitzunehmen, sagt die geistliche Leiterin der rund 2,4 Millionen evangelischen Christen in Westfalen. Vor einigen Jahren, fügt Kurschus an, wäre ein solcher Beschluss noch nicht möglich gewesen.