Amazonas-Regenwald
Foto: Reuters/Nacho Doce
Immer noch fallen die Bäume im Amazonasgebiet. Ein ernstes Problem für den Klimaschutz.
So nicht mehr zu retten...
Prima Klima in Lima. Heute beginnt dort die 20. UN-Klimakonferenz. Nicht weit davon werden immer noch riesige Areale des Amazonas-Regenwalds gerodet. Eine neue Studie zeigt jetzt: Selbst ein Ende der Abholzung reicht nun nicht mehr, um das Klima noch zu retten.

Schlechte Nachrichten aus dem brasilianischen Amazonas-Urwald: Die Abholzung ist im August und September diesen Jahres im Vergleich zum Vorjahr um über hundert Prozent angestiegen. Laut den Zahlen, die die Umweltbehörde Ibama kürzlich veröffentlichte, wurden allein im August fast 900 Quadratkilometer gerodet.

Die Verdoppelung des Waldverlusts hat Umweltschützer aufgeschreckt. Noch bis vor kurzem galt das größte Land Lateinamerikas als Vorbild bei den weltweiten Bemühungen, den Raubbau an den Wäldern einzudämmen. Brasilien habe die größten Anstrengungen zum Erhalt der Urwälder unternommen, lobte die UNO. Grund für die Erfolge sei vor allem die Einrichtung von Naturschutzgebieten, so ein UN-Bericht zum Klimawandel vom Juni diesen Jahres.

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Fraglos ist die brasilianische Regierung um den Bestand des Amazonas besorgt. Das zeigt auch die jüngste Meldung über die strafrechtliche Verfolgung der illegalen Abholzung. Für eine Holzfällerbande, die seit Jahren im nördlichen Bundesstaat Pará Ländereien gerodet und unter der Hand an Farmer und Unternehmen verkaufte, forderte die Staatsanwaltschaft im Oktober hohe Haftstrafen. Die 23 Angeklagten und ihre teilweise noch flüchtigen Helfershelfer sollen 15.000 Hektar Urwald gerodet und damit Umweltschäden von umgerechnet knapp 200 Millionen Euro angerichtet haben.

Die Herausforderung, die Entwaldung und damit auch die Freisetzung klimaschädlicher Emissionen zu verhindern, ist groß. Es sind vor allem wirtschaftliche Interessen, die den Amazonas-Bestand gefährden: Die Ausbreitung der Landwirtschaft, insbesondere der extensiven Viehzucht; die Förderung von Bodenschätzen sowie der Bau von Staudämmen zur Energiegewinnung; und immer einhergehend die zunehmende Erschließung des endlosen Urwaldes, die den Bau neuer Straßen und Siedlungen mit sich bringt.

Selbst ein sofortiger Stopp der Abholzung reicht nicht aus

Umweltministerin Isabella Teixeira ist überzeugt, dass wirtschaftliches Wachstum in der Amazonas-Region und Umweltschutz vereinbar seien. "Wir sind das einzige Land mit einem Waldgesetz, das Landbesitzer dazu verpflichtet, einen Teil ihres Bodens als Naturschutzreserve zu belassen. Im Amazonasgebiet bedeutet dies, dass 80 Prozent der Bäume stehen bleiben müssen", erklärt Teixeira. Auch beim Baumfällen im öffentlichen Interesse seien strikte Vorschriften zu beachten: "Das Gesetz sagt, dass mehr Bäume gepflanzt werden müssen als gefällt wurden", so die Ministerin.

Doch sind guter Wille und Schutzmaßnahmen angesichts der fortgeschrittenen Abholzung ausreichend? "Nein", sagt der Umweltforscher Antonio Donato Nobre. Sogar ein sofortiger Stopp der Abholzung sei nicht genug, um negative Auswirkungen auf das Klima zu verhindern. "Es muss wieder aufgeforstet werden, sonst werden wir schon bald Veränderungen zu spüren bekommen", sagt Nobre voraus.

Jede Minute 2.000 Bäume gefällt

Der Ökologe ist Autor der Studie "Die Klimazukunft des Amazonas", die kürzlich in Brasilien erschien und in englischer Fassung auf der heute beginnenden UN-Klimakonferenz in Lima vorgestellt werden soll. Nobre hat im Auftrag des Regionalen Amazonas-Netzwerks ARA (Articulación Regional Amazónica) über 200 wissenschaftliche Arbeiten analysiert. Das Ergebnis der Forschung ist eine bittere Bilanz und eine düstere Vorhersage für die Zukunft.

In Brasilien sind in den vergangenen vier Jahrzehnten über 760.000 Quadratkilometer Urwaldfläche gerodet worden. Das entspricht fast 200 Millionen Fußballfeldern oder anders gesagt: Jede Minute wurden 2.000 Bäume gefällt. Hinzu kommt eine Degradierung, also eine ökologische Schwächung von weiteren Waldstücken in ähnlicher Größenordnung.

Bäume funktionieren wie Geysire aus Holz

Jenseits der Belastung durch CO2-Emissionen und der damit einhergehenden Erderwärmung zeigt Nobres Untersuchung, dass die Abholzung schon jetzt ganz konkrete Auswirkungen auf das Klima hat. Grund dafür ist die Fähigkeit der Bäume, große Mengen Wasser vom Erdboden in die Atmosphäre zu leiten. "Die Bäume funktionieren wie Geysire aus Holz. Sie pumpen jeden Tag Billionen Liter Wasser in die Luft", erläutert der Wissenschaftler des Wissenschaftszentrum Erdsystem CCST (Centro de Ciência do Sistema Terrestre). Dadurch entstünden Wolken und ein spezifischer Druck in der Atmosphäre, der in der Umgebung, aber auch noch Tausende Kilometer entfernt regelmäßige wie lebensnotwendige Niederschläge verursacht.

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Dieses Gleichgewicht der Natur werde durch den Raubbau im Amazonasgebiet gestört, erklärt die Studie, und sagt vor allem die Ausbreitung von Trockenheit voraus. Der monatelange Ausfall von Regenfällen in Südbrasilien, der die Metropole São Paulo seit Mitte diesen Jahres vor ernste Probleme in der Wasserversorgung stellt, wird von Umweltforschern inzwischen auch mit der These von Nobres Studie in Zusammenhang gebracht.

Für den Ökologen Nobre gibt es nur einen Ausweg: "Zuerst den Hauptgrund für die fortgesetzte Abholzung bekämpfen: Die Ignoranz." Danach müsse die Entwaldung gestoppt und baldmöglichst wieder aufgeforstet werden.