Kinder schuften in Steinbrüchen oder Textilfabriken. Stundenlang, ohne Pausen, bei gefährlichem Staub und in stickigen Hallen. Was für Jungen und Mädchen in Deutschland undenkbar ist, ist andernorts Alltag. Viele Millionen Kinder weltweit haben kaum Zugang zu Bildung, leiden unter Armut, Ausbeutung und Gewalt. "25 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention, die solche Missstände beenden soll, ziehen wir eine ernüchternde Bilanz", sagt Nina Humphrey von der Hilfsorganisation World Vision.
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Neben einer Reihe von Erfolgen, etwa bei der Senkung der Kindersterblichkeit, bleiben enorme Herausforderungen. "Wir haben schon viel erreicht, aber es ist auch noch viel zu tun", erklärt Antje Weber von der Kindernothilfe. Das am 20. November 1989 von den Vereinten Nationen verabschiedete Papier umfasst 54 Artikel und sichert Kindern Rechte wie das auf Leben, Bildung, Gesundheit und den Schutz vor Gewalt und Ausbeutung zu. Mittlerweile haben alle Staaten bis auf die USA das Papier ratifiziert. In Deutschland trat das Abkommen 1992 in Kraft.
Zu den augenfälligen Verstößen gegen das Kindeswohl zählt nach wie vor Kinderarbeit. Zwar müssen - auch dank erfolgreicher Projekte in der Entwicklungshilfe - nach Angaben von Unicef rund ein Drittel weniger Kinder arbeiten als noch vor zehn Jahren, aber weltweit sind es noch rund 168 Millionen. Etwa die Hälfte ist Tag für Tag einer gefährlichen oder ausbeuterischen Beschäftigung ausgesetzt. "Ein pauschales Verbot von Kinderarbeit reicht nicht, denn allein dadurch ändert sich nichts an der Armutssituation der Familien", erklärt Weber. "Viele Kinder können sich die Schule dann schlicht nicht mehr leisten."
Bei der Projektplanung sollten Kinder gehört werden
Großen Nachholbedarf sieht sie, wie ihre Kollegen auch, in der Bildung. Nach Angaben des Unesco-Weltbildungsberichts können rund 250 Millionen Kinder weltweit kaum lesen, schreiben und rechnen. World-Vision-Referentin Humphrey wünscht sich zudem einen engagierten Einsatz gegen Kindersterblichkeit.
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"Krankheiten wie Fieber, Durchfall und Malaria, sind leicht behandelbar oder einfach zu vermeiden", sagt sie. "Da muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden." Die Zahl der Jungen und Mädchen, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, ist nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef seit 1990 von knapp 13 Millionen auf die Hälfte gesunken. Doch das sind immer noch 6,3 Millionen pro Jahr.
Die psychische Gesundheit ist für die Expertin der Kinderrechtsorganisation "Save the Children", Julia Burmann, ein weiterer zentraler Punkt. "Vor allem nach Notsituationen muss Kindesschutz noch stärker in den Fokus rücken", fordert sie. Es müsse spezielle Angebote für Kinder geben, damit sie die traumatisierenden Erlebnisse verarbeiten könnten.
Um auch in der Entwicklungszusammenarbeit den Kindern gerecht zu werden, müssen Minderjährige möglichst stark an der Planung beteiligt werden. Da sind sich die Fachleute einig. "Wenn man Kinder konkret fragt: 'Was braucht ihr, um euch sicher zu fühlen?' und sie antworten 'Begleitpersonen auf dem Schulweg', dann können wir da ansetzen", sagt Humphrey.
Kinder können ihre Rechte einklagen
Die Kinderrechtskonvention ist mehrfach erweitert worden, sie enthält derzeit drei Zusatzprotokolle. Die ersten beiden traten 2002 in Kraft. Sie verbieten Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie sowie die Zwangsrekrutierung von Minderjährigen. Im April dieses Jahres trat das Recht zu einem Individualbeschwerdeverfahren in Kraft. Es gibt Kindern weltweit die Möglichkeit, sich bei Verletzung ihrer Rechte beim zuständigen UN-Ausschuss in Genf zu beschweren. Dafür muss der nationale Rechtsweg allerdings erfolglos durchschritten worden sein.
Die Experten sehen das Verfahren als einen bedeutenden Fortschritt: Es sei ein gutes Mittel, um Verfehlungen öffentlich zu machen, erklärt Weber. Es könne die Staaten zum Einlenken bewegen und sie antreiben, ihre Rechtssysteme zu verbessern, um ein UN-Verfahren zu vermeiden.
Ein wesentlicher Verdienst der Konvention ist nach Einschätzung der Fachleute, dass Rechte von Minderjährigen in der öffentlichen Diskussion präsenter wurden. "Doch fehlt es für die Umsetzung vielfach an Willen oder Finanzkraft", kritisiert Weber. "Aber schon das Bekenntnis zu Kinderrechten und das Bewusstsein dafür, dass Kinder eigene Rechtspersönlichkeiten sind, sind ein großer Erfolg", resümiert sie.