"Ich glaube einfach, dass wir die vielen Herausforderungen, die wir weltweit haben, schaffen können", antwortet Christoph Harrach, geboren 1974, lachend auf die Frage, ob er ein Idealist sei. "Idealist" genannt zu werden, empfindet der Diplomvolkswirt und Trendforscher als Auszeichnung, der von der Macht des Einzelnen überzeugt ist. Und davon, dass sich mit einem bewussten, sozialökologisch nachhaltigen Lebensstil und einer auf Sozial- und Umweltverträglichkeit ausgerichteten Form des Unternehmertums die Welt zum Positiven wandeln lässt. Persönlich lebt er nach dem Motto Gandhis: "Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt": "Ich kann nur mich selber verändern. Ich gucke nicht, was die anderen machen und verlange nicht von ihnen, sich zu verändern", erklärt er.
Um die inzwischen weltweite Bewegung von Menschen, die jenseits des Diktats des Wirtschaftswachstums und ungebremsten Ressourcenverbrauchs den Wandel wollen, hat Harrach 2007 das Öko-Lifestyle-Portal karmakonsum.de gegründet, das mittlerweile als ein offizielles Unesco-Projekt für einen nachhaltigen und gesunden Lebensstil anerkannt ist. Mit täglich rund 3.000 Klicks und 6.000 Abonnenten des wöchentlichen Newsletters hat sich KarmaKonsum zu einem weitverzweigten Netzwerk und einer Wertegemeinschaft gemausert, die sich, so Christoph Harrach, "für den sozio-ökonomischen Wandel der Gesellschaft und der Wirtschaft engagiert".
Energiewende per Crowdfunding
Doch was hat es mit dem aus dem altindischen Sanskrit stammenden Begriff "Karma" auf sich? Christoph Harrach übersetzt Karma mit "Ursache-Wirkungsprinzip: Wenn wir alle billiges Fleisch konsumieren, ist die Konsequenz ein Gammelfleischskandal.
Mit KarmaKonsum will Harrach auch Unternehmer zu nachhaltigem, sozial- und umweltverträglichem Wirtschaften ermutigen. Vor allem an sie richtet sich die jährliche KarmaKonsum Konferenz in Frankfurt. Ende Oktober wurde dort zum sechsten Mal der KarmaKonsum Award verliehen. Mit ihm werden Start Up-Unternehmensgründungen und Ideen ausgezeichnet, die umwelt- und sozialverträglich produzieren und mit ihren Produkten den Wandel zu einer zukunfts- und enkeltauglichen Welt fördern.
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Zu den diesjährigen Preisträgern zählt auch die Frankfurter Crowdinvesting-Plattform für Energieeffizienzprojekte "bettervest GmbH". Sie möchte die Energiewende voranbringen und daher Projekte mit sinnvollen ökologischen und ökonomischen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz fördern. Bei der Finanzierung setzt das Unternehmen auf private Kleinanleger und verspricht im Gegenzug eine Beteiligung an den erzielten Einsparungen
"Energieeffizienz muss als Motor für eine klimafreundlichere Wirtschaft und Gesellschaft gefördert werden; Bürger sollen darin investieren können", so die Idee von Zukunftsforscher und Geschäftsführer Patrick Mijnals (35), der die Firma im Jahr 2013 zusammen mit vier Experten gegründet hat. Wer Energie effizienter als bisher einsetzt, indem Wärme und Strom von Blockheizkraftwerken erzeugt werden; wer auf Wärmepumpen zur Gewinnung regenerativer Energie umsteigt, die Gebäudedämmung verbessert oder –so schlicht wie wirkungsvoll – auf LED-Beleuchtung umstellt, kann bis zu 80 Prozent Energie sparen. Das senkt den CO2-Ausstoß, schont dadurch das Weltklima und senkt die eigenen Kosten.
Wandel und Windel - Alternative zu Pampers & Co.
Da viele Banken sich trotz der Zeiten des billigen Geldes schwer tun, für solche Projekte Kredite zu vergeben, lädt "bettervest" über Crowdfunding im Internet jedermann dazu ein, sich mit Summen zwischen 50 und 12.500 Euro an einem Projekt eigener Wahl zu beteiligen. Ist die Zielsumme erreicht, kann das Projekt starten. Natürlich wird vorher die Bonität dessen geprüft, der das Darlehen haben will.
Dass die Idee funktioniert, zeigt sich am bislang größten abgeschlossenen Projekt: Innerhalb von nur 60 Tagen kamen 385.000 Euro für die Umstellung der Beleuchtung und den Bau einer Photovoltaikanlage einer süddeutschen Druckerei zusammen. Nach Berechnungen von "bettervest" beträgt die jährliche CO2- Einsparung 232, 7 Tonnen. Nach gut einem Jahr gehören auch etliche Fitnessstudios, ein Hotel, ein Baumarkt und eine Wohnsiedlung in Lübeck zu den Vorzeigeobjekten.
Der ins Stocken geratenen Energiewende setzt "bettervest" die Möglichkeit entgegen, sich konkret an einer Stelle zu engagieren – und das sogar mit der Aussicht auf Gewinn. Denn wer in eines der Projekte auf der Online-Plattform investiert, wird während der drei- bis zehnjährigen Vertragslaufzeit an den erzielten Einsparungen beteiligt und soll mit Renditen von bis zu acht Prozent rechnen können. Der Hinweis darauf, dass es bei einer Insolvenz des Projektträgers auch zu Verlusten für die Anleger kommen kann, gehört zu den Grundsätzen des Unternehmens, dessen Schirmherrschaft der Biologe und Präsident des Club of Rome, Ulrich von Weizsäcker, übernommen hat.
Made in Afghanistan
Ausschlaggebend für das Projekt war für Oppitz der Anblick der Windel-Müllberge, die bei ihren drei "windelpflichtigen" Kindern anfielen: pro Kind etwa eine Tonne nahezu nicht verrottender Windelmüll, der verbrannt werden muss und so für weiteren CO2-Ausstoß sorgt. Mittlerweile finden etwa 100 der Windeln, die von ihr selbst und einer Dresdener Näherei in unterschiedlichen Designs und Größen genäht werden, den Weg auf die Wickeltische – und das jeden Monat. Stephanie Oppitz, die sich zu DDR-Zeiten taufen und konfirmieren ließ, ist überzeugt, dass ihre Idee Zukunft hat, sollte es gelingen, hinter der Idee auch ihre von christlicher Ethik geprägte Grundüberzeugung deutlich zu machen. Und die lautet: "Wir dürfen nicht mehr verbrauchen, als uns zusteht. Wir betreiben Raubbau an den menschlichen und natürlichen Ressourcen."
Zum ersten Mal gab es auf der KarmaKonferenz auch einen Preis in der Kategorie "Gründungsidee". Nina und Mahmood Nisar wurden für ihre Idee ausgezeichnet, unter dem Markennamen "made in Afghanistan" die Herstellung und Vermarktung hochwertiger, nachhaltiger Produkte aus dem Land am Hindukusch zu fördern.
Noch gibt es im Land zwar kein Biosiegel. Trotzdem sollen die "made in Afghanistan"-Produkte so nachhaltig wie möglich produziert werden. Der Anfang wurde im letzten Jahr mit dem Kauf einer bestehenden Kartoffelchips-Firma in Kabul gemacht, wo seither einheimische Kartoffeln, Öle und Salze verarbeitet werden. "Wir haben uns vorgenommen, Klein- und Kleinstbetriebe dabei zu unterstützen, sich auf Nachhaltigkeit auszurichten", so Nina Nisar. In Zukunft , so hofft sie, können auch Lederwaren, Trockenfrüchte oder Öle "made in Afghanistan" ihren Weg in den Handel finden und so womöglich auch ein anderes Bild von dem Land entstehen lassen, von dem bislang zu weiten Teilen nur Schreckensbilder kursieren.