Herr Bedford-Strohm, 2011 wurden Sie bayerischer Landesbischof, 2013 kamen Sie in den Rat der EKD, zwölf Monate später sind Sie sein Vorsitzender. Mit welcher Perspektive gehen Sie in das Amt?
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Heinrich Bedford-Strohm: Ich freue mich zunächst einmal sehr über das Vertrauen der Synode. Ich habe die Arbeit im Rat schon kennenlernen können, und sie hat mir großen Spaß gemacht. Insofern gehe ich jetzt mit großer Lust in dieses Amt.
Was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte für die nächsten Monate?
Bedford-Strohm: Es liegen wichtige Aufgaben vor uns, allen voran das Reformationsjubiläum 2017. Das wird ein großes Fest werden, auf das man sich schon jetzt freuen kann. Ich kann jetzt als Ratsvorsitzender mithelfen, das Fest vorzubereiten und dann mit Kraft und Freude zu feiern.
Welche Impulse sollen von dem Jubiläum ausgehen?
Bedford-Strohm: Zunächst erwarte ich Impulse für den Glauben. Menschen sollen neu sehen, wie zentral die Bibel und die christliche Position in das Leben auch heute hineinsprechen. Zweitens wird das Jubiläum eine wichtige öffentliche Bedeutung haben. Es wird deutlich werden, dass von unserem Glauben wichtige Grundorientierungen für die Gesellschaft ausgehen. Und wir haben viele Probleme, an denen die Gesellschaft nach Orientierung sucht.
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Aus dem wissenschaftlichen Bereich gibt es Kritik an den Vorbereitungen – die Ökumene sei nicht hinreichend einbezogen, die Freikirchen zu wenig berücksichtigt, die Planungen zu sehr auf Deutschland konzentriert. Wird dieser Diskurs auch noch das Festjahr überschatten?
Bedford-Strohm: Im Protestantismus diskutiert man immer gern. Das ist auch gut so. Der Sinn von Diskussionen ist, dass man daraus lernt. Ich höre genau hin, was Kritiker zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums sagen. So ist etwa die weltweite Dimension ist für das Jubiläum unverzichtbar, und es laufen bereits Aktionen, um diese Dimension zu verdeutlichen.
Was sind neben dem Reformationsjubiläum die Arbeitsschwerpunkte des Rates bis zum Ende der Wahlperiode 2015?
Bedford-Strohm: Mir ist das Wichtigste, dass wir neben allen planerischen Dingen, die mit Strukturveränderungen und Finanzen zu tun haben, eine innere Kraft gewinnen: dass wir die Kraft des Evangeliums selbst neu entdecken und dass wir dies auch ausstrahlen. Es ist notwendig, dass wir in den Zeiten, in denen wir gute Kirchensteuereinnahmen haben, sehr genau darüber nachdenken, was zu tun ist, wenn diese Einnahmen zurückgehen. Man soll die Zeit zum Nachdenken dann nutzen, wenn keine unmittelbaren Nöte da sind.
"Wir brauchen eine ökologische Umorientierung unserer Wirtschaft"
Als Sozialethiker stehen Sie für die öffentliche Verantwortung der evangelischen Kirche ein. Was sind derzeit für Sie die brennendsten politischen Fragen?
Bedford-Strohm: Erstens ist da die politische Diskussion um die Sterbehilfe. Das zweite ist die Überwindung der Gewalt angesichts der Dilemma-Situation im Nahen Osten, wo einige von uns sich dafür ausgesprochen haben, dass Menschen auch militärisch geschützt werden müssen, die von Völkermord bedroht worden sind. Wir dürfen nicht in eine Militärlogik abgleiten. Wir müssen die zivile Logik ins Zentrum stellen.
Was bedeutet das konkret?
Bedford-Strohm: Wir müssen die Rüstungsexportpraxis der Bundesrepublik in Frage stellen. Die Situation, die wir jetzt haben, ist auch dadurch verursacht, dass aus Deutschland Waffen in die Krisenregionen geliefert worden sind und in die falschen Hände gekommen sind. Deswegen müssen wir jetzt eine Perspektive entwickeln, wie diese Region ohne immer mehr Waffen zu Frieden kommen kann.
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Das setzt aber ein anderes Leben und Wirtschaften voraus.
Bedford-Strohm: Wir brauchen eine ökologische Umorientierung unserer Wirtschaft – und zwar weltweit. Viele Unternehmen sind extrem innovativ im ökologischen Bereich. Unternehmen, Zivilgesellschaft und Politik müssen zusammen helfen, unsere Weltwirtschaft so umzubauen, dass auch zukünftige Generationen leben können.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat in seinem Grußwort an die EKD-Synode die Kirche zum Gespräch über die künftige Ausgestaltung der Flüchtlingspolitik eingeladen. Welche Forderungen haben Sie an die Bundesregierung?
Bedford-Strohm: Wir müssen die Fragen, die der Bundesinnenminister gestellt hat, bedenken, unter anderem die nach dem Kirchenasyl. Wir müssen damit verantwortlich umgehen – Kirchenasyl kann nicht die Regel sein, sondern es ist immer ein Sonderfall. Iin Bayern wissen wir von etwa 30 Fällen. Die zentralen Fragen liegen woanders: Wie schaffen wir es, viele Menschen, die nach schlimmer Gewalterfahrung Zuflucht suchen, würdig unterzubringen. Und darauf sollten wir uns konzentrieren.
"Es hilft, dass ich mit dem Fahrrad in drei Minuten bei Kardinal Marx bin"
Sowohl der EKD-Ratsvorsitzende als auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sind Bischöfe mit Amtssitz München. Wird dies das ökumenische Miteinander erleichtern?
Bedford-Strohm: Es hilft, dass ich mit dem Fahrrad in drei Minuten bei Kardinal Marx bin.
Und worüber reden Sie dann mit ihm?
Bedford-Strohm: Wir reden natürlich über das Reformationsjubiläum – ich habe auch kein Problem, von Reformationsgedenken zu sprechen. Beides ist zutreffend. Wir müssen auch der schlimmen Gewalt gedenken, die von beiden Seiten aus der Kirchenspaltung erwachsen ist, und uns versöhnen. Gleichzeitig ist 2017 für uns ein Jubiläum, weil wir uns freuen an dieser wunderbaren reformatorischen Tradition, die die Kirche erneuert hat. Und darüber können sich auch Katholiken freuen. Auch die katholische Kirche hat von der Reformation profitiert. Kardinal Marx und ich sind aber auch über sozialethische Fragen im Gespräch – etwa beim Thema Flüchtlinge. Und wir konnten viel Bewegen, weil wir gemeinsam aufgetreten sind.
Sie sind nun Ratsvorsitzender der EKD. Wie werden Sie die Vielzahl neuer Aufgaben und Termine in ihren ohnehin vollen Terminkalender als bayerischer Bischof einfädeln?
Bedford-Strohm: Das ist eine spannende Frage, die im Zentrum steht, wenn ich nach München zurückfahre. Ich werde dann hören, welche Termine für den Ratsvorsitzenden gesetzt sind und wie wir beides miteinander verbinden geben. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, dass ich in Bayern auch weiterhin predigen und den Menschen begegnen kann – und trotzdem den Aufgaben des Ratsvorsitzenden gerecht werden kann.