Debatte über Sterbehilfe
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Bundestag debattiert über Sterbehilfe
In einer sogenannten Orientierungsdebatte befassen sich die Abgeordneten heute mit ärztlich assistiertem Suizid und einem Verbot der organisierten Sterbehilfe. Die Positionen von Ärzte- und Patientenvertretern, Ethikrat und Kirchen im Überblick.
13.11.2014
epd
Barbara Schneider und Corinna Buschow

Im Mittelpunkt der Debatte steht der assistierte Suizid, der sich in einer rechtlichen Grauzone bewegt. Beihilfe zur Selbsttötung steht wie der Suizid selbst in Deutschland nicht unter Strafe. Auch entsprechende Sterbehilfe-Organisationen machen sich damit derzeit nicht strafbar. Geleistet wird die Hilfe zum Suizid, indem etwa einem Sterbewilligen ein todbringendes Medikament überlassen, aber nicht vom Helfer verabreicht wird. Andernfalls wäre es Tötung auf Verlangen und damit aktive Sterbehilfe. Diese ist verboten und kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnisstrafe geahndet werden.

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Die ursprüngliche Forderung einer Neuregelung wurde vor allem von Unionspolitikern erhoben. Sie zielt auf ein Verbot von Sterbehilfe-Organisationen ab, die Sterbewilligen Hilfe beim Suizid anbieten und teilweise auch Geld damit verdienen. Ein Gesetzentwurf zum Verbot kommerziell ausgerichteter Organisationen scheiterte in der vergangenen Wahlperiode, weil die Pläne der damaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der Union nicht weit genug gingen. Folgende Positionen dienen den Fraktionen als Diskussionsgrundlage:

Patientenvertreter fordern bessere Palliativmedizin

Die Bundesärztekammer hat in ihrer Musterberufsordnung aus dem Jahr 2011 das Verbot eines ärztlich assistierten Suizids formuliert. Konkret heißt es: "Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Ärzten, die Beihilfe zum Suizid leisten, droht der Verlust der Approbation. Das Problem: Nur zehn von 17 Landesärztekammern haben das berufsrechtliche Sterbehilfeverbot für Ärzte übernommen.

Der Deutsche Ethikrat war sich in seiner Stellungnahme "Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende" aus dem Jahr 2006 uneins darüber, wie die ärztlich assistierte Selbsttötung zu bewerten sei. Ein Teil der Ethikrats-Mitglieder lehnt die ärztliche Suizid-Beihilfe mit Verweis auf das ärztliche Ethos ab. Demgegenüber tritt eine Gruppe der Mitglieder dafür ein, dass es Ärzten möglich sein müsse, Suizid-Beihilfe zu leisten, "sofern ein unerträgliches und unheilbares Leiden des Patienten vorliegt, die Entscheidungsfähigkeit des Patienten gegeben ist und sein Wunsch zu sterben nach Beratung und ausreichender Bedenkzeit - als endgültig anzusehen ist".

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz tritt dafür ein, Suizidbeihilfe zu bestrafen, wenn sie geschäftsmäßig angeboten wird. Wer an einer Selbsttötung teilnimmt, soll nach dem Willen der Stiftung aber straffrei bleiben, wenn der Patient ein Angehöriger ist oder ihm sonst nahesteht. Die Patientenschutzorganisation setzt sich für eine Verbesserung der palliativmedizinischen und -pflegerischen Versorgung schwerstkranker Menschen ein.

Die EKD befürchtet "erhebliche negative Auswirkungen"

Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband tritt für ein "Verbot aller Formen der gewerblichen und organisierten Sterbehilfe" ein. Ein alleiniges Verbot der gewerblichen Sterbehilfe hält der Verband für unzureichend, "denn es verhindert nicht, dass Angebote für organisierte Formen der Beihilfe zur Selbsttötung geschaffen werden". Verboten werden soll nach Ansicht des Verbandes auch jede Form der Werbung.

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Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) fürchtet im Falle einer gesetzlichen Zulassung der ärztlichen Suizid-Beihilfe "erhebliche negative Auswirkungen auf das ärztliche Ethos und das Verständnis des ärztlichen Berufs". In ihrer 2008 veröffentlichten Orientierungshilfe "Wenn Menschen sterben wollen" lässt die Kirche jedoch die Option offen, dass es im äußersten Ernstfall für Ärzte einen Verantwortungs- und Handlungsspielraum zur Suizidbeihilfe geben muss. Bei der Suche nach einem angemessenen ethischen und rechtlichen Umgang mit der ärztlichen Suizid-Beihilfe gehe es "um eine schwierige Gratwanderung, bei der der Situation der Betroffenen und der Gewissensentscheidung von Ärztinnen und Ärzten ebenso Rechnung getragen werden muss wie den Aspekten des ärztlichen Ethos".

Der frisch gewählte neue EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sprach sich in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" für ein Verbot kommerzieller Sterbehilfe-Vereine aus. "Tötung auf Verlangen ist unnötig, wenn wir die Palliativmedizin ausweiten und Sterbende besser begleiten", sagte Bedford-Strhom, der auch Landesbischof in Bayern ist. Zugleich räumte er ein: "Selbstbestimmung, wenn jemand keine Therapie mehr will, ist wichtig. Schmerzminderung kann auch dann richtig sein, wenn sich das Leben dadurch verkürzt." Hinsichtlich des ärztlich assistierten Suizids hält der EKD-Ratsvorsitzende aber "keine neuen strafrechtlichen Regelungen" für nötig. "Eine normative Freigabe des Tötens auf Verlangen und des assistierten Suizids darf es nicht geben", ergänzte der Theologe.

Die katholische Bischofskonferenz lehnt "alle Formen der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zur Selbsttötung" strikt ab. Die katholische Kirche fordert, alle Formen der Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe zu stellen, "um zu verhindern, dass diese als normale gesellschaftliche Dienstleistung angeboten und wahrgenommen werden". Auch wenn der Tod nicht gewollt ist, sind nach Ansicht der katholischen Kirche schmerzlindernde Mittel einzusetzen, die das Leben verkürzen können. Auch Behandlungsverzicht und -abbruch sind aus katholischer Sicht erlaubt, wenn keine Heilung mehr möglich ist.