Die neuen Medien verändern nach Einschätzung des Münsteraner Theologen Christian Grethlein den herkömmlichen Kirchenbegriff. Die Digitalisierung der Gesellschaft stärke die Bedeutung der einzelnen Menschen auf Kosten von Sozialformen, die heute als "Kirche" oder Gemeinde" erfasst würden, sagte er am Montag vor der Synode der Evangelischen Kirche (EKD) in Dresden. Allerdings umfasse der Begriff "Kirche" mehr als das, was man als Gemeinde, Landeskirche oder auch EKD im Blick habe.
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Mit seinem biblisch begründeten Konzept des Priestertums aller Getauften sei der Protestantismus theologisch, aber nicht organisationsmäßig "gut gerüstet für die neue Situation", ergänzte Grethlein. So bildeten sich im Netz neue Formen der Kommunikation des Evangeliums heraus. Dabei werde der Begriff der Autorität durch Authentizität abgelöst. Entscheidend für die Rezeption sei nicht lehrmäßige Kohärenz, sondern "Lebensdienlichkeit".
Die Internetbotschafterin der Bundesregierung, Gesche Joost, verwies auf die "digitale Spaltung" in der Gesellschaft. Diese betreffe nicht nur Altersgrenzen, sondern auch soziale Schranken. Die Berliner Designforscherin verlangte eine differenzierte Debatte über die technologischen Entwicklungen. Sie sprach sich dafür aus, nicht nur auf digitale Eliten zu schauen, sondern Zugänge durch Inklusion zu gestalten und vor allem junge Menschen durch neue Formate einzubeziehen.
Nach den Worten der Bonner Medienwissenschaftlerin Caja Thimm ist der Prozess der Mediatisierung unaufschiebbar und unaufhaltbar. "Wir können nichts dagegen, aber viel dafür tun." Alle großen Kirchen seien im Netz mit vielfältigen Angeboten unterwegs, erläuterte Thimm. Allerdings hätten soziale Medien wie Facebook ihre eigenen Regeln und Kulturen, die von vielen nicht verstanden werden. "Die Kirche muss die Netzkultur verstehen", sagte die Forscherin.
Die EKD-Synodentagung steht unter dem Schwerpunktthema "Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft". Dazu will das Kirchenparlament eine Erklärung verabschieden. Ein Entwurf der sogenannten Kundgebung war zuvor auf der Internetseite evangelisch.de zur Diskussion gestellt worden.