Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der EKD bis zum 9. November 2014, 24 Uhr.
Foto: epd/Norbert Neetz
Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der EKD bis zum 9. November 2014, 24 Uhr.
Prägnante Gedanken zur Liebe unter den Menschen
Der letzte Ratsbericht von Nikolaus Schneider auf der EKD-Synode
Nikolaus Schneider hat vor der EKD-Synode seinen letzten Bericht als Ratsvorsitzender gehalten. Die Ökumene zum Reformationsjubiläum 2017, Flüchtlinge auf der Suche nach Heimat, Waffenlieferungen in Krisengebiete, Sterbehilfe: Nikolaus Schneider ließ keines der großen Themen aus.

Der 9. November ist ein besonderer Tag, sagte Nikolaus Schneider zu Beginn seines Berichtes vor der EKD-Synode. Sowohl für Deutschland als auch für ihn, denn es war Schneiders letzter Bericht als Ratsvorsitzender. "Was ist Liebe?“ fragte der Ratsvorsitzender, und antwortete direkt mit einem Zitat aus 1. Johannes 4,8: "Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht, denn Gott ist die Liebe.“ Die Passionsgeschichte bewahre uns außerdem davor, "die Liebe Gottes gleichzusetzen mit der Verheißung eines leidfreien Lebens“. Prägnante Gedanken des scheidenden Ratsvorsitzenden, der aus Liebe zu seiner an Krebs erkrankten Frau Anne sein Amt aufgibt.

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Aber die unvoreingenommene Liebe Jesu Christi kann auch dabei helfen, in theologischen Disputen die Rechthaberei zu vermeiden, meinte Schneider, und leitete damit über zu einer klaren Unterstützung der Schrift "Reformation und Freiheit“, die sowohl theologische als auch ökumenische Diskussionen ausgelöst hatte. Schneider bekräftigte das lutherische Verständnis von Rechtfertigung als "Schlüssel der Reformation“. Die Erinnerung an die von Gott gegebene Freiheit diene zum Lobe Gottes und könne daher auch als "ökumenisches Band“ dienen. Ausdrücklich wünschte sich Schneider, dass "Rechtfertigung und Freiheit“ mit Blick auf 2017 für alle "orientierend und inspirierend“ wirken solle.

In der Zeit bis dahin stehen für die EKD aber noch andere Herausforderungen an. Zum Beispiel mit Blick auf die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) die religiöse Erziehung stärker zu verankern, durch Religions- und Konfirmationsunterricht, Glaubenskurse für Erwachsene und die Arbeit mit Familien, sagte Schneider. Denn die religiöse Erziehung geschieht zunehmend nicht mehr in den Familien selbst. "Die Zukunft der Volkskirche entscheidet sich in ihrer öffentlichen und kompetenten Präsenz“ vor allem durch die Pfarrerinnen und Pfarrer, betonte Schneider. Damit öffnete er den Blick in eine Richtung, die eher weg weist von den "Leuchttürmen“ des Reformprozesses und den Blick wieder auf die Gemeinden vor Ort richtet. Das wird eine der Diskussionen sein, denen sich sein Nachfolger an der Spitze des Rates der EKD stellen muss.

Angst darf nicht zu Abschottung führen

Spannend wird auch, wie sich der oder die nächste Ratsvorsitzende der EKD in Sachen Krieg und Frieden positioniert. Nikolaus Schneider hatte die Waffenlieferungen der Bundesregierung in das Krisengebiet im Nordirak befürwortet. Vor der Synode bekräftigte er, er sehe die "ultima ratio“ des militärischen Einsatzes mit Blick auf die Gräueltaten der Terrorgruppe IS als gegeben. Beten und Nothilfe sei die erste Priorität, aber diese Hilfe könne nur erfolgreich sein, wenn zugleich die Verursacher der Not gestoppt würden. Dem Rad müsse in die Speichen gegriffen werden, zitierte Schneider Dietrich Bonhoeffer, auch wenn wir selbst dabei nicht schuldfrei blieben.

Die nach Krieg und Frieden wird innerhalb der evangelischen Kirche noch weiter heiß diskutiert, mit Margot Käßmann an der Spitze der konsequent pazifistischen Forderungen. Bisher, berichtete der Ratsvorsitzende in der anschließenden Pressekonferenz, sei es aber gelungen, bei allen Differenzen die Diskussion mit Respekt zu führen, übrigens auch mit den Vertretern der Islamverbände dazu, wie sich Christen und Muslime gemeinsam für den Rechtsstaat und gegen Extremisten aufstellen könnten.

An anderer Stelle fehlt laut Schneider aber der Gesellschaft durchaus Respekt vor der Menschlichkeit: Abwehr und Ungastlichkeit prägen den Umgang mit Flüchtlingen, kritisierte Schneider, und lieferte auch eine Erklärung dafür: "Unser Lebensstandard lässt sich nur halten und verteidigen, wenn wir die Bedürfnisse und Nöte der Armen nur in begrenzter Dosis an uns heranlassen.“ Gerade mit Blick auf  die Flüchtlinge, die in Europa eine neue Heimat suchen, dürfe diese Angst nicht zu Abschottung führen, mahnte Schneider.

"Immer Pfarrer geblieben"

Sich gegenseitig in Liebe anzunehmen gelingt vielen Menschen aber eher, wenn es um ihre eigene Familie geht. Und da kann Nikolaus Schneider aus der vollen Erfahrung seines Lebens schöpfen. Gemeinsam mit seiner Frau hat der scheidende Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche eine gewichtige Stimme in der Debatte um Sterbehilfe verschafft.

Auch vor der Synode ging er auf das Thema ein und wünschte sich, dass das Sterben als eine "Lebensphase" erlebt werden könne. Der menschenwürdige Umgang mit Menschen an ihrem Lebensende dürfe nicht am Geld scheitern. Palliativmedizin und Hospizversorgung müsse ausgebaut werden, ein Rechtsanspruch auf Sterbebegleitung im Gegensatz zu aktiver Sterbehilfe sei denkbar. Schneider bekräftigte die grundsätzliche ethische Ablehnung eines Rechts auf "assistierten Suizid“. Er betonte aber auch, eine vorbehaltlose Annahme der Menschen im Sinne der Liebe Gottes "kann mich in einer konkreten Situation dann auch dazu bewegen, Menschen liebevoll zu begleiten, auch wenn sie einen gegen meine eigene theologische Überzeugung gewählten Weg des Sterbens gehen."

Mit großem Applaus nahm die EKD-Synode den Bericht des scheidenden Ratsvorsitzenden an. Nikolaus Schneider sei "immer Pfarrer geblieben", lobte Synodenpräses Irmgard Schwaetzer hinterher. Ein Pfarrer, der den Blick der EKD auf entscheidende Fragen für die kommende Zeit gelenkt hat - und der sich nicht ohne Wehmut von seinem Amt verabschiedet. Am Dienstag will die Synode einen Nachfolger wählen.