Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand
Evangelischer Religionsunterricht soll weltoffener werden
Der evangelische Religionsunterricht an den Schulen soll stärker auf andere Religionen und Weltanschauungen zugehen. Das empfiehlt die Evangelische Kirche in Deutschland in der neuen Denkschrift "Religiöse Orientierung gewinnen", die am Donnerstag vom scheidenden Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider in Berlin vorgestellt wurde.

Schneider betonte, dass auch Kooperationen mit der katholischen Kirche beim Religionsunterricht vertieft werden müssten. Bislang gibt es entsprechende Vereinbarungen nur in Niedersachsen und Baden-Württemberg. Derartige Kooperationen sollten künftig bundesweit ausgeweitet werden.

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Zuletzt hatte die EKD eine Denkschrift zum Religionsunterricht nach der deutschen Wiedervereinigung vorgelegt. Damals sei es um die Herausforderung gegangen, den in den westdeutschen Bundesländern etablierten Religionsunterricht den östlichen Ländern zu empfehlen. Ziel der neuen Denkschrift sei nun, Impulse für eine künftige "religionssensible" und "pluralitätsfähige" Schule zu geben.

"Wir leben heute in einer pluralisierten Welt", sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Wie in der Gesellschaft seien an den Schulen verschiedene Glaubenshintergründe bei den Schülern Realität. Der Religionsunterricht müsse zu einem friedlichen Lernen miteinander und einem souveränen Umgang mit einer pluralisierten Gesellschaft befähigen. "Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf religiöse Bildung" sagte Schneider. Denn nur "wer in der eigenen Identität verwurzelt ist, kann das Fremde besser wahrnehmen".

Interreligiöse Bildung "nicht nur gelegentlich"

Für Frieden und Toleranz sei eine wechselseitige Anerkennung wichtig, sagte Professorin Annette Scheunpflug von der Universität Bamberg. Sie ist Vize-Vorsitzende der Kammer der EKD für Erziehung, Bildung, Kinder und Jugend. Religionsunterricht sei der Ort, an dem die Herausforderungen der religiösen Pluralität vor Augen geführt und die eigenen Positionen im Dialog reflektiert werden sollten.

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Friedrich Schweitzer, Professor für praktische Theologie an der Universität Tübingen und Vorsitzender der EKD-Kammer, sagte, interreligiöse Bildung sollte "nicht nur gelegentlich" stattfinden, sondern "Kernaufgabe" des evangelischen Religionsunterrichts sein. So seien in den Schulen mehr Kooperationen des Christentums mit dem Islam und dem Judentum nötig. Dies sei auch ein Beitrag, fundamentalistischen Orientierungen entgegen zu wirken.

Mehr Kooperationen sollte es zudem zwischen Religions- und Ethikunterricht geben. Schweitzer betonte, "nicht alle konfessionslosen Menschen sind Atheisten". Der Religionsunterricht sollte Kinder und Jugendliche in die Lage versetzen, sich kompetent mit der Vielheit der Anschauungen auseinanderzusetzen. Ebenso gehöre eine Auseinandersetzung mit zeitkritischen Ereignissen wie etwa dem Terroranschlag auf das Word-Trade-Center vom 11. September 2001 oder die aktuelle Lage in Syrien in den evangelischen Religionsunterricht.

Auch konfessionslose Kinder nehmen teil

Schweitzer bezeichnete es auch als wünschenswert, wenn in den Schulen mit einem größeren Anteil zum Beispiel von muslimischen oder konfessionslosen Kindern etwa über Weihnachten, Ramadan oder andere religiöse Feiertage diskutiert werde. "Man kann nicht alle Feste gemeinsam feiern. Aber man kann sie darstellen und verständlich machen", empfahl Schweitzer.

Grundsätzlich wird in der Denkschrift ein wachsendes Interesse am evangelischen Religionsunterricht registriert. Trotz der sinkenden Zahl evangelischer Schüler sei die Teilnehmerzahl am evangelischen Religionsunterricht in den vergangenen Jahren insgesamt deutlich gestiegen. In verschiedenen Ländern sei der Anteil junger Menschen, die an diesem Unterricht teilnehmen, ohne selbst evangelisch zu sein, stark gewachsen.

Im Westen seien dies fast 25 Prozent, in östlichen Bundesländern wie etwa Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen deutlich mehr. "Offenbar gelingt es hier, auch konfessionslosen Kindern und Jugendlichen ein für sie sinnvolles Lernangebot zu machen", folgern die Autoren.