Etwa 20 Muslime - Männer, Jugendliche und Kinder - haben sich am Samstagabend vor der Osnabrücker Stadthalle aufgestellt. Sie halten Plakate mit Parolen gegen den Kabarettisten Dieter Nuhr in die Höhe, rufen zum Boykott seiner Show auf. "Dieter Nuhr erzählt Lügen über den Islam", steht auf einem Plakat. Eine Tafel zeigt den Kopf des Kabarettisten in einem roten Kreis mit rotem Balken und der Unterschrift: "Stoppt den Hassprediger."
Nuhr weist den Vorwurf zurück, gegen den Islam zu hetzen. Er bleibe aber dabei, vor den Gefahren des radikalen Islam zu warnen, sagte der Satiriker der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Auch habe er kein Interesse daran, Muslime zu beschimpfen. Er wolle sich aber weiter kritisch mit dem Islam auseinandersetzen, sagte er der "Welt am Sonntag". Nuhr warnte davor, den Islam aus Angst vor möglichen Reaktionen nicht öffentlich zu kritisieren und den Protest den Rechten zu überlassen.
Muslime: Dieter Nuhr hetzt gegen den Islam
Den Protest in Osnabrück hat Erhat Toka organisiert. Er sehe es als seine Pflicht an, sich als gläubiger Muslim gegen die Diffamierung des Islam durch Nuhr zur Wehr zu setzen, ruft er in sein Megafon: "Das ist meine Form des Dschihads." Er wolle die Besucher des Kabarettabends warnen: "Seid wachsam, wenn ihr da jetzt reingeht, lacht nicht über alles." Vor einigen Tagen hat Toka zudem Anzeige erstattet gegen Nuhr wegen "Beschimpfung eines Bekenntnisses oder einer Religionsgesellschaft".
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Die Passanten reagieren größtenteils gelassen auf die Demonstranten. Das sei ihr demokratisches Recht. Sie zeigen jedoch kein Verständnis dafür, dass die Muslime sich verletzt fühlen durch Spott auf ihre Religion: "Das ist doch Anstellerei, Spaß ist Spaß", sagt ein junger Mann. Wer in Deutschland lebe, müsse auch Satire ertragen, ist der Tenor.
Toka ist Chef einer Kampfsportschule in Osnabrück und Deutscher mit türkischen Wurzeln. Er kennt seine Rechte und weist einige wenige Passanten zurecht, die ihm zurufen, er solle doch in die Türkei gehen: Er nutze nur seine Meinungsfreiheit, sagt er. Nuhr versuche unter dem Deckmantel des Kabaretts gegen den Islam zu hetzen und ihn in eine intolerante und gewalttätige Ecke zu stellen. Dabei sei der Islam die friedliebendste Religion überhaupt.
Nuhr startet drinnen sein Programm gleich mit Satire auf den Islam. Er erkläre sich solidarisch mit den Forderungen der Demonstranten: Keine Lügen über den Islam - das sei ganz in seinem Sinne. Deshalb habe er sich schon vor Jahren einen Koran gekauft, "damit ich weiß, was ich sagen darf", bekennt er und ergänzt: "Das ist nicht viel!"
Dieter Nuhr: Auch Muslime werden diesen Humor irgendwann verstehen
Aber er gestehe den Muslimen zu, dass sie sich noch weiterentwickeln und irgendwann auch Humor und Comedy verstehen könnten, fügt der Kabarettist hinzu, der am 29. Oktober 54 Jahre alt wird. Das Publikum ist auf seiner Seite und quittiert jede Anspielung auf die Demonstranten, die er als Salafisten bezeichnet, mit Gelächter und Applaus.
Draußen reagiert Toka heftig auf Vorwürfe von Passanten, Muslime töteten im Irak und anderen Ländern des Nahen Ostens Andersgläubige: Die meisten Menschen, die in den vergangenen Jahren durch Angriffe der USA im Irak gestorben seien, seien Muslime. Und mit der Terrormiliz "Islamischer Staat" wolle er, Toka, nichts zu tun haben.
Bei Nuhr mischen sich in den Spott mitunter ernste Töne. Er habe nach Bekanntwerden der Anzeige gegen ihn über die Medien vielfach unberechtigte Kritik einstecken müssen, sagt er: "Da wird ja immer gleich die Moralkeule des Rassismus rausgeholt."
Seine Kritik am Islam wiederholt der Kabarettist jedoch auch an diesem Abend. Ein Satz wie etwa in Sure neun "Tötet die Ungläubigen", spreche für sich, zumal der Koran ausschließlich aus Handlungsanweisungen bestehe. Zu der Aussage, dass der Islam nur dann tolerant sei, wenn er nicht an der Macht sei, stehe er nach wie vor, wenngleich sie bereits acht Jahre alt sei.
Verständnis äußert Nuhr hingegen für die vielen in Deutschland lebenden Muslime, "die mit Islam oder Islamismus gar nichts am Hut haben oder die nur mal so pro Forma in die Moschee gehen. Die werden jetzt alle mit den Radikalen in einen Topf geworfen. Das find ich ganz, ganz schlimm und die tun mir echt leid."