Foto: epd-bild/mck
Flüchtlinge sitzen vor der Bayernkaserne in München.
Das lange Warten nach der Flucht
1.700 statt 1.200 Flüchtlinge: Ein Blick hinter die Mauern der Münchener Bayernkaserne offenbart dieser Tage das ganze Ausmaß staatlicher Überforderung. Unter unwürdigen Bedingungen schlagen die Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung die Zeit tot. Anlass zur Hoffnung gibt das Engagement vieler Bürger.
22.10.2014
epd
Daniel Wenisch

Eine auf das Tor gemalte Sonne und Blumenbilder zieren den Eingang zur Bayernkaserne. Hinter der rund zwei Meter hohen Mauer liegt das Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im Münchner Norden. Die Flüchtlingsunterkunft ist vollkommen überfüllt. Beißender Uringestank steigt beim Betreten der Häuser in die Nase. Über den Zaunreihen hängt Wäsche zum Trocknen. Für den Winter ist sie viel zu dünn.

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Drei Tage habe er nach seiner Ankunft in dem Lager auf eine Decke und einen Schlafplatz warten müssen, berichtet ein 22-jähriger Mann aus Somalia. Nach seiner mehrmonatigen Flucht, die ihn über Libyen und das Mittelmeer nach Europa führte, habe er tagelang kein Auge zugetan. Ein Jugendlicher aus dem Senegal kritisiert vor allem die hygienischen Verhältnisse. "Es gibt viel zu wenig Toiletten und Duschen für die vielen Menschen", sagt er.

Der in der vergangenen Woche verhängte Aufnahmestopp für neue Flüchtlinge gilt weiterhin. Am Montagabend waren laut Angaben der Stadt München rund 1.700 Flüchtlinge in der Bayernkaserne untergebracht; ausgelegt ist die Erstaufnahmeeinrichtung nur für 1.200.

Zwar beschloss die bayerische Staatsregierung am Dienstagnachmittag einen "Winter-Notfallplan", wodurch 20.000 bis 30.000 Flüchtlinge schnell versorgt werden können. Auch die medizinische Versorgung der Flüchtlinge und die Verteilung der Menschen auf die Unterkünfte sollen laut Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) schnell verbessert werden. Huber sagte jedoch auch: "Ich behaupte nicht, dass wir alles wieder im Griff haben." Zumindest die Schwachstellen seien aber gefunden worden.

"In diesem Umfang noch nicht erlebt"

Der bevorstehende Winter bereitet dem Vorstand der für die Asylsozialberatung zuständigen Inneren Mission München, Günther Bauer, kein Kopfzerbrechen. "Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wird niemand draußen schlafen müssen", gibt er sich überzeugt. Zum einen sollten die Flüchtlinge möglichst bald auf andere Unterkünfte verteilt werden; "und außerdem gibt es ja notfalls sehr viele hilfsbereite Menschen". Es sei nun aber eine "große Lösung" notwendig, sagt Bauer. Sowohl der Bund als auch der Freistaat müssten schnellstmöglich Liegenschaften zur Verfügung stellen, um in der Erstaufnahmeeinrichtung für Entspannung zu sorgen.

Das Leid der Flüchtlinge in der Bayernkaserne hat in den vergangenen Tagen in ganz Bayern Entsetzen und eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. "In diesem Umfang habe ich das noch nicht erlebt", sagt Bauer über die Unterstützungsangebote aus der Münchener Bevölkerung. Die Innere Mission ist in der Einrichtung für die Asylsozialberatung verantwortlich.

Abwechslung gibt es in der ehemaligen Kaserne der Bundeswehr kaum. Für die meisten Bewohner - zum größten Teil junge Männer - sind Ausflüge mit der U-Bahn in die Stadt die einzige Ablenkung. Viele sitzen auf dem Gelände stundenlang herum und starren vor sich hin. Einen Volleyball über ein zerrissenes Netz zu spielen, lässt eine Gruppe zumindest vorübergehend den Alltag vergessen. "Dass man nichts zu tun hat, ist das Schlimmste", sagt eine junge Frau aus Syrien. Denn in der Langeweile stiegen immer wieder die schrecklichen Bilder aus der Heimat in den Kopf. Sie hofft, die Einrichtung möglichst noch vor dem Winter verlassen zu können. "Aber im Moment geht einfach alles sehr langsam", sagt sie.