Schauspielerin Maren Kroymann
Foto: dpa/Bernd Settnik
"Man darf als Frau nicht zimperlich sein"
Sie passt in keine Schublade: Die Kabarettistin, Feministin, Schauspielerin und Sängerin Maren Kroymann, die bei ihren Auftritten grundsätzlich kein Blatt vor den Mund nimmt. In ihrer neuen Komödie "Zu mir oder zu dir?" am Sonntag, 19. Oktober, um 20.15 Uhr im ZDF zieht sie den ewigen Kampf der Geschlechter und das Ringen um Gleichberechtigung durch den Kakao.

Die 65-Jährige spielt die erfolgreiche Bauingenieurin Christiane, eine kampferprobte Emanze. Dummerweise verliebt sich Christiane ausgerechnet in den reichen Sonnyboy Christoph (Walter Sittler), den Freund ihrer blutjungen Assistentin – der Beginn eines amüsanten Wechselbads aus Geschlechterkrieg und reifer Amour fou.

Frau Kroymann, in Ihrer neuen TV-Komödie fällt der Satz: "Als Frau musst Du Haare auf der Brust haben." Ist das so?

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Maren Kroymann: Das ist natürlich drastisch formuliert. Denn es bedeutet ja: Um alleine deine Frau zu stehen, musst du so drauf sein wie ein Kerl. Aber man darf jedenfalls nicht zimperlich sein, muss einstecken können und durchziehen, was man machen möchte. Leider werden Mädchen aber oft dazu erzogen, empfindlich zu sein: "Hach, es regnet, ich kann jetzt nicht raus."

Werden Frauen heute immer noch zu Tussis erzogen?

Kroymann: Wenn man guckt, wie Mädchen sozialisiert werden, etwa mit Sendungen wie "Germany’s Next Topmodel": Da geht es um Schönsein, Dünnsein, um extrem dem weiblichen Geschlecht zugeordnete Eigenschaften. Allein schon wegen der enormen Visualisierung der Gesellschaft durch die Medien werden Mädchen stark über Aussehen wahrgenommen, das ist mindestens so ausgeprägt wie in den 50er Jahren. Das ist ein Rückschritt. Mädchen kriegen immer noch viel mehr positives Feedback, wenn sie dünn sind und tolle Klamotten tragen, als wenn sie einen klugen Satz sagen.

Aber gibt es nicht eine neue Generation von Frauen, die auch mal einen Rock anziehen können, ohne dabei gleich in die Rolle des Heimchens am  Herd zu verfallen?

Kroymann: Doch, diese Entwicklungen existieren nebeneinander. Das Selbstbewusstsein ist viel größer als im Vergleich zu uns, der Nachkriegsgeneration. Das erlaubt den jungen Frauen, das zu machen, was sie wollen und sich nicht darum zu scheren, was gesagt wird. Natürlich ist jemand wie Verona Pooth total selbstbewusst, obwohl sie ein Frauenbild wie in den 50er Jahren verkörpert. Aber sie verdient ihr eigenes Geld und ist eine erfolgreiche Unternehmerin – präfeministisch im Frauenbild, postfeministisch im Geschäftsgebaren. Ein absolutes Erfolgsrezept.

"Viele jüngere Männer haben keine Probleme mit Frauen, die wissen was sie wollen"

Haben Männer heutzutage nach wie vor Angst vor starken und erfolgreichen Frauen?

Kroymann: Ich weiß nicht, ob sie Angst haben. Sie sind manchmal auch durchaus angezogen von starken Frauen. Aber im Zusammenleben ist es schwieriger. Früher hat die Frau zu Hause auf ihren Mann gewartet und dann mit ihm schöne Gespräche über die männliche Arbeit geführt. Jetzt haben die Frauen selber Stress und verlangen Zuwendung. Das fordert eine Veränderung im Verhalten von den Männern, davor scheuen viele zurück. Aber auch das ändert sich langsam.

Woran machen Sie das fest?

Kroymann: Ich fühle mich zum Beispiel bei der Arbeit mit jungen Regisseuren total wohl. In der Zeit nach meinem Coming-out als Lesbe, als Feministin war ich ja sowieso schon bekannt, waren bestimmte Männer aus meiner Generation vorurteilsbeladen bis angewidert und wollten mit so jemandem einfach nicht arbeiten. Die wollten lieber pflegeleichtere jüngere Frauen, kuscheligere Frauen, die nicht selber denken und nicht fragen: "Warum steht denn das im Drehbuch? Das ist ja Quatsch." Mit den Jüngeren geht es total gut, die Generation, die mein Sohn sein könnte. Oft sind es Söhne von alleinerziehenden Müttern, die haben ganz viel mitgekriegt über Frauenrollen und haben keine Probleme mit Frauen, die wissen was sie wollen. Ich profitiere jetzt von meinem Alter. Durchhalten ist alles, man darf einfach nicht früh sterben (lacht).

Vor wenigen Tagen haben sich zahlreiche deutsche Regisseurinnen zu "Pro Quote Regie" zusammengeschlossen und fordern eine Frauenquote bei der Vergabe von Regieaufträgen. Sie kritisieren, dass in Kino- und Fernsehfilmen nach wie vor eine männliche Sicht auf die Welt inszeniert werde. Sehen Sie das auch so?

Kroymann: Es gibt eine wissenschaftliche Untersuchung dazu, wie Frauen in Filmen dargestellt werden, und das Ergebnis ist erschütternd: Wenn Frauen sich im Film unterhalten, ist es zu 85 Prozent ein Mann, über den sie sprechen. Man kann sich nur wünschen, dass sich das ändert. Ich glaube, dass eine Quotenforderung für Regie sehr sinnvoll ist. Bei Drehbuchautorinnen ist der Frauenanteil zwar höher, aber sie machen oft klassische Frauenthemen, und eine Hera-Lind-Verfilmung hat ja nichts mit Emanzipation zu tun.

"Unser Film zeigt das Ringen einer souveränen Frau inklusive der Widersprüche"

Ist "Zu mir oder zu dir?" ein emanzipierter Film?

Kroymann: Ich finde ihn emanzipiert. Ich spiele eine souveräne Frau, die ihr eigenes Büro hat. Das gab es in den vergangenen Jahren zwar öfter, seit das Fernsehen gemerkt hat, dass die alte Serienmutti, die Vati die Pantoffeln hinstellt, nicht mehr funktioniert. Aber auf diese voremanzipierte Frau folgte die überemanzipierte, die ganz selbstverständlich Hubschrauberpilotin oder Chefärztin war, und das entsprach ja nicht der Realität. Der Kampf um das Rollenbild wurde ausgeklammert – das Fernsehen will ja keinen Kampf abbilden, sondern heile Welt. Unser Film zeigt einen Stück von diesem Ringen inklusive der Widersprüche.

Und das mit einem Augenzwinkern: Als sich die Filmheldin verliebt, gerät ihr feministisches Selbstbewusstsein ins Wanken…

Kroymann: Nach diesen ganzen emanzipierten "Tatort"-Kommissarinnen mit tiefer Stimme finde ich eine Frau, die Brüche zeigen darf, deren Souveränität bröckelt, toll. Ich finde es ja gut, dass es diese Ermittlerinnen gibt. Aber da ist vielleicht etwas zu viel des Guten passiert, die sind immer so großartig und kriegen alles hin. Die Frau, die ich spiele, verliert ihre Souveränität und benimmt sich plötzlich wie ein verunsicherter Teenager – das zu spielen hat richtig Spaß gemacht.

"Liebe ist Liebe, das bleibt sich gleich"

Wie ist das eigentlich mit dem Verlieben, wenn man älter wird: Geht das genauso leicht wie in jungen Jahren?

Kroymann: Ich habe mich auch schon im älteren Zustand verliebt, und es geht ziemlich gut. Es hat aber nicht mehr dieses jähe Auflodern und vielleicht schnell wieder Verlöschen, sondern fußt auf einer breiteren Basis. Schon auch mit Herzklopfen – aber es braucht ein bisschen.

Ist eine Beziehung unter Frauen einfacher als eine heterosexuelle Partnerschaft?

Kroymann: Liebe ist Liebe, das bleibt sich gleich. Was vielleicht leichter ist unter Frauen: Die persönlichen Differenzen fallen nicht gleich in dieses generalisierte Mann-Frau-Schema: "Du bist typisch Mann, Du bist ein Macho!" Aber ansonsten kann einem emotional alles passieren, was einem in einer heterosexuellen Beziehung auch passieren kann.