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TV-Tipp des Tages: "Mordkommission Istanbul: Die zweite Spur" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Mordkommission Istanbul: Die zweite Spur", 16. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten
Der Film beginnt mit einer eindrucksvollen Kamerafahrt über einen Park. Die Kamera folgt einer Joggerin, die einen Toten entdeckt. Später stellt sich raus, dass der Mann das Wachpersonal im nahe gelegenen Archäologischen Museum geleitet hat. Umgehend stößt Kommissar Mehmet Özakin im Umfeld des Wächters auf mehrere Menschen, die unterschiedlichste Motive hätten.

Manchmal tut man sich mit einem Eigenlob keinen Gefallen. "Auch in der zehnten Episode der erfolgreichen Krimireihe ‚Mordkommission Istanbul’", bewirbt die ARD den Film "Die zweite Spur", "geht das bewährte Erfolgsrezept auf." Das ist zwar gut gemeint, wird dem Krimi aber nicht gerecht: Die Einschätzung klingt, als habe Stefan Kuhlmann bei seinem zweiten Drehbuch für die Reihe bloß die bewährten Zutaten neu gemischt. Natürlich hat er nicht auf die typischen Merkmale verzichtet. Darüber hinaus jedoch ist "Die zweite Spur" ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man sich – im Gegensatz etwa zu den Donna-Leon-Verfilmungen aus Venedig - eben nicht auf einem bewährten "Erfolgsrezept" ausruht.

Die dritte Spur

Der Film beginnt mit einer eindrucksvollen Kamerafahrt über einen Park. Die Kamera folgt einer Joggerin, die einen Toten entdeckt. Später stellt sich raus, dass der Mann das Wachpersonal im nahe gelegenen Archäologischen Museum geleitet hat. Umgehend stößt Kommissar Mehmet Özakin (Erol Sander) im Umfeld des Wächters auf mehrere Menschen, die unterschiedlichste Motive hätten, allen voran ein entlassener Kollege, der wiederum unfreiwillig seinen Sohn belastet: Der jähzornige junge Mann liebt die Tochter des Toten und will mit ihr nach Deutschland auswandern, was ihr Vater nie erlaubt hätte. Streng genommen ist es also nicht die zweite, sondern die dritte Spur, die Özakin und seinen getreuen Kollegen Mustafa (Oscar Ortega Sánchez) in eine ganz andere Richtung ermitteln lässt, denn diese Spur führt die Kommissare zum Arbeitsplatz des Opfers.

"Mordkommission Istanbul" hat dank des vergleichsweise exotischen Istanbuls ohnehin immer wieder faszinierende Bilder zu bieten, aber die Arbeit des Kameraduos René Richter und Nathalie Wiedemann stellt die bisherigen Filme in den Schatten. Das liegt zum einen am Drehort: In dem Archäologiemuseum wird eine Ausstellung über frührömische Siedlungen vorbereitet, was die Bilder geheimnisvoll erscheinen lässt. Aber auch die üblichen atmosphärischen Impressionen des Stadtbildes erfolgen auf besondere Weise. Einige der Zwischenschnitte sind mit Farbfilter fotografiert, bei anderen resultiert der Reiz aus der Komposition von Licht und Schatten; die Stadt spielt diesmal eine etwas andere Rolle als in früheren Filmen. Diese Handschrift wird nicht zuletzt mit dem Wechsel des Regisseurs zusammenhängen: Michael Kreindl hat sieben Beiträge der bislang neun Filme gedreht; Nummer zehn, "Die zweite Spur", ist von Thorsten Schmidt.

Auch der Tonfall hat sich leicht gewandelt. Mustafa wirkte in einigen der früheren Filme wie Özakins Sancho Pansa und war mitunter eine Witzfigur. Es gibt zwar auch diesmal eine komödiantische Ebene, aber sie ist eher satirisch als lustig (die Moschee in Mustafas Nachbarschaft hat neue Lautsprecher bekommen, jetzt wird er jeden Morgen um halb fünf vom Muezzin geweckt) und belässt dem Kollegen seine Würde. Außerdem ist "Die zweite Spur" bilderreicher, es gibt eine Menge Schauplatzwechsel und viele Straßenszenen, und Erol Sander muss in einigen sehr überzeugend inszenierten Verfolgungsjagden seine Fitness beweisen. Nicht nur deshalb ist er der uneingeschränkte Star des Films: Sander spielt den Kommissar einerseits schnörkellos, andererseits subtil genug, um einige seiner Handlungen als Kommentar zur antiquierten Haltung seiner Mitmenschen zu verstehen. Dieser Perspektive entspricht nicht nur Özakins Gattin (Idil Üner), sondern vor allem die Leiterin des Museums, Nesrin Günes. Marie Lou Sellem passt schon rein äußerlich perfekt in die Szenerie, überzeugt aber auch als Frau, die sich in einer Männerwelt durchgesetzt hat, ohne deshalb dem üblichen Klischee solcher Figuren zu entsprechen.

Schmidt hat Kuhlmanns Drehbuch enorm dicht umgesetzt; der Rhythmus des Films sorgt dafür, dass die innere Spannung nicht einen Moment nachlässt. Einige Fehler fallen daher kaum ins Gewicht: Der Tote ist angeblich durch einen Stich ins Herz gestorben; in der Rückblende am Ende trifft ihn die Stichwaffe im Bauch. Dass Özakin bei einer persönlichen Einladung am Tag vor der Ausstellungseröffnung nicht nur seine Frau, sondern auch deren Schulkasse ins Museum mitbringt, ist allerdings kaum glaubwürdig. Der wenig elegante Einfall ist allerdings nötig, um den Kommissar auf die richtige Spur zu bringen, denn ein Junge zerdeppert eine antike Amphore. Aber das sind Kleinigkeiten, die schon allein durch Andreas Kosliks großartige Musik wettgemacht werden.