Die Ärztin Hawanatu Jah will in ihrem Geburtsland Sierra Leone gegen die Ebola-Epidemie kämpfen
Foto: epd-bild/Elvira Parton
Die Ärztin Hawanatu Jah will in ihrem Geburtsland Sierra Leone gegen die Ebola-Epidemie kämpfen.
Die Not der Menschen spüren
Die deutsche Ärztin Hawanatu Jah reist zur Ebola-Hilfe nach Sierra Leone
Hawanatu Jah ist Ärztin in Osnabrück. Aufgewachsen ist sie in Sierra Leone. Angesichts der Ebola-Katastrophe fühlt die 32-Jährige mit den Verzweifelten. Sie weiß: Hilfe von Außen ist notwendig. Ab Mitte Oktober wird sie dort in einer Klinik arbeiten.
11.10.2014
epd
Martina Schwager

Die zierliche junge Frau mit dem festen, entschlossenen Blick macht nicht den Eindruck, als lasse sie sich allzu schnell von Emotionen mitreißen. Hawanatu Jah (32) sieht ihre bevorstehende Reise nach Sierra Leone ganz nüchtern und pragmatisch. "Hilfe von außen ist angesichts der Ebola-Katastrophe dort jetzt dringend notwendig. Und ich habe die besten Voraussetzungen: Ich bin Ärztin, spreche die Sprache und kenne die Kultur und die Gegebenheiten." Aber dann fügt sie, die in dem westafrikanischen Land aufgewachsen ist, noch hinzu: "Ich kann die Not der Menschen dort förmlich spüren."

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Die angehende Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Osnabrück wird ab Mitte Oktober für rund zwei Monate in der Hauptstadt Freetown in einer Kinderklinik arbeiten. Jah ist in Bo aufgewachsen, der zweitgrößten Stadt des Landes. Ihr Vater stammt von dort, ihre Mutter ist Deutsche. "Als ich zehn war, begann der Krieg und meine Mutter zog mit mir nach Deutschland", erzählt sie. Der Vater kam später nach. Fast seine gesamte Familie lebt noch in Sierra Leone. Seit einigen Jahren fliegt Hawanatu Jah ein bis zwei Mal im Jahr dorthin. Sie besucht Freunde und Verwandte, schaut sich Kliniken an und kümmert sich um ihr Hilfsprojekt.

Helfen ist Hawanatu Jah quasi in die Wiege gelegt. Sie sagt lieber "unterstützen", das klinge mehr nach Zusammenarbeit. Ihr Vater, der in Deutschland Medizin studiert hat, war einer der angesehensten Unfall-Chirurgen in Sierra Leone und Chefarzt der zweitgrößten Klinik des Landes. Ihre Mutter arbeitete bei der damaligen staatlichen Entwicklungshilfe-Organisation Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ, heute Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ).

Gemeinsam gründeten die Eltern 1987 die "Armenküche Bo" mit angeschlossener medizinischer Versorgung. Seit vier Jahren gehört auch ein Bildungsprogramm für Kinder und Jugendliche dazu. Mittlerweile leitet Hawanatu Jah als medizinische Koordinatorin das Projekt gemeinsam mit ihrem Cousin, der in Bo lebt.

"Es wäre schön, wenn die Unterstützung heute käme und nicht morgen"

Die Not in Sierra Leone sei angesichts der Ebola-Epidemie mit Händen zu greifen, berichtet Jah. Das Gesundheitssystem sei ohnehin praktisch nicht existent. "Ein Krankenhaus zu beschreiben, ist eigentlich ganz einfach: Es gibt keine Medikamente, kein Material und kaum Personal, aber jede Menge Patienten." Zur schlechten medizinischen Ausstattung komme noch die mangelhafte Aufklärung der Bevölkerung. "Die meisten haben keine Ahnung, wie man sich schützt und bei ersten Symptomen verhält. Sie bekommen widersprüchliche Anweisungen und wissen nicht, welchen sie glauben können." Deshalb sei schnelle Unterstützung von außen so wichtig, mahnt die 32-Jährige eindringlich.

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Kritisieren will sie das Zögern der Europäer nicht. "Bei uns sagt man niemandem ins Gesicht, dass er etwas falsch gemacht hat." Aber sie fügt dann doch hinzu: "Es wäre schön, wenn die Unterstützung heute käme und nicht morgen." Sie warnt, dass Ebola angesichts der hohen Ansteckungsgefahr und Sterblichkeitsrate kein auf Westafrika begrenztes Problem sei. "Das ist eine globale Katastrophe." Und noch deutlicher fügt sie hinzu: "Unterstützung ist in jeglicher Form notwendig - personell, medizinisch, finanziell - wenn Ihr nicht wollt, dass das Problem später auch in Euern Wohnzimmern hockt."

Dennoch, bei allem Engagement für ihre zweite Heimat: Auf eigene Faust und ohne gründliche Vorbereitung würde die Medizinerin niemals ins Ebola-Gebiet gehen. "Es geht nur mit einer erfahrenen Hilfsorganisation im Rücken, die einen absichert." Sie wird in einem Kinder-Krankenhaus arbeiten, das von der deutschen Notärzte-Organisation Cap Anamur geleitet wird. Sie wird auch nicht auf der Isolier-Station für Ebola-Infizierte arbeiten. "Ich bin keine Infektiologin. Ich werde aufklären und mich um die mittlerweile auch völlig zusammengebrochene medizinische Grundversorgung der Kinder kümmern." Das sei mit ihrer Ausbildung durchaus möglich.

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Mit Ebola werde sie dabei unweigerlich in Berührung kommen. "Jedes Kind, das mit Fieber und Bauchschmerzen kommt, muss isoliert werden, mindestens so lange, bis Ebola ausgeschlossen ist." Die junge Ärztin hat sich gut vorbereitet und hat während einer Fortbildung auch gelernt, wie man Schutzanzüge an- und auszieht. Das ist sie schon ihren Eltern schuldig: Die wollten ihr einziges Kind eigentlich nicht gehen lassen. "Aber ich habe ihnen gesagt, dass sie die beste Motivation für mich sind, gesund zurück zu kommen."