dpa/Ole Spata
Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der hannoverschen Marktkirche hatten die Veranstaltungen am Freitagmorgen in Hannover begonnen.
Tag der Deutschen Einheit: Merkel würdigt mutige DDR-Bürger
Am Tag der Deutschen Einheit schlägt die Bundeskanzlerin einen großen Bogen: Die Erinnerung an die friedliche Revolution in der DDR könne helfen, auch vor den aktuellen Krisen in der Welt nicht zu resignieren.

Bilanz zum Tag der Deutschen Einheit: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in ihrer Rede zum 3. Oktober ein positives Fazit des Zusammenwachsens nach der Wiedervereinigung gezogen. Die meisten Hoffnungen hätten sich erfüllt, Ostdeutschland habe gewaltige Fortschritte gemacht, sagte die Kanzlerin am Freitag beim zentralen Festakt in Hannover. Merkel ging in ihrer Rede auch auf die aktuelle weltpolitische Lage ein und sprach unter anderem den Konflikt in der Ukraine an, aber auch die Ebola-Epidemie und den Vormarsch der IS-Terroristen.

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Die Kanzlerin sagte, wenn heute fast jeder junge Mensch in Ostdeutschland der Meinung sei, dass ihm die Wiedervereinigung Vorteile gebracht habe, "haben wir in 24 Jahren deutsche Einheit nicht alles falsch, sondern vieles richtig gemacht". Wer durch ostdeutsche Städte gehe, erkenne "wie unendlich viel seit 1990 geleistet wurde".

Jedoch bleibe auch noch viel zu tun. Noch immer sei die Arbeitslosigkeit höher als in Westdeutschland, wenn auch aktuell so niedrig wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Die Bundeskanzlerin verwies zudem darauf, dass das Bruttoinlandsprodukt im Osten erst zwei Drittel des Westniveaus erreiche. Auch die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen den Ländern nach 2019 werde eine gewaltige Kraftanstrengung sein.

Trotz aller Fehler, Rückstände und Kosten ist die Wiedervereinigung nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ein politischer und wirtschaftlicher Erfolg. Zwar liege Ostdeutschland in vielen Bereichen wie Wirtschaftsleistung, Produktivität, Einkommen und insbesondere Vermögen auch 25 Jahre nach dem Mauerfall deutlich hinter Westdeutschland zurück, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher am Donnerstag in Berlin. Die erreichte Annäherung der Wirtschafts- und Lebensverhältnisse sei aber eine große ökonomische Leistung.

Merkel lobt Engagement der DDR-Bürger

Angesichts der aktuellen Krisen in der Welt sagte Merkel, es wäre die denkbar schlechteste Antwort, vor der Größe der Aufgabe zu kapitulieren. Die Erinnerung an die Ereignisse von 1989 und 1990 könne bei der Bewältigung der Herausforderungen helfen. Sie stünden für "den Sieg der Freiheit über die Unterdrückung". "Alles ist möglich, das habe ich wie Millionen anderer DDR-Bürger am eigenen Leib erfahren", sagte Merkel.

Deutschland denkt in diesen Tagen an den 9. November 1989: Vor 25 Jahren fiel die Mauer in Berlin. Prominente wie Margot Käßmann, Atze Schröder und Nikolaus Schneider erinnern sich.

Wie Merkel erinnerte auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in seiner Rede beim Festakt in Hannover an den Herbst 1989 und würdigte den Mut und die Entschlossenheit der DDR-Bürger in der Zeit der friedlichen Revolution. Erst dadurch sei die deutsche Einheit möglich geworden.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagte bei einer Feierstunde im Landtag in Dresden, der Blick zurück dürfe "nicht verniedlichen". Zum Gesamtbild der DDR gehörten die Schicksale der Heimkinder, der politischen Gefangenen und der Bausoldaten, der Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze, die Maueropfer und die Stasi. "In einem solchen Bild ist kein Platz für eine romantische Verklärung der SED-Diktatur", sagte der sächsische Ministerpräsident.

Ökumenischer Gottesdienst eröffnet Einheitsfeiern

Die Feiern zur Einheit richtet in jedem Jahr immer dasjenige Bundesland aus, das aktuell den Bundesratspräsidenten stellt. Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der hannoverschen Marktkirche hatten die Veranstaltungen am Freitagmorgen in Hannover begonnen. In seiner Predigt unterstrich der evangelische hannoversche Bischof Ralf Meister, die Menschheit gehöre weltweit zusammen wie eine Familie. Religion oder Herkunft dürften nicht bestimmend sein für menschliche Begegnungen. Der Gedanke der Menschheitsfamilie habe sich erst in der Neuzeit entwickelt, doch er sei bis heute noch keine Wirklichkeit.

Bei strahlendem Sonnenschein flanierten mehrere Hunderttausend Menschen über das Festgelände in Hannover. Mehr als 1.000 schrieben beim Bürgerfest für Ministerpräsident Weil per Hand die Bibel ab. In einem Pavillon im Stil einer mittelalterlichen Schreibstube übertrug jeder von ihnen bei einer Aktion der evangelischen Kirchen in Niedersachsen eine ausgewählte Passage auf einen Bogen Papier und setzte seinen Namen dazu. Alle Bögen sollten in gebundener Form gegen Ende des Festes als "Niedersachsen-Bibel" an Weil übergeben werden.