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Streit ums Sexgewerbe: verbieten oder organisieren?
Kirchliche Verbände und radikale Feministinnen möchten Prostitution am liebsten verbieten. Doch auf dem Sexarbeitskongress in Berlin wurde deutlich: Diese radikale Forderung geht weit an der Realität vieler Sexarbeiterinnen vorbei.

Die Aussagen könnten kaum gegensätzlicher sein. "Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere! Der Verkauf des eigenen Körpers geht gegen die Menschenwürde", lautet etwa die Position des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). Etwas völlig anderes sagen die Frauen auf dem Sexarbeitskongress Ende vergangener Woche in Berlin: "Wir sind Sexarbeiterinnen und üben einen Beruf wie jeden anderen aus, und zwar freiwillig!", heißt es da. Und: "Wir sind keine Opfer!"

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Rund 200 Prostituierte kamen bei dem Kongress an der Berliner Humboldt-Universität zusammen, um über ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu diskutieren. Denn die Bundesregierung plant, das seit 2002 geltende Prostitutionsgesetz zu verschärfen. So soll es künftig beispielsweise eine gesonderte Anmelde- und Anzeigenpflicht für gewerbsmäßige Prostitution samt Nachweisdokument für Prostituierte geben.

"Das ist schon aus Prinzip ein Problem", kritisiert Undine de Rivière, die unter diesem Arbeitsnamen ein Studio in Hamburg betreibt. Undine ist Pressesprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD), der nach eigenen Angaben für etwa 300 Prostituierte spricht. Ihren richtigen Namen will sie nicht verraten. An dem Gesetzentwurf stört sie, dass es Ländern und Kommunen überlassen bleiben soll, welche Behörde für die Umsetzung zuständig ist. Denn traditionell sei das die Polizei. "Es läuft also auf eine polizeiliche Registrierung hinaus - und das ist im Grunde nur Kriminellen vorbehalten und nicht Angehörigen einer bestimmten Berufsgruppe."

Verbote drängen Prostitution weiter in Schmuddelecken

Rund 400.000 Menschen arbeiten in Deutschland Schätzungen zufolge in Sex-Kinos, erotischen Massagesalons, im Escort-Bereich oder auf dem Straßenstrich. Nur wenige sind in übergeordneten Strukturen organisiert. Auch Verbände wie "Hydra" oder das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas) haben nur wenige Mitglieder.

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Dennoch wachse ihr Verband, sagt Undine de Rivière. Immer mehr Sexarbeiterinnen würden beginnen, sich für ihre Rechte einzusetzen und auf Missstände hinzuweisen. "In Bayern und Baden-Württemberg wird die polizeiliche Registrierung schon ohne Rechtsgrundlage durchgesetzt", erzählt sie. So speichere die Polizei dort Daten über den Berufsstand, obwohl sie das gar nicht dürfe.

Ihr Verband wendet sich außerdem gegen die Sperrgebietsverordnungen, die in manchen Bundesländern Hotelbesuche unmöglich machen und die Prostitution dadurch an den Stadtrand und in Schmuddelecken dränge. Dort seien die Sexarbeitenden dann wesentlich mehr Dreck, Gewalt und Gefahren ausgesetzt.

Für den Berufsverband BesD ist Sexarbeit eine Dienstleistung, die aber nicht als Freiberuf mit entsprechenden Regelungen im Steuer- und Baurecht anerkannt wird. Erst das aber würde legale Zusammenschlüsse von Sexarbeiterinnen ermöglichen, in denen sich die Betroffenen - ähnlich wie in Praxisgemeinschaften von Therapeuten oder Anwaltskanzleien - gegenseitig schützen könnten.

Kirchlicher Dienst fordert statt Verboten mehr Hilfe

Viel radikaler als die Bundesregierung sind Initiativen wie die der Feministin Alice Schwarzer oder "Solwodi" der katholischen Schwester Lea Ackermann. Sie möchten die Prostitution nach schwedischem Vorbild komplett verbieten lassen und Strafen für Freier einführen. Professionelle Sexarbeiterinnen wie Undine de Rivière schütteln da nur den Kopf: Solche Verbote würden die Prostitution nur noch mehr in den gefährlichen und ungeschützten Bereich der Illegalität drängen, sagt sie. "Das schwedische Modell ist eine ganz große Katastrophe. Man kann nicht das System Prostitution bekämpfen, ohne die Menschen zu stigmatisieren und zu diskriminieren, die in diesem System arbeiten. In Schweden ist es zum Beispiel unmöglich, als geoutete Sexarbeiterin überhaupt noch Wohnraum zu finden. Müttern werden die Kinder weggenommen. Das ist einfach menschenfeindlich."

Andererseits berichten Streetworker und Sozialarbeiter in großer Zahl von Unterdrückungs- und Ausbeutungsstrukturen im Rotlichtmilieu, von Beschaffungsprostitution oder Fällen von Ehemännern, die ihre Frauen zum Unterhalt der Familie auf den Strich schicken. "Freie Sexarbeiter in allen Ehren, aber das ist doch nur die edle Minderheit im Escort-Bereich", sagt Nadine Mersch aus der Stabsstelle Sozialpolitik und Öffentlichkeitsarbeit vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Dortmund.

Allerdings verlangt auch der SkF keine Sanktionen oder plumpen Verbote, denn die würden allein auf dem Rücken der Frauen ausgetragen. Vielmehr brauche es soziale Hilfsangebote für Prostituierte. In dieser Forderung unterscheiden sich die kirchlichen Verbände gar nicht so sehr von den Positionen auf dem Sexarbeitskongress.

"Wir bieten empowerment-Workshops von Sexarbeiterinnen für Sexarbeiterinnen in den Bordellen und Sex-Kinos an. Wir brauchen Bildungsangebote, die wir selber aus eigenem Erfahrungswissen heraus möglich machen", sagt Alexa Müller von der Vereinigung "Hydra". In den Angeboten soll es um eine höhere Sicherheit und Qualifizierung für Sexarbeiterinnen gehen: Wie kann ich mich selbst vermarkten, ohne auf Zuhälterei angewiesen zu sein? Wie komme ich an zahlungskräftigere Kunden heran? Worauf muss ich bei meiner Gesundheit achten? Aber auch: Wie kann ich mich aus der Prostitution verabschieden und vielleicht einen anderen Beruf ergreifen? In diesem Punkt könnten die Sexarbeiterinnen dann wohl auch mit diakonischen und caritativen Stellen zusammenarbeiten.