Klar, Marei Pelzer ist einiges gewöhnt. Als rechtspolitische Sprecherin bei "Pro Asyl" wird sie jeden Tag mit schrecklichen Geschichten und Schicksalen konfrontiert. Doch mit dem, was jetzt in dem Burbacher Flüchtlingsheim geschah, hat auch sie nicht gerechnet. "Solche Folterszenen in einer Flüchtlingsunterkunft – das war für mich nicht vorstellbar. Das ist wirklich entsetzlich."
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Bei einem Entsetzen über einen Einzelfall, das macht Marei Pelzer im Gespräch sehr deutlich, darf es aber nicht bleiben. "Denn überall in Deutschland gibt es Strukturen, die so etwas begünstigen." Flüchtlinge würden in Massenunterkünften untergebracht werden, in denen einfach kein menschenwürdiges Leben möglich sei. Die Menschen hätten überhaupt keine Privatsphäre und gerade für Kinder sei die Situation unerträglich. Deswegen fordere Pro Asyl schon lange, Flüchtlinge in Wohnungen zu unterbringen. Nur so könne eine annehmbare Lebenssituation gewährleistet werden und Integration schließlich gelingen. "Die Sammelunterkünfte sind als Abschreckungsinstrument in den Achtzigern eingeführt worden. Es ist Zeit sich von solchen Mitteln zu verabschieden", so Pelzer.
Aber die Vorkommnisse in Burchbach haben vor allem ein anderes, wenig beachtetes, aber dennoch nicht weniger schwerwiegendes Problem ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerufen: Die zunehmende Privatisierung von Asylbewerberheimen. Es ist mal wieder die alte Geschichte der Privatisierung. Die notorisch klammen Kommunen hoffen auf diese Weise sparen zu können, müssen aber dann feststellen, dass das nicht ohne Preis zu haben ist. Gewöhnlich sinkt die Qualität – und das hat, wenn es um Menschen geht, fatale Konsequenzen. "In Fachkreisen ist das schon lange bekannt. Nur die Politik ist bisher völlig ignorant gewesen. Das ist jetzt nicht mehr möglich", sagt Pelzer.
Gewinnmaximierung mit Flüchtlingen
Immer wieder kam es wegen privater Betreiber zu skandalösen Zuständen in Flüchtlingsheimen. Meist sei es dabei um eklatante Hygiene-Mängel gegangen. Gewalt, wie sie jetzt in Burbach aufgedeckt wurde, ist laut Pelzer eine neue Erscheinungsform.
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Politiker, wie etwa der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel, haben heute bereits verkündet, dass es auch in Zukunft nicht ohne private Dienstleister gehen wird. "Wenn private Dienste schon notwendig sind, dann muss sichergestellt werden, dass genügend Personal da ist, dass es eine psychosoziale Betreuung gibt, dass gewisse Standards eingehalten werden", sagt Pelzer. Das Problem dabei: Anders als etwas bei Pflegeheimen, existieren in Deutschland keine festgelegten Standards für Asylbewerberheime. "Alles, was es gibt, sind Allgemeinsätze, wie etwa den von der Unantastbarkeit der Menschenwürde. Das muss sich ändern", so Pelzer.
Ohne Vorgaben des Staates kann es dann auch zu so schlimmen Fällen kommen wie in Burbach. Dort wurde nicht einmal geprüft, ob die Betreuer vorbestraft waren oder nicht. Einer der Mitarbeiter war bereits wegen Körperverletzung verklagt worden. Pelzer fordert deswegen für die Zukunft vertraglich festgelegte Standards und ein ständiges Monitoring. Den Gemeinden empfiehlt sie, Verträge wie den in Burbach nicht mehr zu schließen. "Die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen ist eine hoheitliche Aufgabe. Die kann der Stadt und die Gemeinden nicht einfach an private Dienstleister abgeben." Des Weiteren müssten Flüchtlinge sich an eine unabhängige Stelle wenden können. In Burbach fanden die Gewalteskapaden zwei Wochen lang statt, ohne dass es bekannt wurde und sich jemand darum kümmerte.
Auch bei "European Homecare", der Firma, die für das Flüchtlingsheim in Burnach zuständig ist, könne es nicht einfach so weitergehen wie bisher, sagt Pelzer. "Aber so eine Firma ist auf Gewinnmaximierung ausgerichtet und da muss man schon mal ganz generell die Frage stellen, ob die dann überhaupt ein Flüchtlingsheim betreuen sollten."
Immerhin: Das Essener Unternehmen, das bundesweit 40 Flüchtlingsheime betreibt, äußerte sich "fassungslos und schockiert". Geschäftsführer Sascha Korte entschuldigte sich für die Vorfälle und versprach Aufklärung. Der externen Sicherheitsfirma wurde bereits gekündigt.
Die furchtbaren Vorkommnisse haben zumindest die Missstände an das Licht der Öffentlichkeit gebracht. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass sich diese nicht wieder zu schnell abwendet. "Denn dieses Thema", sagt Marei Pelzer, "wird uns noch eine Weile beschäftigen."