Die Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt
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Die Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt
Kirchliche Arbeitgeber dürfen Kopftuch verbieten
Das Bundesarbeitsgericht gibt einer evangelischen Klinik recht, die einer muslimischen Krankenschwester verbot, ein Kopftuch zu tragen. Linke und SPD kritisieren sowohl das Urteil als auch das "mangelnde Fingerspitzengefühl" des Krankenhauses.

Ein kirchliches Krankenhaus darf einer muslimischen Krankenschwester das Tragen eines Kopftuchs verbieten. Das im Grundgesetz geschützte kirchliche Selbstbestimmungsrecht sei hier höher zu bewerten als die Religionsfreiheit der Krankenschwester, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Mittwoch in Erfurt. (AZ: 5 AZR 611/12). Kritik an dem Urteil kam von Bundestagsabgeordneten der SPD und der Linken.

Konkret ging es um eine muslimische Krankenschwester, die seit 1996 in der Evangelischen Augusta-Klinik in Bochum arbeitete. Nach Schwangerschaft und nach Krankheit bot die Frau im April 2010 der Klinik wieder ihre Arbeitskraft an - allerdings mit einer Auflage: Ihre religiösen Vorstellungen hätten sich geändert, sie könne nur noch mit islamischem Kopftuch ihrer Arbeit nachgehen. Die Arbeit leide dadurch nicht, argumentierte die Krankenschwester. Das Tragen des Kopftuchs müsse ihr aufgrund ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihrer Religionsfreiheit erlaubt werden.

Die Klinik lehnte das ab. Laut Arbeitsvertrag und den Richtlinien der Evangelischen Kirche in Deutschland seien Mitarbeiter der Kirche gegenüber zur Loyalität verpflichtet. Auch nichtchristliche Beschäftigte müssten danach den kirchlichen Auftrag beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche erfüllen. Andernfalls würde bei Patienten und Besuchern der Eindruck entstehen, dass die Kirche ihre Glaubensgrundsätze und ihren Verkündungsauftrag nicht ernst nehme.

Die Krankenschwester kam daraufhin nicht zur Arbeit. Sie verlangte aber trotzdem Lohn, da sie ja ihre Arbeitskraft angeboten habe. Insgesamt ging es um über 15.000 Euro. Vor dem BAG erklärte die Krankenschwester, dass sie mit dem islamischen Kopftuch "die weiblichen Reize vor anderen Männern" verbergen wolle. Sie bot zudem alternativ an, ihre Arbeit in der Klinik mit einer Nonnentracht zu verrichten.

"Urteil respektiert Religionsfreiheit nicht"

Die obersten Arbeitsrichter ließen sich davon nicht beeindrucken. Das Tragen eines islamischen Kopftuchs in einer kirchlichen Einrichtung sei nicht zulässig. Es sei eine "Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit", die der kirchliche Arbeitgeber nicht tolerieren müsse.

Die Richter verwiesen den Streit aber an das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm zurück. Dieses muss noch klären, ob die evangelische Klinik, eine gGmbH, überhaupt als kirchliches Haus gelten und sich damit auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen berufen kann. Dies sei dann der Fall, wenn in den Gremien der Klinik die Kirche maßgeblichen Einfluss hat.

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Außerdem müsse das LAG prüfen, ob die Krankenschwester überhaupt arbeitsfähig war. Denn sie habe nach ihrer Krankheit einen vom Arzt erstellten Wiedereingliederungsplan vorgelegt, der auf eine fehlende Leistungsfähigkeit hindeute. In diesem Fall hätte die Klägerin gar keinen Lohn verlangen können. Denn dann sei die Krankenkasse für Krankengeldzahlungen zuständig gewesen.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese kritisierte das Kopftuchverbot. "Dass ausgerechnet ein christlich ausgerichtetes Krankenhaus ohne jedes Fingerspitzengefühl ein solches Verbot durchsetzt, kann ich nicht nachvollziehen", sagte Griese der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Donnerstagsausgabe). "Ich hoffe, dass andere christliche Institutionen solche Konflikte gemeinsam mit ihren Angestellten regeln", sagte das frühere Vorstandsmitglied des diakonischen Bundesverbandes.

Die religionspolitische Sprecherin der Linken, Christine Buchholz, erklärte zu der höchstrichterlichen Entscheidung: "Das Urteil respektiert die Religionsfreiheit der betroffenen Krankenschwester nicht. Die Entscheidung fügt sich ein in die gesellschaftliche Stigmatisierung von Musliminnen." Buchholz forderte die evangelische Kirche auf, "als Arbeitgeberin ein Zeichen zu setzen gegen antimuslimischen Rassismus und für Religionsfreiheit auch in kirchlichen Einrichtungen".

Keine "Marotte", sondern "Ausübung der Religionsfreiheit"

In der Vergangenheit haben Gerichte bereits mehrfach über Kopftuchverbote bei nicht-kirchlichen Arbeitgebern entschieden. So wies das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 21. August 2003 einen Kaufhaus-Betreiber in seine Schranken (AZ: 1 BvR 792/03). Dieser hatte eine muslimische Verkäuferin in der Parfümerieabteilung gekündigt, weil sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit nicht ablegen wollte. Das Bundesverfassungsgericht gab der Frau recht. Der Kaufhaus-Betreiber habe nicht ausreichend klargemacht, wieso es zu "betrieblichen Störungen oder wirtschaftlichen Nachteilen" kommen könne.

Bei Lehrerinnen kann dagegen ein Kopftuchverbot gelten. So hielt das BAG in einem Urteil vom 10. Dezember 2012 die Abmahnung und Kündigung einer Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen für rechtens, die nur mit Kopftuch unterrichten wollte (AZ: 2 AZR 55/09). Das BAG entschied, dass Lehrer zur Neutralität verpflichtet seien. In einem weiteren Verfahren vom 20. August 2009 (AZ: 2 AZR 499/08) entschieden die Erfurter Richter, dass auch das Tragen einer Mütze nicht erlaubt sei, wenn diese "erkennbar als Ersatz für ein islamisches Kopftuch getragen wird". Beide Fälle sind derzeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

Teuer kann es für Arbeitgeber werden, wenn sie muslimische Stellenbewerberinnen wegen ihres Kopftuches ablehnen. Denn solch eine Begründung ist als Diskriminierung wegen des Glaubens anzusehen, entschied das Arbeitsgericht Berlin am 19. Oktober 2012 (AZ: 55 Ca 2426/12). Das Gericht verurteilte damit einen Zahnarzt zu einer Entschädigung in Höhe von 1.470 Euro. Er hatte eine muslimische Stellenbewerberin wegen des Wunsches, während der Arbeit ein Kopftuch zu tragen, abgelehnt. Das Tragen eines Kopftuches sei keine "Marotte", sondern "unmittelbare Ausübung der Religionsfreiheit", betonte das Gericht.