Frank Van den Bleeken ist wegen mehrfacher Vergewaltigung und wegen Mordes in der Sicherungsverwahrung – schon über 30 Jahre. Beim Prozess galt er wegen einer psychischen Störungen als schuldunfähig. Aber eine Psychotherapie hat er nie bekommen und leidet bis heute an sexuellen Zwangsvorstellungen. Van den Bleeken sieht in sich eine Gefahr für die Gesellschaft. Weil er keinen anderen Ausweg sieht, möchte er sterben. Vor Gericht hat er nun das Recht auf Sterbehilfe durchgesetzt; in einem Krankenhaus darf er seinem Leben ein Ende setzen. Seinem Beispiel wollen 15 weitere Gefangene folgen.
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Kritiker der aktiven Sterbehilfe in Deutschland schauen immer wieder skeptisch und besorgt ins Nachbarland Belgien – nicht zuletzt seit die Regierung auch die Sterbehilfe für Kinder beschlossen hat. Der Deutsche Bundestag wird sich im Herbst ebenfalls mit einer Neuregelung der Suizidhilfe befassen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat sich bereits gegen jede Form der organisierten Selbsttötung ausgesprochen. Ganz anders sieht es sein Parteifreund Peter Hintze, der Suizidhilfe ermöglichen will.
Die Position der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) ist in diesem Punkt eindeutig: Sie lehnt organisierte Sterbehilfe ab und fordert stattdessen umfangreiche Sterbebelgeitungsangebote. Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit, als der Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, sagte, er würde seine kranke Frau im Ernstfall auch bei ihrem Wunsch nach Sterbehilfe unterstützen.
"Nicht durch Töten überwinden, sondern durch Liebe"
"Ich war überrascht, wie viele positive Reaktionen ich auf diese Äußerung bekommen habe", sagte Schneider in der Talkshow "Beckmann". Er habe mit harscher Kritik gerechnet. Doch auch die Kirche habe Verständnis für seine Haltung gehabt, die er gegenüber Reinhold Beckmann noch einmal wiederholte: "Ich lasse meine Frau nicht allein, auch wenn der Schritt aus meiner Sicht völlig falsch ist." Trotzdem bezog der Theologe in der Diskussion zum Thema "Ein Ende in Würde – wer bestimmt, wie wir sterben" Position gegen eine Legalisierung der Sterbehilfe. Die theologische Frage sei, welche Verantwortung Gott den Menschen gegeben haben. "Für mich bezieht sie sich auf das Leben. Schwierigkeiten des Lebens sollte man nicht durch Töten überwinden, sondern durch Liebe."
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Anders äußerte sich FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Er hat erlebt, wie sein Bruder nach einer Reanimation zum Pflegefall wurde. "Ich möchte die letzten fünf Jahre meines Lebens nicht zu Tode gepflegt werden. Ich möchte, dass man mir hilft, meinem Leben ein Ende zu setzen."
Diesen Wunsch äußerten viele Patieten, sagte Frank Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer. "Viele verlieren ihn jedoch, wenn sie sehen, welche Möglichkeiten es für sie gibt – zum Beispiel im Bereich der Schmerztherapie oder Palliativmedizin", ergänzte er. Zudem sei es Aufgabe der Ärzte zu heilen oder das Leid zu lindern, nicht aber das Leben zu verkürzen, kritisierte Montgomery.
Dass die Realität in manchen Nachbarländern wie Belgien, den Niederlanden und der Schweiz eine ganz andere ist, empfindet Nikolaus Schneider als befremdlich. Allerdings warnte er auch vor allzu schnellen Schlüssen. "Man muss untersuchen, wie sich das gesellschaftlich auswirkt." Trotz aller Befürchtungen sei er für eine Realitätskontrolle.
Dennoch mahnte der EKD-Ratsvorsitzende vor einer Entsolidarisierung der Gesellschaft. Mit Blick auf die Altersstruktur in Deutschland warnte er, dass die Sterbehilfe auch eine ökonomische Lösung werden könnte, weil das begleitende Sterben zu teuer werde. Scharf kritisierte er die aktuelle Diskussion in Belgien. Es könne nicht sein, dass einem Menschen eine Therapie verweigert werde und er deshalb die Selbsttötung als besten Weg annehme.