200.000 Ungarn fliehen 1956 nach dem Volksaufstand ins Nachbarland Österreich. Die Diakonie Katastrophenhilfe sammelt Geld und Hilfsgüter wie Decken, Lebensmittel und Medikamente. Ihr erster großer Einsatz. Als 2011 ganz Somalia nach einer Dürre unter einer Hungersnot leidet, bringen Helfer Medizin auf eine Kinderstation und verteilen Lebensmittel in Flüchtlingslagern. "Mich hat das Leid dort erschüttert", erzählt der derzeitige Leiter des evangelischen Hilfswerks, Martin Keßler. "Aber es hat mich sehr berührt zu sehen, wie vielen Menschen wir helfen konnten. Das motiviert mich", sagt der 51-Jährige.
Damals wie heute hilft die Diakonie Katastrophenhilfe dort, wo große Not herrscht. Seit 60 Jahren engagiert sie sich nach Naturkatastrophen und in Krisengebieten, wo Menschen von Krieg und Gewalt bedroht sind. Mit einem Gottesdienst und einem Festakt begeht die evangelische Hilfsorganisation am heutigen 17. September in Berlin das Jubiläum. Ihre Geschichte beginnt in der Nachkriegszeit. 1954 gründete der Leiter des Hilfswerks der evangelischen Kirche, Herbert Krimm, die Ökumenische Diakonie als eigene Abteilung, um Auslandshilfe zu leisten. Seit 1994 firmiert sie unter Diakonie Katastrophenhilfe.
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Nicht nur der Name, auch die Arbeit hat sich gewandelt. Früher wurden öfter freiwillige Helfer und Hilfsgüter aus Deutschland in die Krisenregionen geschickt, heute basiert die Hilfe nahezu ausschließlich auf Kooperationen mit örtlichen Partnern. "Wir nutzen Strukturen, die schon existieren, die Helfer dort kennen die jeweilige Kultur, sprechen die Sprache und werden von der Bevölkerung besser akzeptiert als Fremde, ein klarer Vorteil", findet Keßler. Außerdem blieben die Partnerorganisationen dauerhaft im Land und könnten so nach der Nothilfe Entwicklungsprozesse vorantreiben.
"Katastrophenhilfe muss eine Hilfe sein, die angepasst ist", sagte Hannelore Hensle, die von 1982 bis 2005 die Arbeit der Diakonie Katastrophenhilfe leitete. "Dazu muss man nicht endlos Zelte auf Lager haben, bis man sie irgendwann mal braucht. Das kann man auch, nach Möglichkeit, in der Region beschaffen." Um weltweit helfen zu können, gehört die Organisation zum internationalen Netzwerk "Kirchen helfen gemeinsam" (ACT), das kirchliche humanitäre Hilfe koordiniert. Zudem arbeitet sie mit der katholischen Caritas zusammen und gehört wie auch "Brot für die Welt" zum Evangelischen Werk für Entwicklung und Diakonie.
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Damit die Partner in den Krisenregionen das Hilfswerk nicht für eigene Zwecke einspannen, müssen diese sich zur Einhaltung von Prinzipien wie Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität verpflichten. "Um politisch unabhängig zu bleiben, ist es uns wichtig, humanitäre Hilfe und militärisches Engagement zu trennen", sagt Keßler. Als der damalige Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) im Jahr 2009 ankündigte, Entwicklungshilfe in Afghanistan nur noch dort einzusetzen, wo die Bundeswehr stationiert war, nahm die Diakonie Katastrophenhilfe für ihr dortiges Programm kein Geld vom Bund.
Auch die Art der Hilfe änderte sich mit den Jahren. "Wir investieren mehr in die Vorsorge, um die Schäden im Notfall gering zu halten", erklärt die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Der Klimawandel führe in vielen Regionen zu katastrophalen Veränderungen, die verstärkt den Aufbau entsprechender Frühwarnsysteme erforderten.
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Im vergangenen Jahr förderte die Diakonie Katastrophenhilfe 166 Hilfsprojekte mit rund 42 Millionen Euro, knapp 37 Millionen Euro Zuwendungen hat sie bekommen. Seit Beginn der Spendenaufzeichnung 1983 kamen über 443 Millionen Euro zusammen. Zusätzlich erhält das Hilfswerk öffentliche Gelder wie Mittel des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungsministeriums. Im vergangenen Jahr flossen knapp 87 Prozent der Aufwendungen in Projekte.
"Die Lebensbedingungen mit den Menschen und nicht nur für sie zu gestalten", das zeichnet nach Einschätzung von Tilman Lutz, Professor an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie, die Arbeit des Werkes aus. Der Respekt vor und die Liebe zu den Menschen sprächen für ein evangelisch-diakonisches Hilfswerk. Keßler sieht in den derzeit zahlreichen Krisen einen Beweis dafür, dass humanitäre Hilfe weiterhin gebraucht wird. "Wir versuchen zu helfen, wo wir können, schon aus unserem christlichen Selbstverständnis heraus - das ist so aktuell wie vor 60 Jahren."