Tabea Baader vor ihrer Kirche
Foto: epd-bild / Thomas Greif
Tabea Baader arbeitet als lutherische Pfarrerin in der Gemeinde Fort Augustus für die Church of Scotland.
Fränkische Predigerin am Loch Ness
Selten zuvor stand Schottland so im Fokus Europas wie in diesen Wochen. Denn am 18. September stimmen die Schotten über ihre staatliche Unabhängigkeit von England ab. Auch die Pfarrerin Tabea Baader aus Nürnberg darf mitstimmen.
18.09.2014
epd
Thomas Greif

Das Haggis ist ihr geglückt. Wendy spendet ihrer deutschen Reverend dickes Lob, und Wendy muss es wissen: Sie ist auf den Orkney-Inseln aufgewachsen und hat ihr ganzes Lehrerdasein in Schottland verbracht. Sie versteht sogar etwas Gälisch, und dass England sich vor wenigen Wochen bei der Fußball-WM mal wieder blamiert hat, hat sie gefreut. Man muss nicht eigens nachfragen, wofür sie am 18. September, dem Tag des schottischen Unabhängigkeitsreferendums, stimmen wird.

Haggis ist ein schottisches Gehacktes, das eine Gesellschaft in zwei unversöhnliche Hälften spaltet wie die fränkische Blutwurst. Man möchte gar nicht genau wissen, was drin ist, aber jedenfalls schmeckt es besser, als es aussieht. Tabea Baader hat sogar eine Whisky-Soße dazugezaubert und ein Porrigde aus Zuckerrüben. Die kulinarische Akklimatisierung jedenfalls ist gelungen, mit Wendys Ritterschlag. Und alles andere, sprachlich, kulturell, liturgisch?

Tabea Baader, im mittelfränkischen Behringersdorf als Pfarrerstochter aufgewachsen, hat sich darüber nie einen Kopf gemacht, warum auch? Das Englische konnte sie schon aus ihrer Studienzeit in Chicago. Ihre deutsche Herkunft war hier oben nie ein Problem. "Wenn ich Engländerin wäre, würde es ganz anders ausschauen." Und dass auf einer Kanzel der reformierten Church of Scotland nun Woche für Woche eine Predigerin im Lutherrock steht, ist kirchenpolitisch seit der Leuenberger Konkordie auch kein Thema mehr.

Stolze Highland-Schotten bitten nicht um Almosen

Am problemlosen Einleben in den Highlands hat sicher auch Hope einen gewichtigen Anteil. Hope ist ein schwarz-weißer Collie, der als Schäferhund in die Lehre ging, im Rampenlicht der hier üblichen Schäferhunde-Wettbewerbe aber den Schwanz einzog. So nahm ihn Tabea Baader ins Pfarrhaus-Asyl, und wenn sie auf Wandertour durch die Highlands geht oder morgens ihre Runde durchs Dorf dreht, gibt Hope allemal einen idealen Vorwand ab, um irgendwo am Gartenzaun auf ein Schwätzchen stehenzubleiben.

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Mehr als alles andere verkörpert dies eine Kultur der einladenden Offenheit, und die ist nicht unbedingt Bestandteil der reformierten Tradition dieses kargen Landes. Tabea Baader fand es zum Beispiel einigermaßen haarsträubend, dass Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien erst erfunden werden müssen. Ihr schönstes Erlebnis: "Da kam ich an Ostern mitsamt Bibel aus der Sakristei herein, und da saßen 30 Kinder samt Familien." 

Umgewöhnen musste sie sich auch bei der Umsetzung des "footbank"-Programmes, einer Art "Tafel" für bedürftige Familien. Kein Highlands-Schotte käme vor lauter Stolz auf die Idee, sich Almosen im Pfarrhaus abzuholen. Dass aber Kinder hungrig in die Schule kommen oder chronisch krank sind, bekommt sie über die Buschtrommeln des Dorfes schnell mit, und ein vorgeschobener Besuchsanlass mit angehängtem "Ach, da hätte ich zufällig noch ein Paket dabei?" findet sich immer.

Gut hundert Gemeindeglieder im Abstand von zwei Autostunden

Verlaufen kann man sich in Fort Augustus nicht. Der Ort besteht im Wesentlichen aus dem Kaledonischen Kanal zwischen Loch Lochy und Loch Ness, dazu einige Häuser, Hotels und Souvenirgeschäfte, denn so abgelegen es auch auf der Landkarte aussieht, so sorgt doch das nie gesehene Spaßmonster Nessie für einen steten Touristenzustrom.

Klein und überschaubar ist die Doppelgemeinde aber allenfalls, was die Mitgliederzahlen (etwas über 100) angeht: Vom einen Ende ihres Gemeindeterrains bis zum anderen ist Tabea Baader zwei Stunden mit dem Auto unterwegs.

Ach ja, und wie hält sie es nun mit der Unabhängigkeit Schottlands? Baader ist als in Schottland lebende EU-Bürgerin stimmberechtigt, will ihr Votum aber im Geiste ihrer schottischen Kollegin Rhona Dunphy abgeben, die derzeit in Regensburg arbeitet. "Wir sind glücklicherweise einer Meinung", sagt Baader: "Ich sag aber nicht welcher."