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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Verfolgt" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Verfolgt", 7. September, 20.15 im Ersten
Als eine Frau tot in der Wohnung ihrer Freundin gefunden wird, stellt sich eigentlich nur die Frage, welcher der in Frage kommenden Partner zum Mörder geworden ist: der arbeitslose Ehemann? Der Freund der Toten? Oder seine Frau?

Wenn ein Paar verheiratet ist, aber nicht miteinander, muss man im Fall eines unnatürlichen Ablebens nicht nach lange nach Verdächtigen suchen; schließlich sind die meisten Morde Beziehungstaten. Als eine Frau tot in der Wohnung ihrer Freundin gefunden wird, stellt sich eigentlich nur die Frage, welcher der in Frage kommenden Partner zum Mörder geworden ist: der arbeitslose Ehemann? Der Freund der Toten? Oder seine Frau? Lückenlose Alibis haben alle nicht; aber dann nimmt die Handlung eine radikale Wende, und "Verfolgt" wird im Reigen der bislang meist eher spannungsarmen "Tatort"-Beiträge aus Luzern zu einem beinahe richtig guten Krimi.

Geldwäsche in großem Stil

Die besondere Qualität dieses Films liegt in der Musik und in der Montage. Es wird kein Zufall sein, dass die Komposition von Fabian Römer an den Klangteppich erinnert, mit dem eine deutsche Bank ihre aktuellen Werbespots unterlegt. Zunächst deutet allerdings nur wenig darauf hin, dass Martin Maurer (Buch) und Tobias Ineichen (Regie) eine Geschichte erzählen wollen, die viel größer ist als ein Beziehungsviereck; auch wenn die Musik das Geschehen von Beginn an mit Bedeutung auflädt. Ohne Römers elektronische Klänge sähe man in den Anfangssequenzen bloß einen Mann durch die Straßen der Stadt eilen. Die Musik treibt ihn jedoch förmlich vor sich her. Die agile Bildgestaltung (Kamera: Michael Saxer) tut ein Übriges, und schon will man wissen, was es mit diesem Mann auf sich hat. Erst im Verlauf der verschiedenen Aussagen reicht Maurer die Erklärung nach: Thomas Behrens (Alexander Beyer) arbeitet für eine Luzerner Privatbank und ist einer Geldwäsche in großem Stil auf die Spur gekommen. Die entsprechenden Daten hat er auf eine CD kopiert, die er an eine deutsche Steuerbehörde verkaufen will. Diese CD war bei seiner nunmehr toten Geliebten versteckt; und nun versucht der Mörder, auch ihn umzubringen.

Aber vielleicht stimmt das auch alles gar nicht, und Behrens hat sich die Geschichte nur ausgedacht, weil in Wirklichkeit er seine Freundin auf dem Gewissen hat; schließlich hat ihn der Mann der Toten in der Wohnung gesehen. Für die Version des Bankangestellten spricht immerhin die Aussage seiner Frau, die sich gleichfalls beobachtet fühlt. Andererseits will sie womöglich bloß davon ablenken, dass sie ihre Nebenbuhlerin beseitigt hat. Das paranoid wirkende Ehepaar trägt seine Befürchtungen aus Sicht von Kommissar Flückiger (Stefan Gubser) jedoch so glaubwürdig vor, dass er sich schließlich von dem Verfolgungswahn anstecken lässt, was der Film auf ebenso einfache wie wirkungsvolle Weise vermittelt: Bis dahin war die treibende Musik leitmotivisch für Behrens reserviert; nun begleitet sie auch den Polizisten.

"Verfolgt" ist der sechste Schweizer "Tatort"-Beitrag der neuen Generation. Nach zwei allenfalls durchwachsenen Episoden, deren Spannungsgehalt etwa auf Höhe der durchweg drögen Bodenseekrimis lag, war "Hanglage mit Aussicht" (2012) ein Fortschritt und der Karnevalskrimi "Schmutziger Donnerstag" (2013), das TV-Debüt von Dani Levy, ein erster echter Höhepunkt. Mit "Geburtstagskind" (2013) hat das Schweizer Fernsehen einen Schritt zurück gemacht, mit "Verfolgt" wieder zwei nach vorn. Über die Gründe für diese Qualitätsschwankungen kann man nur mutmaßen; Regisseur des Flückiger-Debüts, "Wunschdenken" (2011), war immerhin Markus Imboden ("Mörder auf Amrum"). Oftmals waren aber die Geschichten gerade aus hiesiger Sicht schlicht nicht interessant genug. Der Reiz von "Verfolgt" liegt unter anderem in den vielen Anspielungen auf das mitunter getrübte Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz. Das Wort "Kavallerie" fällt, als deutsche Politiker anreisen, und der deutsche Staatssekretär ist nicht gerade ein Sympathieträger.

Die Luzerner Honoratioren kommen allerdings auch nicht gut weg. Dass Regierungsrat Mattmann (Jean-Pierre Cornu), diesmal auch Gastgeber des hohen Besuchs aus Berlin, seinen Ermittler an die Kette legen will, gehört ohnehin zum Muster der Reihe; und der Direktor des Bankhauses ist eine ziemlich zwielichtige Gestalt. Dessen Darsteller, Pierre Siegenthaler, war schon als undurchsichtiger Polizist in "Stärke 6" sehenswert. Seine weitgehend wortlose, aber dennoch prägnante Präsenz verdeutlicht eine weitere Schwäche der Schweizer Filme: Die Darsteller sind hierzulande in der Regel unbekannt, und das meist aus gutem Grund. Das gilt im Gegensatz zum Frauenschwarm Gubser leider nach wie vor auch für seine Mitstreiterin Delia Mayer.