Foto: epd-bild/Markus Niethammer
Die Bibel auf Youtube, Facebook und dem Smartphone
Die Deutsche Bibelgesellschaft ist über 200 Jahre alt, seit dem Frühjahr hat sie mit Christoph Rösel einen neuen Generalsekretär. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert der 50-Jährige, warum selbst Nichtchristen die Bibel lesen sollten und wie seine Organisation das uralte Buch der Bücher der Generation Internet näher bringt.
30.08.2014
epd
Marcus Mockler

Herr Rösel, warum sollte ich als aufgeklärter Mensch des 21. Jahrhunderts noch die Bibel lesen?

Christoph Rösel: Weil dieses Buch über Jahrtausende hinweg Menschen geholfen hat, ihr Leben zu verstehen und für ihr Leben eine Perspektive zu finden. Und selbst wenn man zunächst persönlich nichts mit der Botschaft anfangen könnte, wäre es um der vielen anderen Menschen willen, denen die Bibel viel bedeutet, interessant, darin zu lesen. Literatur, Bildende Kunst, Musik im europäischen Raum erschließen sich ohne Bibelkenntnisse nicht.

Die Deutsche Bibelgesellschaft verkauft Jahr für Jahr alleine 150.000 Lutherbibeln, gleichzeitig schwindet das Bibelwissen in der Gesellschaft immens. Ist die Heilige Schrift ein ungelesener Bestseller?

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Rösel: Die Gefahr war vor 30, 40 Jahren größer, weil mehr Bibeln zu besonderen Anlässen wie Hochzeit und Konfirmation verschenkt und hinterher vielleicht nie angeschaut wurden. Diese Selbstverständlichkeit, Bibeln zu verschenken, gibt es leider nicht mehr. Wir gehen deshalb davon aus, dass heute jemand, der eine Bibel kauft oder bekommt, interessierter an den Inhalten ist. Unser Ziel ist nicht, dass wir möglichst viele Bibeln verkaufen, sondern dass Menschen möglichst viel Zeit mit der Bibel verbringen. Denn durch die Bibel begegnen sie Gott.

Gleichzeitig heißt es, in 25 Prozent der deutschen Haushalte gebe es keine Bibel. Wirtschaftlich gesprochen: Von "Marktsättigung" kann da noch keine Rede sein, oder?

Rösel: Deshalb bemühen wir uns auch, nicht nur denjenigen eine Bibel zu verkaufen, die schon eine haben. Wir wollen die Bibeldistanzierten erreichen. Darum entwickeln wir auch neue Formen, etwa die Basisbibel, die treu zum überlieferten Text und gleichzeitig modern in der Sprache ist. 

Sie machen mit der Basisbibel ein Angebot. Wie aber erreichen Sie letztlich die Bibeldistanzierten?

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Rösel: Das gelingt vor allem über unsere Partner. Das sind in Deutschland 28 regionale Bibelgesellschaften und 14 Freikirchen und Werke, die alle zur Vollversammlung der Bibelgesellschaft gehören. Und dann sind da natürlich die vielen Kirchengemeinden. Wir entwickeln darüber hinaus besondere Angebote, die die Bibel in den Blickpunkt rücken. So wird es zum Jahr "Bild und Bibel", das am 31. Oktober beginnt, ein kleines Programm geben, das auf Internetseiten an jedem Tag ein anderes Bild und den dazugehörigen Bibeltext präsentiert. Jeder kann das in seine Webseite einbinden. Das schafft Kunstinteressierten einen Zugang zu diesen Texten.

Die Deutsche Bibelgesellschaft hat mit der Basisbibel eine moderne Übersetzung geschaffen. Wie aber wollen Sie die Generation YouTube erreichen? Wo ist die Bibel in Videos und sozialen Netzwerken?

Rösel: Auf Facebook haben wir eine sehr aktive Seite der Basisbibel, der schon über 6.000 Menschen folgen. Damit ist die Bibel selbstverständlicher Inhalt der Kommunikation in den sozialen Netzen. Welche Dimensionen das erreichen kann, zeigt der Weltverband der Bibelgesellschaften mit der Seite "Digital Bible". Sie hat weltweit 9,4 Millionen Fans. Aber die Arbeit mit der Bibel ist natürlich auch Arbeit der Kirchengemeinde vor Ort, das können wir nicht von Stuttgart aus leisten. Wir können Angebote machen und Anstöße liefern. Auf YouTube sind wir mit einem kleineren Angebot vertreten. Aber selbst wenn das größer wäre, müsste am Ende immer der Zugang zum Text stehen. Wir haben den Bibeltext so gestaltet, dass er sich leichter lesen lässt, das ist sicher eine wesentliche Hilfe für die jüngere Generation. Und wir haben Apps entwickelt, damit sich die Bibelangebote auch unterwegs auf dem Smartphone nutzen lassen.

Die Bibelgesellschaft bringt auch Spezialbibeln heraus, etwa im vergangenen Sommer eine Sportlerbibel mit Glaubenszeugnissen von Promi-Sportlern. Braucht man den Promi-Faktor, um die Bibel wieder interessant zu machen?

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Rösel: Das schafft für manche Menschen einen leichteren Zugang. Sie sehen an Prominenten, wie der Glaube und wie die Bibel im Leben Gestalt gewinnt. Die Glaubenszeugnisse übernehmen sozusagen eine Brückenfunktion.

Während die Kirchen in Westeuropa schrumpfen, wachsen sie in Afrika, Asien und Lateinamerika. Können Sie dort mit den wissenschaftlichen Ausgaben der hebräischen und griechischen Bibel punkten?

Rösel: Leider noch nicht. In diesen Regionen spielt bei der theologischen Ausbildung die Arbeit an den ursprünglichen Bibeltexten noch nicht die Rolle wie in Europa. Wir fördern das zwar und stellen beispielsweise in manchen dieser Länder Studierenden, die sich das nicht leisten können, solche Ausgaben kostenlos zur Verfügung. Mit einer steigenden Qualität der biblischen Ausbildung dort werden aber auch die wissenschaftlichen Ausgaben an Bedeutung gewinnen.

Derzeit steht eine neue Überarbeitung der Lutherbibel an. Die letzte war fürs Neue Testament 1984, fürs Alte Testament sogar 1964. Steht da wieder Krach ins Haus zwischen Traditionalisten, die möglichst wenig geändert haben wollen, und Modernisten, die eine Anpassung an zeitgemäße Sprachgepflogenheiten fordern?

Rösel: Das ist nicht zu erwarten. Bei der Durchsicht geht es nicht darum, Luthers Sprache zu modernisieren. Sondern es geht vor allem darum, die Erkenntnisse der Bibelwissenschaft der vergangenen Jahrzehnte zu berücksichtigen. Seitdem hat es weitere wichtige Manuskriptfunde gegeben. Wir können besser entscheiden, welches der ursprüngliche Bibeltext war und was einzelne Vokabeln bedeuten.

Zum Beispiel?

Rösel: Im 7. Kapitel des Propheten Amos ist nach der Lutherübersetzung davon die Rede, dass Gott auf der Stadtmauer steht und ein "Bleilot" in der Hand hält, das er dann anlegt. Es wurde immer so verstanden, dass sich das Volk Israel eben an den Maßstäben Gottes messen lassen müsse. Tatsächlich ist das Wort aber mit "Zinn" zu übersetzen - ein wichtiges Metall für die Produktion von Kriegswaffen. Dass Gott diesen Zinnklumpen ins Volk hineinwirft, bedeutet, dass es Krieg geben wird. Das hat also einen völlig anderen Sinn.