Waffenlieferung
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Wir würden uns schuldig machen
Soll Deutschland den Kurden im Irak Waffen liefern, damit sie Jesiden und Christen gegen Terror verteidigen können? Aus der Evangelischen Kirche in Deutschland kommen ganz unterschiedliche Antworten. Das zeigt, wie schwierig die Frage nach einem "gerechten Krieg" zu beantworten ist.

Noch vor der Debatte um Waffen für die Kurden hatte die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann in einem Spiegel-Interview ihre Vision von Gewaltfreiheit verteidigt: "Meine Helden sind Menschen wie Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela, die so naiv waren, auf Gewaltfreiheit und Versöhnung zu setzen. Vor denen habe ich mehr Respekt als vor Leuten, die sagen, am Schluss hilft nur ein Schießeisen." Für den Vorrang einer friedlichen Konfliktlösung hat sich auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, ausgesprochen: Er ermutigte die Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel, sich mit "allen Mitteln der Diplomatie" für den Schutz der Zivilbevölkerung im Nordirak einzusetzen.

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Der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, schrieb in einem Beitrag für evangelisch.de: "Die Lieferung von deutschen Waffen an die kurdische Peschmerga halte ich für falsch." Doch fundamental-pazifistisch ist seine Haltung nicht, denn Renke Brahms gesteht ein, "dass es angesichts des schon stattfindenden und weiter drohenden Völkermords an Christen und Jesiden notwendig ist, aktuell wieder mit Mitteln der Gewalt einzugreifen, um das Recht zu schützen".

Dafür sei allerdings nicht Deutschland verantwortlich, sondern diejenigen, "die in der 'Koalition der Willigen' die militärische Intervention im Irak zu verantworten haben", also allen voran die USA, die im Frühjahr 2003 den Irak angriffen und das Land durch den Krieg weiter destabilisierten. Außerdem fragt sich Renke Brahms, "wo die islamische Welt und islamischen Staaten in dieser Situation Verantwortung übernehmen". Der Friedensbeauftragte beklagt, dass es kein UN-Mandat für eine militärische Aktion gibt. "Das Völkerrecht wird dadurch weiter untergraben."

Ein Abwägen zwischen Grundsatz und Situation

Martin Dutzmann, der Bevollmächigte der EKD in Berlin und ehemals Militärbischof, lehnt dagegen Waffenlieferungen an die Kurden nicht grundsätzlich ab. "Ich sage in aller Vorsicht: Wenn die Bundesregierung sich entscheiden sollte, Waffen als Soforthilfe in den Nordirak zu schicken, könnte ich das nicht verurteilen", sagte der Theologe dem evangelischen Pressedienst in Berlin. Die Völkergemeinschaft könne einem Genozid nicht zusehen, "damit würde sie sich schuldig machen".

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Dutzmann macht mit seiner Argumentation das ganze Dilemma deutlich, das sich aus der Frage nach einem "gerechten Krieg" ergibt. Was ist schlimmer: gewaltsam eingreifen, Waffen liefern – oder es nicht tun? Mit dieser Frage liefert er ein Musterbeispiel für eine ethische Entscheidung nach evangelischen Kriterien (ähnlich wie neulich Nikolaus Schneider zur Sterbehilfe). Zwar gebe es richtige Grundsätze, sagt Dutzmann in Bezug auf die Waffen-Debatte, zum Beispiel keine Rüstungsgüter in Spannungs- und Konfliktgebiete zu schicken, doch "diese richtigen Grundsätze lassen sich in der aktuellen Situation im Nordirak nicht ohne weiteres umsetzen." Dutzmann wägt ab: "In der einen Waagschale liegt ein drohender Genozid, in der anderen die Gefahr eines letztlich unkontrollierbaren Gebrauchs von Waffen." Seine Waage neige sich in Richtung Nothilfe – also Waffenlieferungen. Es müsse aber klar sein, "dass das eine sicherheitspolitisch begründete Ausnahme ist".

Zuletzt äußerte sich Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode der EKD: "Auch nach der Auffassung der evangelischen Kirche ist Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen", sagte sie am Montag dem Radiosender SWR2. "Alleine die Berichte darüber, dass Terroristen unterwegs sind und Menschen abschlachten, das kann niemanden kalt lassen, und das fordert natürlich auch jeden Christen heraus, sich zu überlegen, was da unter Umständen erlaubt sein könnte, um diese Mörderbanden zu stoppen." Derzeit sehe es so aus, "als könnte nur tatsächlich Gegengewalt zum gegenwärtigen Zeitpunkt da einen Schlusspunkt setzen". Ob Deutschland Waffen liefern soll, ließ Schwaetzer allerdings offen.

Es fällt auf, dass einige evangelische Kirchenvertreter und Theologen (auch der Berliner Bischof Markus Dröge und der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford Strohm) in diesem Konflikt für die Lieferung von Waffen oder einen Militäreinsatz argumentieren. Das mag zunächst befremdlich wirken, hält doch die EKD in ihrer Denkschrift "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen" (2007) deutlich das Leitbild vom "gerechten Frieden" hoch, nicht das vom "gerechten Krieg". In dem Papier heißt es: "Auch neue Herausforderungen wie der internationale Terrorismus rechtfertigen keine Wiederbelebung der Lehre vom 'gerechten Krieg'."

Das Risiko des Schuldigwerdens

Aber auch in der evangelischen Friedensethik sind Ausnahmen als "äußerstes Mittel", als ultima ratio zugelassen, zum Beispiel aus humanitären Gründen: "Bei Menschheitsverbrechen wie einsetzendem Genozid, Massenmord an Minderheiten, Massakern an ethnischen Gruppen und ethnischer Vertreibung, kollektiver Folter und Versklavung kann militärisches Eingreifen gerechtfertigt sein (...)." Das ist offenbar für die vertriebenen Jesiden und Christen im Irak momentan der Fall. Doch auch in einer solchen Ausnahme darf nicht einfach jeder Staat drauflosschlagen, sondern, darauf beharrt der Rat der EKD in seiner Denkschrift: "Die internationale Gemeinschaft sollte auf der Grundlage eines Mandats der UN in die Lage versetzt werden, Genozid und Menschheitsverbrechen (...) zu verhindern."

Selbst wenn es ein solches UN-Mandat gibt und außerdem Gründe, die ein militärisches Eingreifen oder die Unterstützung einer Schutzmacht mit Waffen rechtfertigen, bleibt das Dilemma bestehen. Aus der Perspektive christlicher Ethik ist es immer "problematisch und missverständlich, von einer Rechtfertigung des Gewaltgebrauchs zu sprechen", heißt es in der EKD-Friedensdenkschrift. "In Situationen, in denen die Verantwortung für eigenes oder fremdes Leben zu einem Handeln nötigt, durch das zugleich Leben bedroht oder vernichtet wird, kann keine noch so sorgfältige Güterabwägung von dem Risiko des Schuldigwerdens befreien." Das Eingreifen kann falsch sein, weil Menschen getötet werden – und auch das Nichtstun kann falsch sein, weil Menschen sterben.