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TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Stillschweigen" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Stillschweigen", 15. August, 22.30 Uhr im Ersten
Nach der Ermordung eines Rockers und einer unbeteiligten Zeugin müssen sich König und Bukow mit dem Rockermilieu befassen. Für die LKA-Beamtin ist das fast ein Heimspiel.

Jede Erzählung, ganz gleich, ob mündlich, schriftlich oder in Form von Bildern, lebt von der Neugier der Menschen: Man will wissen, wie’s weitergeht. Es war daher ziemlich clever von den Erfindern des neuen "Polizeiruf" vom NDR, die Geschichten von Anfang an mit einem horizontalen Erzählstrang zu versehen. Es gab jedes Mal einen neuen Fall, aber im Hintergrund erstreckte sich eine zweite Ermittlungsebene über mehrere Filme, weil LKA-Kommissarin König (Anneke Kim Sarnau) ihren Kripo-Kollegen Bukow (Charly Hübner) wegen dessen Kontakte zur Balkan-Mafia überwachen sollte. Dieses Kapitel ist nun zwar abgeschlossen, aber dafür rückt jetzt Katrin König ins Zentrum. Aus diesem Grund hat nun auch wieder Eoin Moore die Regie übernommen; der gebürtige Ire hat die Figuren erfunden.

"Wir reden nicht mit Bullen"

Erneut wird die Parallelerzählung geschickt in den Fall integriert: Nach der Ermordung eines Rockers und einer unbeteiligten Zeugin müssen sich König und Bukow mit dem Rockermilieu befassen. Für die LKA-Beamtin ist das fast ein Heimspiel: Sie hat sich jahrelang mit der Szenerie, die tatsächlich von den Landeskriminalämtern beobachtet wird, auseinandergesetzt. In Verdacht gerät der Ex-Präsident des Motorradclubs Satanic Riders, der sich mit einer verfeindeten Gang das Rostocker Rotlichtmilieu teilt. Im Gegensatz zu seinen vierschrötigen Kameraden ist dieser Rolf Wendland (Thomas Sarbacher) nicht mal uncharmant. Als er sich bereiterklärt, gegen den ehernen Ehrenkodex – "Wir reden nicht mit Bullen" – zu verstoßen und sich als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen, kommt es in einem so genannten sicheren Haus zu intensiven Gesprächen zwischen dem stämmigen Rocker und der filigranen Kriminalistin.

Auch wenn Moore mit einem Augenzwinkern "Das Schweigen der Lämmer" zitiert: Natürlich sind weder die Konstellation noch die Figuren miteinander zu vergleichen. Aber wie Hannibal Lecter, so will auch Wendland nur dann eine Aussage machen, wenn König persönliche Details preisgibt. Durch Zufall bekommt die beherrschte Ermittlerin auf diese Weise Informationen über ihre Kindheit, die in Bezug auf ihre Biografie ganz erhebliche Fragen aufwerfen. Mit entsprechend offenem Schluss endet der Erzählstrang; Fortsetzung folgt.

Die Morde werden dagegen aufgeklärt, allerdings wirken das Milieu und die darin verwurzelten Gestalten ungleich faszinierender. Man erfährt eine Menge darüber, wie Rockercliquen funktionieren, auch wenn man sich an die verschiedenen Fachbegriffe erst gewöhnen muss. Selbstredend sind die Auftritte der finsteren Burschen (allen voran Dirk Borchardt als Chefrocker) mit entsprechend gitarrenlastiger Rockmusik unterlegt. Und natürlich gerät die Situation im angeblich "sicheren Haus" irgendwann außer Kontrolle. Bukow schaut zwar nur für Stippvisiten vorbei, ist aber trotzdem weit mehr als bloß eine Randfigur. Auch das macht den Reiz der Krimis aus Rostock aus: Das Duo kommt auf gegensätzlichen Wegen zum gleichen Ziel. Charly Hübner ist in dieser Rolle nicht zuletzt dank seines authentisch trockenen Humors nach wie vor ein Ereignis, zumal Bukow auch ohne Mafia-Kontakte ein durchaus böser Bulle sein kann.