Foto: epd-bild / Jens Schulze
Die Gemeinde als Ort der Heilung
Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an Depressionen. Oft endet die Krankheit tödlich durch Suizid. Auch US-Schauspieler Robin Williams ist daran gestorben. Ein Tübinger Projekt hat gezeigt: Kirchengemeinden können helfen. Die Ergebnisse liegen jetzt in Buchform vor.
14.08.2014
epd
Marcus Mockler

Antriebsschwach, niedergedrückt, freudlos - das kennzeichnet die Gemütslage depressiver Menschen. Was für Gesunde nur ein vorübergehender Stimmungszustand für Stunden oder Tage ist, wächst sich bei Depressiven zu einer monatelangen Lebenskrise aus. Vier Millionen Menschen in Deutschland sind davon betroffen - mehr als von Alkoholismus. Fast jeder dritte der geschätzten 150.000 Suizidversuche pro Jahr in Deutschland entfalle auf Menschen mit einer diagnostizierten Depression, schreibt der Tübinger Psychiater Gerhard Eschweiler.

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Meistens hat die Krankheit einen Auslöser: Arbeitslosigkeit, Trennung, Tod eines geliebten Menschen, aber auch ein Herzinfarkt oder eine Infektion. Besonders gefährlich ist es laut Eschweiler, Trauerreaktionen zu verdrängen. Grundsätzlich gilt dem Experten zufolge: Depression ist heilbar. Gegenmaßnahmen können ein Kontrastieren negativer Gedanken sein, aber vor allem auch körperliche Betätigung wie Gartenarbeit, Sport, Bewegung an der frischen Luft. Auch eine Therapie mit hellem Licht am Morgen könne helfen, schreibt der Experte. Für schwerere Fälle empfiehlt Eschweiler die Gabe von Antidepressiva, die entgegen landläufiger Meinung nicht abhängig machten.

Dass Depressionen in den vergangenen Jahren zugenommen haben, führen die evangelische Theologin Birgit Weyel und die Ärztin und katholische Theologin Beate Jakob vor allem auf gesellschaftliche Veränderungen zurück. Beschleunigung des Lebens, wachsender Leistungsdruck am Arbeitsplatz, höhere Mobilität verbunden mit dem Gefühl der Heimatlosigkeit und Entwurzelung. Das werde noch verstärkt, wenn familiäre Bindungen nicht mehr tragen: "Ein geglücktes und von Erfolg gezeichnetes Leben wird zum Projekt einzelner und von Familien - und das Scheitern ist nicht vorgesehen."

Der Glaube ist kein Antidepressivum

Ein Tübinger Projekt hat erprobt, was Kirchengemeinden gegen Depression tun können. Den Mitarbeitern des Projekts zufolge können Gemeinden zu "inklusiven Gemeinschaften" werden, die Kontaktmöglichkeiten schaffen, durch Informationsabende die Krankheit enttabuisieren und vielleicht sogar Selbsthilfegruppen anbieten. Im Tübinger Projekt wurde konkret in zwei Gemeinden eine Serie von Maßnahmen ausprobiert, wie man sich auf depressive Menschen einstellen kann.

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Die Autoren des Buchs bieten dazu nun eine ganze Materialsammlung an. Gottesdienste, Kurzandachten und Vortragsabende können sich dem Umgang mit Depressionen widmen, auch in der Konfirmandenarbeit und in der Seelsorge sollte es ein Thema sein. Ziel ist es, die Gemeinde zu einem Raum zu machen, in dem Depressionen nicht verschwiegen werden müssen und Betroffene auf ein hilfreiches Klima treffen. Die Gemeinde soll ein Ort der Heilung werden.

Den christlichen Glauben betrachten die Autoren allerdings nicht pauschal als Antidepressivum. Er helfe, wenn Menschen ein positives Gottesbild hätten und auch in ihrer Krankheit ihre Sorgen bei Gott abgeben könnten. Deshalb verlaufe bei Menschen mit höherer Religiosität die Genesung von einer Depression günstiger. Wenn allerdings mit dem Glauben vor allem Schuld, Machtlosigkeit und Sündhaftigkeit verbunden würde, könne das Depressionen sogar verstärken.